Читать бесплатно книгу «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.» Т. Б. Маколея полностью онлайн — MyBook

Erdbeben in Port Royal

Während durch diese Seeräuber unser Handel gestört und unsere Küsten bedroht wurden, vermehrten einige andere Calamitäten, die keine menschliche Vorsicht hätte abwenden können, die öffentliche Verstimmung. Ein Erdbeben von furchtbarer Heftigkeit zerstörte binnen weniger als drei Minuten die blühende Colonie Jamaika. Ganze Pflanzungen veränderten ihre Lage, ganze Dörfer wurden verschlungen. Port Royal, die schönste und reichste Stadt, welche die Engländer bis dahin in der neuen Welt erbaut hatten, berühmt wegen ihrer Quais, ihrer Waarenmagazine und ihrer prächtigen Straßen, die mit Cheapside gewetteifert haben sollen, wurde in einen Trümmerhaufen verwandelt. Funfzehnhundert Einwohner wurden unter ihren eigenen Häusern begraben. Die Folgen dieses Unglücks wurden von vielen großen Handlungshäusern London’s und Bristol’s schwer empfunden.40

Noth in England

Ein noch größeres Unglück war das Mißrathen der Ernte. Der Sommer war im ganzen westlichen Europa naß gewesen. Die starken Regengüsse, welche die Arbeiten der französischen Pioniere in den Laufgräben von Namur erschwert hatten, waren auch den Feldfrüchten verderblich gewesen. Alte Leute erinnerten sich seit 1648 keines solchen Jahres. Keine Frucht wurde reif. Der Preis des Quarters Weizen verdoppelte sich. Das Uebel wurde noch verschlimmert durch den Zustand der Silbermünzen, die in einem solchen Umfange beschnitten worden waren, daß die Worte Pfund und Schilling gar keine bestimmte Bedeutung mehr hatten. Verglichen mit Frankreich konnte England sich indeß noch glücklich schätzen. Hier waren die öffentlichen Lasten schwer, dort waren sie erdrückend. Hier mußte der Arbeiter mit seinem groben Gerstenbrot haushälterisch umgehen; dort geschah es nicht selten, daß der unglückliche Landmann mit halbgekautem Grase im Munde todt gefunden wurde. Unsere Vorfahren fanden einigen Trost in dem Gedanken, daß sie nach und nach die Stärke ihres furchtbaren Feindes erschöpften und daß seine Hülfsquellen wahrscheinlich eher versiegen würden als die ihrigen. Doch die Leiden und die Unzufriedenheit waren immerhin groß. In einigen Grafschaften griff der Pöbel die Getreidespeicher an. Die Nothwendigkeit sich einzuschränken wurde von Familien jeden Standes erkannt. Ein müßiger Schöngeist und Genußmensch, der schwerlich daran gedacht hat, daß seine Scherze je citirt werden würden, um die Geschichte seiner Zeit zu characterisiren, beklagt sich, daß in diesem Jahre der Wein von vielen Tafeln, auf denen man ihn zu sehen gewohnt war, verschwunden gewesen und durch Punsch ersetzt worden sei.41

