Читать книгу «Morde am Hinterkreuz» онлайн полностью📖 — Madina Fedosova — MyBook.
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Man stelle sich vor: enge, gewundene Gassen, die wie von einer unachtsamen Hand gezeichnet wirkten, gepflastert mit Kopfsteinpflaster, das von Tau und Zeit glatt war. Die Steine erinnerten sich an die Schritte vieler Generationen von Grabener Einwohnern, und jeder Pflasterstein barg seine Geschichte, sein Geheimnis.

Entlang dieser Gassen zogen sich bescheidene, aber solide und gepflegte Häuser aus Holz und Stein mit Ziegeldächern, die von Regen und Sonne verdunkelt waren. Jedes Haus war einzigartig, mit seinem eigenen Charakter und seiner eigenen Geschichte, aber alle waren durch eines vereint – die Liebe und Fürsorge ihrer Besitzer.

An den Fenstern und Holzbalkonen prangten wie leuchtende Juwelen Kästen und Töpfe mit Blumen. Geranien, Petunien, Kapuzinerkresse – einfache, aber so liebenswerte Blumen, die sich in Helligkeit und Schönheit zu übertreffen schienen. Jeden Morgen pflegten die Bewohner von Graben liebevoll ihre Blumen, gossen sie, schnitten trockene Blätter ab und freuten sich über jede neue Knospe.

Am Morgen stieg dichter, milchiger Nebel über dem Dorf auf, wie ein Gespenst, das die Häuser und Felder umhüllte und Graben wie eine märchenhafte, unwirkliche Welt erscheinen ließ. Durch den Nebel drangen kaum die Silhouetten von Häusern und Bäumen, was ein Gefühl von Geheimnis und Rätselhaftigkeit erzeugte. Es schien, als sei die Zeit stehen geblieben und Graben verharrte in Erwartung von etwas Ungewöhnlichem.

Doch dann endlich zeigten sich die ersten Sonnenstrahlen, die den Nebel mit ihren goldenen Pfeilen durchdrangen. Der Nebel lichtete sich langsam und enthüllte Graben in seiner ganzen Pracht. Häuser, Felder, Bäume – alles verwandelte sich im Sonnenlicht und nahm leuchtende Farben und klare Konturen an. Und Graben erwachte zu neuem Leben und erfüllte sich mit den Geräuschen und Düften eines neuen Tages. Hähne krähten, Kühe muhten, Hunde bellten, von den umliegenden Bauernhöfen herüberwehend. In der Luft lag der Duft von frischem Brot, Rauch aus Schornsteinen und das Aroma von Blumen. Graben lebte sein Leben, ein Leben voller Arbeit, Sorgen und Hoffnungen.

Die meisten Einwohner Grabens waren Bauern. Ihr Leben war untrennbar mit dem Land verbunden, mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, mit den Jahreszeiten. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen durch den Morgennebel drangen, der das Tal umhüllte, standen die Bauern schon auf. Das Knarren von Dielen, ein leises Gebet, das Geräusch von Wasser, das in ein Waschbecken floss – so begann jeder Tag in einer Bauernfamilie.

Nach einem kargen Frühstück, bestehend aus Brot und Milch, zogen die Männer auf die Felder. Ihre rauen Hände, von Falten und Narben zerfurcht, erinnerten sich an die Berührung der Erde, der Weizenähren, des feuchten Lehms. Sie pflügten das Land, säten das Korn, ernteten die Ernte – sie arbeiteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ohne Müdigkeit zu kennen. Ihre Rücken beugten sich unter der Last der Arbeit, aber ihre Augen leuchteten von Beharrlichkeit und der Hoffnung auf eine gute Ernte.

Die Frauen blieben zu Hause, um sich um das Vieh zu kümmern, Essen zuzubereiten und auf die Kinder aufzupassen. Ihre fürsorglichen Hände molken Kühe, fütterten Schweine und sammelten Eier. Sie wuschen Wäsche in kaltem Wasser, webten Leinen und nähten Kleidung. Ihre Tage waren voller Sorgen, aber sie klagten nie, da sie wussten, dass ihre Arbeit genauso wichtig war wie die der Männer.

