Читать книгу «Getönte Fenster» онлайн полностью📖 — Блейка Пирс — MyBook.
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„Ich bin ihm ein paar Tage lang nachgegangen, um mir seinen Tagesablauf zu merken. Ich dachte nicht, dass er zuhause sein würde. Ich hatte vor da schnell rein und raus zu sein, und das wäre alles.“ Er hielt nun einen Moment lang inne und erst dachte Chloe schon, er könnte anfangen zu weinen. Doch, was sie als Angst deutete, begann sich langsam in Horror zu verwandelt. Hughes begriff die Schwere dessen, was er getan hatte, und es begann endlich bei ihm einzusickern und ihn herunterzuziehen.

„Doch als ich durch die Eingangstür kam war er direkt vor mir, auf dem Sofa. Ich hatte ein Brecheisen in der Hand, weil ich erwartet hatte, dass ich die Tür aufbrechen müsste. Und als er auf mich zukam und wir zu kämpfen begannen, ist es… ist es einfach mit mir durchgegangen. Ich war überrascht und erschrocken und ich habe einfach… ich habe begonnen ihn mit dem Brecheisen zu schlagen. Und ich konnte nicht aufhören… ich konnte nicht…“

„Was hat Sie dazu gebracht aufzuhören?“, fragte Rhodes.

„Ich habe gehört, wie das Garagentor aufging. Ich nehme an, es war seine Frau, die nach Hause gekommen war. Ich hatte auch das auf dem Schirm. Ich wollte einfach rein und wieder raus, bevor sie zurückkam, wissen Sie? Ich wollte nie jemanden verletzen oder töten… aber ich habe dieses Garagentor gehört und hörte auf. Ich sah, was ich getan hatte und…“

Er stoppte, immer noch nicht in der Lage sich dazu zu bringen, es auszusprechen.

„Reden Sie weiter“, beharrte Chloe.

„Ich wusste, dass er tot war und ich hatte das Gefühl, dass ich irgendetwas mitnehmen musste. Ich habe die Uhr gesehen, dachte sie sei aus Gold. Holte sein Portemonnaie aus seiner hinteren Hosentasche und nahm das Geld heraus. Zweiundachtzig Dollar.“

„Und dann sind Sie gegangen?“, fragte Chloe. „Direkt aus der Tür heraus?“

Hughes nickte. „Ich konnte sogar das Garagentor wieder zugehen hören. Ich habe seine Frau wahrscheinlich bloß um knappe dreißig Sekunden verpasst.“

„Sie wussten, dass er tot war, als sie gegangen sind?“, fragte Rhodes.

„Nicht mit absoluter Sicherheit.“ Er zitterte nun und die Handschellen um sein Handgelenk ratterten gegen die Stange, an die er gekettet war. „Aber so wie sein Schädel aussah… und das ganze Blut, ich dachte mir, es sei unmöglich, dass er noch am Leben ist. Oder wenn er nicht tot war… dann würde er es bald sein…“

„Mr. Hughes, kennen Sie einen Mann namens Viktor Bjurman?“

Die Frage schien ihn zu überrumpeln, vielleicht, weil sie auf den ersten Blick in keiner Verbindung zu seinen eigenen Handlungen stand. Nachdem er einen Moment lang darüber nachgedacht hatte, schüttelte er den Kopf. „Nein. Nein, nicht, dass ich wüsste.“

„Waren Sie zu irgendeinem Zeitpunkt in der letzten Woche in Pine Point?“, fragte Chloe.

„Ja. Da gibt es einen kleinen Reformmarkt. Ich kaufe dort meine Vitamine. Das war… letzten Freitag, glaube ich.“

Chloe machte einen Schritt vom Tisch weg. Sie betrachtete Hughes und dachte an seine Aussage und seine Antworten. Selbst ein schlechter Lügner konnte eine Story wie diese erfinden. Doch man musste schon ein wahrer Soziopath sein, um auch die kleinsten Details, vom Zittern bis zum Ausdruck aufrichtiger Angst, so gut hinzubekommen. Auf der Basis ihrer Instinkte und ihrer Erfahrung wusste sie, dass er die Wahrheit sagte – und dass es ihm vor den möglichen Konsequenzen graute. Die Tatsache, dass er sogar ein kleines persönliches Detail, wie die Vitamine, mit in seine Geschichte eingeschoben hatte, überzeugte sie endgültig.

Und davon ausgehend, war sie sich ziemlich sicher, dass das nicht der Mann war, der Viktor Bjurman umgebracht hatte. Was bedeutete, dass die Morde überhaupt nichts miteinander zu tun hatten. Sicher, es fühlte sich ziemlich gut an, recht behalten zu haben, doch es war ebenso frustrierend, da sie nun wieder ganz am Anfang standen, was Bjurmans Mord anbelangte.