Zunahme der Verbrechen

Ein weit beunruhigenderes Symptom des allgemeinen Nothstandes als die Substituirung des Clarets durch Branntwein und Citronen war die Vermehrung der Verbrechen. Während des Herbstes von 1692 und des darauffolgenden Winters wurde die Hauptstadt durch Einbruchdiebstähle in beständiger Angst erhalten. Eine dreizehn Mann starke Diebesbande drang in den Palast des Herzogs von Ormond in Saint-James’ Square und es wäre ihr fast gelungen sein prächtiges Silbergeschirr und seine Juwelen zu entwenden. Eine andre Bande versuchte einen Einbruch in Lambeth Palace.42 Wenn herrschaftliche, von zahlreichen Dienern bewachte Wohnungen in solcher Gefahr schwebten, so wird man leicht glauben, daß keines Krämers Kasse und Waarenlager sicher war. Von Bow bis Hydepark, von Thames Street bis Blomsbury war kein Kirchspiel, in welchem nicht eine ruhige Wohnung durch nächtliche Diebe geplündert worden wäre.43 Zu gleicher Zeit waren die Heerstraßen wegen der Freibeuter, die sich in stärkere Truppen formirten, als man sie bis dahin gekannt hatte, kaum noch zu passiren. Es existirte ein geschworner Bund von zwanzig Straßenräubern zu Fuß, die in einem Alehause in Southwark ihre Zusammenkünfte hielten.44 Die gefürchtetste Räuberbande aber bestand aus zweiundzwanzig Berittenen.45 Eine Reise von fünfzig Meilen durch die reichsten und bevölkertsten Grafschaften England’s scheint damals eben so gefährlich gewesen zu sein, wie eine Wanderung durch die Wüsten Arabien’s. Die Diligence von Oxford wurde am hellen Tage nach einem blutigen Kampfe ausgeplündert.46 Ein mit funfzehntausend Pfund Sterling Staatsgeldern befrachteter Wagen wurde angehalten und ausgeraubt. Da diese Operation einige Zeit erforderte, so wurden alle Reisenden, die während der Arbeit der Diebe zur Stelle kamen, festgenommen und bewacht. Als die Beute in Sicherheit gebracht war, durften die Gefangenen zu Fuß ihren Weg fortsetzen; aber ihre Pferde, sechzehn bis achtzehn an der Zahl, wurden todtgeschossen oder ihnen die Knieflechsen zerschnitten, um jede Verfolgung zu verhindern.47 Der Postwagen von Portsmouth wurde in einer Woche zweimal durch wohlbewaffnete und berittene Männer beraubt.48 Einige joviale Squires aus Essex wurden auf einer Hasenjagd ihrerseits von neun Jägern ganz andrer Art gehetzt und eingeholt und waren herzlich froh, als sie, wenn auch mit leeren Taschen, wieder zu Hause anlangten.49

Die Freunde der Regierung behaupteten, die Räuber seien lauter Jakobiten, und gewisse Anzeichen gaben dieser Behauptung in der That einen Schein von Begründung. Es wurden zum Beispiel funfzehn Metzger, welche an einem Markttage nach Thame gingen, um Vieh einzukaufen, von einer starken Bande angehalten und zuerst gezwungen ihre Geldkatzen herzugeben und dann Branntwein auf das Wohl König Jakob’s zu trinken.50 Man muß jedoch den Räubern und Dieben die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie bei Ausübung ihres Handwerks keine bestimmte Vorliebe für irgend eine politische Partei zeigten. Einige von ihnen begegneten in der Nähe von Saint-Albans Marlborough und zwangen ihn, ungeachtet seiner bekannten Feindseligkeit gegen den Hof und seiner kürzlichen Haft, fünfhundert Guineen herauszugeben, deren Verlust er wahrscheinlich bis zum letzten Augenblicke seiner langen Laufbahn des Glücks und Ruhms nicht aufhörte zu beklagen.51