Einige Einwohner Grabens übten Handwerke aus. Schmiede fertigten Hufeisen, Tischler stellten Möbel her, Schneider nähten Kleidung. Ihre Hände beherrschten die Werkzeuge geschickt und schufen schöne und nützliche Dinge. Ihre Handwerke wurden von Generation zu Generation weitergegeben und bewahrten die Traditionen und die Kultur Grabens.

Das Leben der Bauern war hart und voller Sorgen. Dürren, Überschwemmungen, Viehkrankheiten – all das konnte ihre Pläne über Nacht zunichtemachen und ihnen die Lebensgrundlage entziehen.

Aber sie waren starke und widerstandsfähige Menschen, die an Arbeit und Entbehrungen gewöhnt waren. Sie waren von der Natur selbst gestählt worden und hatten gelernt, die einfachen Freuden des Lebens zu schätzen: die Wärme des heimischen Herdes, das Lächeln eines Kindes, den Geschmack von frischem Brot. Sie waren durch Bande der Verwandtschaft und Freundschaft miteinander verbunden, halfen sich in schwierigen Zeiten gegenseitig und freuten sich gemeinsam über Erfolge. Ihr Leben, einfach und schlicht, war voller tiefer Bedeutung und Würde.

In Graben, wie in jedem anderen Dorf, gab es eine Kirche. Sie war das Zentrum des spirituellen Lebens des Ortes. An Sonntagen versammelten sich die Einwohner Grabens in der Kirche, um zu beten und der Predigt des Priesters zu lauschen. Kirchliche Feste wurden feierlich und fröhlich begangen, mit Liedern, Tänzen und Volksfesten.

In Graben, wie in jedem anderen bayerischen Dorf mit Selbstachtung, erhob sich eine Kirche. Nicht einfach ein Gebäude aus Stein und Holz, sondern das Herz des Dorfes, das spirituelle Zentrum, um das sich das Leben jedes Einwohners drehte.

Ihr hoher Turm, der in den Himmel ragte, war von weitem zu sehen, wie ein Leuchtfeuer, das verirrten Seelen den Weg wies. Die Kirche war vor vielen Jahren erbaut worden, noch zu Zeiten der Könige, und hinter ihren Mauern hörte man die Gebete vieler Generationen von Grabener Einwohnern.

Im Inneren der Kirche herrschte eine Atmosphäre der Ehrfurcht und Stille. Sonnenstrahlen, die durch die Buntglasfenster drangen, tauchten die Luft in sanfte, gedämpfte Farbtöne. Der Duft von Weihrauch und altem Holz erfüllte den Raum und erzeugte ein Gefühl der Ruhe und des Friedens. An den Wänden hingen Ikonen von Heiligen mit strengen, aber gütigen Gesichtern, die über die Gemeinde wachten.

An Sonntagen, wenn das Glockengeläut durch die Gegend hallte, versammelten sich die Einwohner Grabens, in ihre besten Kleider gehüllt, in der Kirche. Sie kamen hierher, um zu beten, um Vergebung für ihre Sünden zu bitten und um den Segen für eine neue Woche zu erhalten. Ihre Stimmen, die sich zu einem einzigen Chor vereinten, stiegen zum Himmel auf und erfüllten die Kirche mit Gebeten und Gesängen.

Der Pfarrer, ein alter und weiser Mann, las die Predigt und erzählte von Nächstenliebe, Barmherzigkeit und wie man nach den Gesetzen Gottes leben soll. Seine Worte fanden in den Herzen der Gemeinde Widerhall und stärkten ihren Glauben und ihre Hoffnung.

Kirchliche Feste wurden in Graben feierlich und fröhlich begangen. Die Einwohner des Dorfes kleideten sich in ihre schönsten Kostüme, schmückten die Kirche mit Blumen und Bändern und veranstalteten Volksfeste. Lieder, Tänze, Spiele, Leckereien – all das schuf eine Atmosphäre der Freude und der Einheit. Auf dem Kirchplatz versammelten sich alle Einwohner Grabens, von jung bis alt, um gemeinsam das Fest zu feiern und sich von den schweren Arbeitsalltag zu erholen. Die Kirche, wie eine fürsorgliche Mutter, vereinte alle Einwohner Grabens und schenkte ihnen Glauben, Hoffnung und Liebe.