„Mr. Hughes, wir werden die Polizei vor Ort bitten mit Ihnen zu arbeiten und einen Zeitablauf festzuhalten, der Auskunft darüber gibt, was Sie getan haben und wo Sie gewesen sind in der Zeit zwischen ihrem unbeabsichtigten Totschlag an Mr. Fielding und dem Moment, an dem sie festgenommen wurden. Wenn Sie alles detailliert genug angeben können, wird das FBI nicht eingeschaltet werden müssen. Haben Sie alles verstanden?“

Er nickte und schaute immer noch wie ein verwirrter Schüler im Matheunterricht drein. „Ich verstehe bloß nicht, wie das alles passiert ist. Ich verstehe nicht…“

„Haben Sie noch etwas, Agentin Rhodes?“, fragte Chloe.

„Nichts.“

Die Agentinnen ließen Hughes sitzen, wo er war, mit einem verängstigten und nun auch ziemlich verwirrten Ausdruck im Gesicht. Sobald sie wieder auf dem Flur standen, kam Cooper zu ihnen herübergeeilt. Ein weiterer Polizist war nun an seiner Seite und sie sahen beide genauso verwirrt aus, wie Hughes eben bei ihrem Verlassen des Raumes.

„Stimmt irgendetwas nicht?“, fragte er.

„Nein“, sagte Choe. „Sie und Ihre Männer haben hervorragende Arbeit geleistet. Das ist hundertprozentig ihr Mann, bloß nicht derjenige, den wir suchen. Wenn Sie feststellen könnten, wo er die letzten paar Tage gewesen ist, sodass wir ihn als Viktor Bjurmans Mörder ausschließen können, wäre das super.“

„Ja… ich habe mir gedacht, dass er den Mord nicht auch noch begangen hat“, sagte Cooper. „So zittrig und verängstigt wie er ist, kann ich mir nicht einmal vorstellen, wie er das, was er Fielding angetan hat, vollbringen konnte. Ich meine, Grundgütiger… haben Sie die Fotos gesehen?“

Sie wollte die Haltung der Polizisten nicht irgendwie beeinflussen, daher nickte Chloe bloß. Sie gab Cooper ihre Visitenkarte und sagte: „Würden Sie uns bitte anrufen, sobald sie eine ungefähre Zeitabfolge der Ereignisse haben?“

„Natürlich“ sagte Cooper, obwohl offensichtlich war, dass er noch nicht ganz begriffen hatte, wieso sie bereits gingen.

„Danke für Ihre Zeit“, sagte Rhodes, als sie an ihm vorbei zurück zum vorderen Teil des Gebäudes gingen.

Chloe war es unangenehm, dass sie auf eine nahezu unhöfliche Art und Weise gegangen waren, doch es gab wirklich keinen Grund für sie dort noch länger zu verweilen. Während sie zu ihrem Auto zurückliefen überlegte Chloe angestrengt, ob es nicht auch nur die kleinste Möglichkeit gäbe auf Nummer sicher zu gehen, dass Carol Hughes nicht auch noch Bjurman umgebracht hatte – obwohl jeder Justizbeamte, der seinen Namen wert war, das schon nach zwei Minuten in der Gegenwart des Kerls sagen könnte.

„Gut für die Coliner Polizei“, sagte Rhodes, als sie hinters Steuer stieg. „Ich bezweifele, dass diese Kerle jemals so viel Action abbekommen.“

„Ja, gut für sie“, sagte Chloe. Dann fügte sie hinzu: „Du hast es auch gesehen, oder? Er war geschockt von dem, was er getan hatte… fast so, als würde er es selbst immer noch nicht glauben können.“

„Ja, ich hab’s bemerkt. Nicht ganz was man von einem kaltblütigen Mörder zweier Männer erwarten würde, der vom FBI verhört wird.“

„Trotzdem sollte wir versuchen ein Alibi ausfindig zu machen. Mal sehen, was Cooper und seine Männer herausfinden können.“

„Einverstanden“, sagte Rhodes. „Aber was machen wir bis dahin?“

Chloe dachte einen Moment lang nach und sagte schließlich schulterzuckend: „Mittagessen?“

Es bedeutete die Niederlage zugeben, ohne sie tatsächlich zuzugeben. Chloe konnte den Gedanken nicht ausstehen, dass einen Mörder zu überführen als Niederlage zu werten war, aber der scheinbar banale Fall von Carol Hughes setzte sie schon zurück, was den Fall Bjurman anbelangte. Chloe wusste, dass ohne eine Verbindung zwischen Bjurman und Fielding sie vom Fall abgezogen werden würden, was bedeuten würde, dass Bjurmans Tod als ungelöster Mord an die örtlichen Polizeibehörden übergeben werden würde.