Als Wilhelm bei seiner Zurückkunft vom Continent erfuhr, in welcher Ausdehnung dieses Unwesen getrieben wurde, äußerte er eine tiefe Entrüstung und kündigte seinen Entschluß an, die Uebelthäter mit starker Hand zu unterdrücken. Ein alter ausgedienter Räuber wurde bewogen, den Angeber zu machen und dem Könige eine lange Liste der bedeutendsten Straßenräuber und einen vollständigen Nachweis über ihre Gewohnheiten und ihre Lieblingsaufenthaltsorte vorzulegen. Diese Liste soll nicht weniger als achtzig Namen enthalten haben.52 Es wurden starke Reitertrupps zum Schutze der Landstraßen ausgesandt, und diese Maßregel, welche unter gewöhnlichen Verhältnissen lautes Murren hervorgerufen haben würde, scheint allgemein gebilligt worden zu sein. Ein schönes Regiment, gegenwärtig das zweite Gardedragonerregiment genannt, das sich in Irland durch Thätigkeit und Glück im unregelmäßigen Kriege gegen die Rapparees ausgezeichnet hatte, wurde dazu auserwählt, mehrere von den großen Zugängen zur Hauptstadt zu bewachen. Blackheath, Barnet, Hounslow wurden Waffenplätze.53 Nach wenigen Wochen waren die Straßen wieder so sicher wie sonst. Es fanden zahlreiche Hinrichtungen statt, denn bis das Uebel vollständig unterdrückt war, weigerte sich der König standhaft, irgend einem Gnadengesuche Gehör zu geben.54 Unter den Hingerichteten befand sich auch Jakob Whitney, der berüchtigtste Räuberhauptmann im ganzen Königreiche. Er war einige Monate lang der Schrecken aller von London nordwärts oder westwärts Reisenden gewesen und wurde endlich mit Mühe nach einem verzweifelten Kampfe, in welchem ein Soldat getödtet und mehrere andere verwundet wurden, gefangen genommen.55 Die London Gazette zeigte die Gefangennehmung dieses berüchtigten Straßenräubers an und forderte alle Diejenigen, welche von ihm beraubt worden waren, auf, sich in Newgate einzufinden und zu sehen, ob sie ihn wiedererkennten. Seine Identität festzustellen, konnte nicht schwer sein, denn er hatte eine Wunde im Gesicht und einen Daumen verloren.56 Aber er verwendete in der Hoffnung, die Belastungszeugen irre zu führen, hundert Pfund Sterling darauf, sich bis zum Tage der Gerichtsverhandlungen einen kostbaren gestickten Anzug zu verschaffen. Dieser sinnreiche Einfall wurde jedoch durch seine hartherzigen Hüter vereitelt. Er kam in seinen gewöhnlichen Kleidern vor die Schranke und wurde überführt und zum Tode verurtheilt.57 Er hatte vorher noch den Versuch gemacht, sich durch das Anerbieten loszukaufen, eine aus lauter Straßenräubern bestehende Reitertruppe für den Dienst in Flandern zu errichten; aber sein Anerbieten war abgelehnt worden.58 Jetzt blieb ihm noch ein möglicher Ausweg. Er erklärte, daß er um ein hochverrätherisches Complot wisse. Einige jakobitische Lords hätten ihm eine große Belohnung versprochen, wenn er an der Spitze seiner Bande den König auf einer Hirschjagd im Walde von Windsor überfallen wolle. Whitney’s Geschichte hatte durchaus keine innere Unwahrscheinlichkeit. Es wurde sogar ein ganz ähnlicher Plan, wie der, dessen er die Mißvergnügten beschuldigte, nur drei Jahre später von einigen von ihnen wirklich entworfen und beinahe zur Ausführung gebracht. Aber es war viel besser, daß einige wenige schlechte Menschen unbestraft blieben, als daß alle rechtschaffenen Leute in beständiger Angst lebten, von zum Galgen verurtheilten Verbrechern fälschlich angeklagt zu werden. Der Oberrichter Holt rieth dem Könige, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, und Wilhelm, der nie besonders geneigt war, Verschwörungsgeschichten Glauben zu schenken, gab seine Zustimmung. Der Kapitain, wie man ihn nannte, wurde in Smithfield gehängt und ging sehr reumüthig aus der Welt.59

Zusammentritt des Parlaments

Unterdessen hatte inmitten der Mißstimmung, Noth und Unordnung eine ganz besonders ereignißvolle Parlamentssession begonnen, eine Session, von der eine neue Aera in der Geschichte der englischen Finanzen datirt, eine Session, in welcher einige wichtige Verfassungsfragen, die noch heute nicht vollständig erledigt sind, zum ersten Male berathen wurden.