Im Dorf, etwas abseits des zentralen Platzes, befand sich die Schule – ein kleines, aber solides Gebäude mit großen Fenstern, die auf die ruhige dörfliche Landschaft hinausgingen. Hier strömten jeden Morgen Kinder aus Graben und den umliegenden Weilern herbei, mit Ranzen auf dem Rücken und dem Glanz der Neugier in den Augen. Die Schule war der Stolz des Dorfes, ein Symbol der Hoffnung für die Zukunft und ein Ort, an dem Träume geboren wurden.

Der Lehrer, Herr Hauser, war ein angesehener Mann in Graben. Klein, hager, mit einem aufmerksamen Blick und einem freundlichen Lächeln, war er nicht nur Lehrer, sondern vielmehr ein Mentor und Wegweiser in die Welt des Wissens. Er kannte jeden Schüler beim Namen und erinnerte sich an die Besonderheiten seines Charakters und seiner Träume. Sein Haus, das sich neben der Schule befand, stand Kindern und ihren Eltern immer offen.

Im Klassenzimmer standen Holztische, mit Tinte beschrieben und mit geschnitzten Namen verziert. An den Wänden hingen Karten, das Einmaleins und Porträts berühmter bayerischer Könige. Es roch nach Holz, Kreide und frischer Tinte. Hier, in dieser einfachen und gemütlichen Umgebung, lernten die Kinder die Grundlagen des Lesens und Schreibens.

Herr Hauser unterrichtete die Kinder in Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte und Geographie. Er erzählte ihnen von fernen Ländern, großen Entdeckungen und den Helden der Vergangenheit. Er versuchte nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch kritisches Denken bei den Kindern zu entwickeln und ihnen beizubringen, zu analysieren und ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Aber nicht nur Wissen gab der Lehrer seinen Schülern. Er förderte in ihnen die Liebe zu ihrem Heimatland, zu ihrem bayerischen Land, zu seinen Traditionen und seiner Kultur. Er erzählte ihnen von der Schönheit der heimischen Natur, der Wichtigkeit der Arbeit und der Notwendigkeit, die Älteren zu respektieren. Er lehrte sie, ehrlich, gerecht und barmherzig zu sein.

Die Schule war nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Ort der Kommunikation. Hier fanden Kinder Freunde, lernten, im Team zu arbeiten, teilten ihre Freuden und Sorgen. Hier entstand echte Freundschaft, die über viele Jahre andauerte und Generationen von Grabener Einwohnern verband. Die Schule, der Lehrer, die Schüler – sie alle waren Teil einer großen Familie, der Familie Graben, die durch die Liebe zu ihrem Land und den Glauben an eine bessere Zukunft vereint war.

Kapitel 3

Die Schänke “Zur alten Eiche”

Am Rande des Dorfes, unweit der Straße, die ins benachbarte Wangen führte, stand die Schänke “Zur alten Eiche”. Ihren Namen hatte sie von einer riesigen, weit ausladenden Eiche, die direkt vor dem Eingang stand und deren Wurzeln das Gebäude fest im Herzen des bayerischen Landes zu halten schienen. Das Gebäude war aus grobem Stein gemauert, mit massiven Holzbalken und kleinen Fenstern, die mit schmiedeeisernen Gittern versehen waren. Das Dach, mit von der Zeit verdunkelten Ziegeln gedeckt, verlieh der Schänke das Aussehen einer alten Burg, die viele Geheimnisse barg.

Der Besitzer der Schänke war ein kräftiger Mann mittleren Alters namens Hans. Mit einem breiten, gutmütigen Gesicht, das von Falten zerfurcht war, und hellen, leicht verwaschenen Augen, freute er sich immer, seine Besucher zu sehen… fast alle. Sein dichter, roter Schnurrbart sträubte sich über dem Bierkrug, wenn er über die Witzeleien seiner Gäste lachte. Seine Frau, Anna, eine korpulente und rosige Frau mit einem gütigen Herzen, leitete die Küche und bereitete herzhafte und schmackhafte Gerichte für die Besucher zu.