Und es war diese Befürchtung, die ihr noch etwas anderes offenbarte: die Tatsache, dass sie um jeden Preis an diesem Fall weiterarbeiten wollte, weil sie nicht bereit war zu dem Drama zurückzukehren, das zuhause mit Danielle auf sie wartete.

***

Ihr Mittagessen bestand aus einer fettigen, jedoch köstlichen Pizza und ein paar Salaten in einem örtlichen Pizzaladen. Sie aßen ziemlich schweigsam und waren sich sicher, dass Johnson oder einer seiner Untergebenen sie in jedem Moment anrufen würde, um sie zurückzupfeifen. Rhodes hatte das FBI Hauptquartier angerufen, nachdem sie das Polizeipräsidium von Colin verlassen hatten, um die Neuigkeiten zum Fall mitzuteilen, und selbst das hatte sich schon ziemlich final angefühlt. Chloe hatte keinerlei Zweifel daran, dass ihr Besuch in Pine Points sich dem Ende neigte.

„Quält dich noch irgendwas?“, fragte Rhodes.

„Wieso fragst du?“

Schulterzuckend wischte sich Rhodes die Hände an einer Serviette ab, die bereits von ihrer Margarita Pizza ganz durchfettet war. „Du siehst verstört aus… so, als hättest du etwas verloren.“

„Vielleicht ein bisschen“, gab Chloe zu. „Ich habe keinerlei Zweifel, dass Hughes Bjurman nicht umgebracht hat. Aber die ganze Bjurman Sache… irgendetwas an Theresa Diaz kommt mir sonderbar vor.  Selbst, wenn sie damit rausgerückt wäre, dass sie mit Bjurman schlief – von was ich, übrigens, ziemlich überzeugt bin– ich glaube es gibt da immer noch etwas… etwas, das sie verbergen könnte.“

„Wenn sie miteinander geschlafen haben, war es vielleicht mehr als nur eine Affäre“, legte Rhodes nahe. „Vielleicht waren sie verliebt?“

„Möglich.“

Sie schwiegen erneut und überlegten sich das Gesagte. Etwa ein Viertel der Pizza war noch übrig, obwohl beide Agentinnen sich satt gegessen hatten.

Chloe konnte eine kleine Veränderung in sich spüren, als die Möglichkeit ihrer Rückkehr nach Hause immer realer wurde. Obwohl sie tatsächlich froh war von dem ganzen Danielle Drama fern zu sein – selbst wenn nur auf einer Distanz von eineinhalb Stunden Fahrt – machte sie sich trotzdem sehr große Sorgen darum, wie ihre Schwester reagieren würde, wenn (was viel wahrscheinlicher war, als falls, nahm Chloe an), das FBI sie kontaktieren würde. Die ganze Angelegenheit erzeugte einen glühenden Knoten der Sorge in ihrer Magengrube, weshalb sie ihr Bestes gab, diese Gedanken zu verscheuchen.

Als Rhodes Handy klingelte, während sie auf die Rechnung warteten, zuckten sie beide etwas zusammen. Sie dachten sich beide, dass es wohl Johnson sein würde, und Chloe gab ihr Bestes, nicht beleidigt zu sein, dass er sich entschlossen hatte, Rhodes statt sie zu kontaktieren.

Chloe hörte genau zu und versuchte so zu tun, als wäre sie nicht allzu interessiert an dem, was gesagt wurde. Doch das Mithören von Rhodes Anteil in diesem sehr kurzem Telefonat sagte ihr alles, was sie wissen musste. Als Rhodes auflegte, bestätigte ihr Gesichtsausdruck das. Es war eine Miene von milder Irritation und einer matten Art von Erleichterung.

„Er will, dass wir uns mit der Coliner Polizei in Verbindung setzen, bevor wir fahren, und dann sollen wir zurück nach Hause kommen“, sagte Rhodes. „Und wenn du mich fragst, sollten wir dann genau zur richtigen Zeit in DC sein, um noch ein paar Drinks zu trinken, bevor wir den Tag beenden.“

Sie beglichen ihre Rechnung und machten sich auf zum Coliner Polizeipräsidium. Auf ihrem Weg zurück nach Colin fuhren sie genau an dem Gehsteig vorbei, wo Bjurman ermordet worden war. Ohne Polizeiautos und Tatortabsperrung, sah es wie eine ganz normale Straßenecke in einer beliebigen Stadt Amerikas aus. Chloe verstörte es irgendwie zu wissen, dass es Antworten an dieser Straßenecke gab, die womöglich niemals gefunden werden würden – Antworten die, so wie es jetzt aussah, für immer außerhalb Chloes Reichweite verbleiben würden.

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