Stand der Parteien

Es ist sehr zu bedauern, daß jeder Bericht von dieser Session, der sich aus den uns jetzt noch zu Gebote stehenden spärlichen und zerstreuten Materialien zusammenstellen läßt, Vieles im Dunklen lassen muß. Die gegenseitigen Beziehungen der parlamentarischen Parteien waren dieses Jahr in einem äußerst verwickelten Zustande. Jedes der beiden Häuser wurde durch mehrere Scheidelinien in Abtheilungen und Unterabtheilungen zerfällt. Unwichtigerer Unterscheidungen nicht zu gedenken, war zuerst die große Scheidelinie, welche die Whigpartei von der Torypartei trennte; dann die große Scheidelinie, welche die Staatsmänner mit ihren Freunden und ihren Anhängern, zuweilen die Hofpartei genannt, von Denen trennte, denen man bald den Spottnamen der Murrköpfe (Grumbletonians) gab, bald mit der Benennung der Vaterlandspartei beehrte. Und diese beiden großen Linien durchschnitten sich wieder. Denn von den Dienern der Krone und ihren Anhängern waren ungefähr die Hälfte Whigs; die andere Hälfte Tories. Auch muß daran erinnert werden, daß völlig getrennt von der Fehde zwischen Whigs und Tories, völlig getrennt auch von der Fehde zwischen den Staatsdienern und Nichtstaatsdienern, eine Fehde zwischen den Lords als Lords und den Gemeinen als Gemeinen herrschte. Der Geist der erblichen Kammer und der Wahlkammer war in der vorigen Session durch den Streit über den Gerichtshof des Lord High Steward gründlich aufgestachelt worden und sie kamen jetzt in kampflustiger Stimmung zusammen.

Die Thronrede

Die Rede, welche der König bei Eröffnung der Session hielt, war geschickt zu dem Zwecke abgefaßt, die Häuser zu versöhnen. Er komme, sagte er zu ihnen, ihren Rath und Beistand zu erbitten. Er gratulirte ihnen zu dem Siege von La Hogue. Er gestand mit großem Bedauern, daß die Operationen der Verbündeten zu Lande weniger glücklich gewesen waren als zur See, erklärte aber mit Feuer, daß die Tapferkeit seiner englischen Unterthanen zu Lande wie zur See ganz vorzüglich gewesen sei. Die Noth seines Volks, sagte er, sei auch die seinige, sein Interesse sei von dem des Volks unzertrennlich; es sei ihm schmerzlich, Opfer von ihm zu verlangen, aber Opfer, welche zum Heile der englischen Nation und des protestantischen Glaubens nothwendig seien, werde kein guter Engländer und kein guter Protestant scheuen.60

Privilegienfrage, von den Lords zur Sprache gebracht

Die Gemeinen dankten dem Könige in herzlichen Ausdrücken für seine huldvolle Rede.61 Die Lords aber waren in schlechter Stimmung. Zwei der Ihrigen, Marlborough und Huntingdon, waren während der Ferien, als man stündlich eine Invasion und einen Aufstand erwartete, in den Tower geschickt worden und standen noch unter der schriftlichen Verpflichtung, sich auf Verlangen vor Gericht zu stellen. Wäre ein Landgentleman oder ein Kaufmann in einer so beunruhigenden Krisis selbst auf noch geringfügigere Gründe hin zur Bürgschaftsstellung angehalten worden, so würden die Lords sich gewiß nicht eingemischt haben. Aber durch Alles was wie eine ihrem Stande angethane Schmach aussah, wurden sie leicht in Zorn gebracht. Sie unterwarfen nicht nur den Prokurator des Schatzamts, Aaron Smith, dem sein Character allerdings wenig Anspruch auf Nachsicht gab, einem strengen Verhör, sondern faßten auch mit fünfunddreißig gegen achtundzwanzig Stimmen einen Beschluß, der einen Tadel gegen die Richter der Kings Bench aussprach, Männer, die an Rechtschaffenheit sicherlich keinem Peer des Reichs nachstanden und an juristischen Kenntnissen jeden derselben weit übertrafen. Der König hielt es für gerathen, den verletzten Stolz des hohen Adels dadurch zu beschwichtigen, daß er die Bürgschaftsleistungen zu cassiren befahl, und durch diese Concession war das Haus zufriedengestellt, zum großen Aerger der Jakobiten, welche gehofft hatten, daß der Streit bis zu einem unheilvollen Ausgange getrieben werden würde, und die, als sie sich in dieser Erwartung getäuscht sahen, ihrem Unmuthe durch Schmähungen gegen die Unterwürfigkeit der entarteten Barone England’s Luft machten.62

Debatten über die Lage der Nation

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