Sie beide bemühten sich, in der Schänke eine Atmosphäre der Freundlichkeit und Fröhlichkeit zu erhalten, aber manchmal wurde ein ruhiger Abend von einem ungebetenen Gast gestört. Andreas Gruber, das Familienoberhaupt aus Hinterkaifeck, war kein häufiger Gast, aber wenn er auftauchte, veränderte sich die Atmosphäre spürbar. Betrunken, gereizt, pflegte er andere Besucher zu beleidigen, zu beschimpfen und zu einer Schlägerei zu provozieren. Hans, der Wirt, versuchte, ihn zu beruhigen, aber Andreas war ein starrköpfiger und aggressiver Mensch.

“Na, Hans, schenk mir mal einen Krug von deinem besten Bier ein!”, rief ein hochgewachsener, hagerer Mann in einer abgetragenen Lederjacke und setzte sich an einen der Tische. Es war Josef, der örtliche Schmied.

Am Nachbartisch saß Andreas Gruber und schwankte. Sein Gesicht, das normalerweise streng war, war von dem getrunkenen Bier gerötet. Seine Augen glänzten fieberhaft, und seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. Er umklammerte sein Glas, als hätte er Angst, es würde ihm gleich weggenommen.

“Was seid ihr denn so trübselig, Männer?”, brüllte er, seine Stimme war von dem Getrunkenen heiser. “Na los, amüsiert euch! Trinkt, solange ihr trinken könnt! Morgen ist vielleicht keine Zeit mehr zum Trinken…” Seine Worte hingen in der Luft, wie eine böse Vorahnung.

Fritz, der mit Günther Karten spielte, warf Andreas einen verstohlenen Blick zu und versuchte, seinem Blick auszuweichen. “Alles gut, Andreas”, murmelte er und hoffte, das würde Gruber beruhigen.

Aber Andreas war nicht zu stoppen. “Alles gut? Und auf meinem Hof…”, er stockte, sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn, “Auf meinem Hof geht es zu… Geister, nachts, schleichen herum. Ich höre Schritte, Knarren… Ich bekomme Angst!” Er lachte, aber in seinem Lachen lag ein Hauch von Hysterie.

Hans, der das hörte, runzelte die Stirn. Er wusste, dass Andreas kein einfacher Mensch war. In letzter Zeit war er misstrauisch, verschwiegen geworden und klagte immer häufiger über seltsame Ereignisse, die angeblich auf seinem Hof stattfanden.

“Andreas, du solltest zu Hause bleiben und dich ausruhen”, versuchte Hans, ihn zu beruhigen. “Du hast heute übertrieben, du hast den Verstand verloren.”

“Halt die Klappe, Hans!”, brüllte Andreas und fuchtelte mit den Armen. “Das geht dich nichts an! Das ist mein Leben, und ich entscheide selbst, was ich tue!” Er schüttete den Rest seines Bieres direkt auf den Tisch und brachte Fritz und Günther zum zusammenzucken ließ. “Ihr Feiglinge hockt hier und zittert. Habt ihr Angst vor Geistern? Ha! Ich habe…”

Er konnte den Satz nicht beenden, denn Josef, der Schmied, erhob sich vom Nachbartisch. Sein Gesicht, das normalerweise ruhig war, war finster. “Andreas, du überschreitest heute alle Grenzen”, sagte er, seine Stimme war fest und sicher. “Benimm dich anständig oder verschwinde von hier.”

“Willst du mir, Rotzlöffel, Vorschriften machen?”, Andreas sprang auf die Füße, seine Augen waren blutunterlaufen. “Dir werde ich es zeigen…”

Und im selben Moment, noch bevor er den Satz beenden konnte, stürzte er sich auf Josef. In der Schänke begann eine Schlägerei. Krüge klirrten, Stühle flogen, Schreie und Flüche waren zu hören. Hans und seine Frau, Anna, versuchten, die Kämpfenden zu trennen, aber Andreas war zu stark und wild. Der Kampf endete erst, als einer der Bauern, der sah, dass Hans überfordert war, Andreas aus der Schänke zog und ihn fast auf die Straße warf. Es knallte laut mit der Eingangstür, und es kehrte Stille ein.

In der Schänke wurde es still, als hätte gerade ein Wirbelsturm gewütet. Die Leute sahen sich an, rückten ihre Kleidung zurecht, begutachteten die zerbrochenen Krüge. Hans seufzte schwer und begann, die Folgen der Schlägerei zu beseitigen. Alle wussten, dass Andreas Gruber ein gefährlicher Mensch war, und diese Nacht verhieß nichts Gutes.

Eine dichte Stille hing in der Luft, die nur durch das Knistern des Holzes im Kamin und das leise Flüstern der Besucher unterbrochen wurde. Hans kehrte schweigend die Scherben des Steinguts zusammen, sein Gesicht war finster wie eine Gewitterwolke. Anna drückte ein Tuch in ihrer Hand und wischte vorsichtig das Bier vom Tisch, bemüht, nicht in Richtung der Tür zu blicken, hinter der Andreas verschwunden war.

Josef, der Schmied, saß an seinem Tisch und rieb sich das verstauchte Kinn. Sein Gesicht war grimmig, aber sein Blick war fest. Er hatte keine Angst vor Andreas, aber er verstand, dass dieser nächtliche Streit ernste Folgen haben konnte. Gruber war ein nachtragender und rachsüchtiger Mensch, und niemand wusste, was ihm einfallen würde.

“Was wird denn jetzt passieren?”, fragte Fritz leise und wandte sich an Günther. “Andreas wird das nicht einfach so hinnehmen.”

Günther zuckte mit den Schultern, sein Gesicht drückte Besorgnis aus. “Wer weiß, was er im Schilde führt. Man sagt, er sei völlig durchgeknallt.”

“Geister hin oder her, mit so einem sollte man sich besser nicht anlegen”, fügte Josef hinzu und unterbrach ihr Gespräch. “Man muss vorsichtig sein. Besonders diejenigen, die in der Nähe seines Hofes wohnen.”

Hans, der mit dem Aufräumen fertig war, trat an ihren Tisch heran, sein Gesicht war ernst. “Josef, du hast recht”, sagte er. “Dieser Andreas hat völlig den Verstand verloren. Es würde mich nicht wundern, wenn er etwas Schreckliches anstellt. Wir müssen den Sheriff benachrichtigen.”

“Und was wird der Sheriff tun?”, grinste Fritz skeptisch. “Andreas ist ein reicher Bauer, er wird immer einen Weg finden, sich freizukaufen. Und wir werden dann damit leben müssen…”

“Trotzdem muss man etwas unternehmen”, beharrte Hans. “Man darf nicht schweigen. Sonst wird es eine Katastrophe geben.”

Aber wie es in kleinen Dörfern oft der Fall ist, überwanden Angst und Misstrauen das Pflichtgefühl. Niemand wollte sich einmischen, niemand wollte den Zorn von Andreas Gruber auf sich ziehen. Alle zogen es vor, so zu tun, als sei nichts geschehen, und hofften, dass der Sturm vorüberziehen würde.

Und draußen im Dunkel der Nacht stand die alte Eiche, Zeuge vieler Generationen von Grabener Einwohnern. Ihre Äste, wie knochige Finger, reckten sich zum Himmel, und die Blätter raschelten, als ob sie mahnende Worte flüsterten. Aber niemand hörte sie.

Bald füllte sich die Schänke “Zur alten Eiche” wieder mit Lärm und Fröhlichkeit. Die Musikanten spielten eine neue Melodie, die Leute begannen zu tanzen, und das Leben schien wieder seinen normalen Gang zu gehen. Aber unter der Maske der Fröhlichkeit verbarg sich Angst und Besorgnis. Alle spürten, dass etwas nicht stimmte, dass ein dunkler Schatten über Graben lag, der diesen ruhigen und friedlichen Winkel Bayerns bald verschlingen sollte.

 



 



 



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