Es wurde späterhin von Tories, welche unter allen Dingen die Nationalschuld und unter allen Menschen Burnet am meisten haßten, oft behauptet, Burnet sei Derjenige gewesen, der der Regierung zuerst gerathen habe, eine Nationalschuld zu contrahiren. Allein diese Behauptung wird durch keinen glaubwürdigen Beweis bestätigt und scheint durch das Stillschweigen des Bischofs widerlegt zu werden. Er war unter allen Menschen derjenige, von dem am wenigsten anzunehmen war, daß er die Thatsache verschweigen würde, daß eine wichtige fiskalische Revolution sein Werk gewesen. Auch war das damalige Schatzcollegium kein solches, das die Rathschläge eines Geistlichen nöthig gebraucht, oder von dem man hätte annehmen können, daß es dieselben sonderlich beachten würde. In diesem Collegium saß Godolphin, der klügste und erfahrenste, und Montague, der waghalsigste und erfinderischste aller Financiers. Es konnte keinem dieser beiden ausgezeichneten Männer unbekannt sein, daß es in den Nachbarstaaten schon längst Gebrauch war, die durch ein Kriegsjahr nöthig gemachte übermäßige Besteuerung auf mehrere Friedensjahre zu vertheilen. In Italien bestand dieser Gebrauch seit mehreren Generationen. Frankreich hätte während des Kriegs, welcher 1672 begann und 1679 endigte, nicht weniger als dreißig Millionen nach unsrem Gelde geborgt. Sir Wilhelm Temple hatte in seinem interessanten Werke über die Batavische Föderation seinen Landsleuten erzählt, daß zu der Zeit als er Gesandter im Haag war, die damals von dem sparsamen und klugen De Witt verwaltete Provinz Holland allein ungefähr fünf Millionen Pfund Sterling schuldete, für welche die Zinsen zu vier Procent stets auf den Tag bereit waren, und daß, wenn ein Theil des Kapitals zurückgezahlt wurde, der Staatsgläubiger sein Geld mit Thränen in Empfang nahm, wohl wissend, daß er keine Anlage von gleicher Sicherheit finden konnte. Das Wunder ist nicht, daß England endlich das Beispiel seiner Feinde wie seiner Verbündeten nachahmte, sondern daß bereits das vierte Jahr seines schweren und erschöpfenden Kampfes gegen Ludwig zu Ende ging, ehe es zu einem so nahe liegenden Aushülfsmittel griff.
Am 15. December 1692 erklärte sich das Haus der Gemeinen zu einem Ausschusse für Feststellung der Mittel und Wege. Somers nahm den Präsidentenstuhl ein. Montague schlug vor, eine Million auf dem Wege der Anleihe zu erheben; der Vorschlag fand Beifall und es wurde angeordnet, daß eine Bill eingebracht werden solle. Die Details des Planes wurden ausführlich besprochen und vielfach modificirt; das Prinzip aber scheint allen Parteien gefallen zu haben. Die Geldmänner waren froh, daß sie eine gute Gelegenheit hatten, ihre aufgehäuften Kapitalien zinsbar anzulegen, und die durch die Steuerlast hart gedrückten Grundbesitzer waren bereit, um momentaner Erleichterung willen Alles zu genehmigen. Kein Mitglied wagte das Haus abstimmen zu lassen. Am 20. Januar wurde die Bill zum dritten Male gelesen, durch Somers den Lords überreicht und von ihnen ohne Amendement angenommen.86
Durch dieses denkwürdige Gesetz wurden neue Abgaben auf das Bier und andere geistige Getränke gelegt. Diese Abgaben sollten im Schatze von allen übrigen Einnahmen gesondert bleiben und einen Fond bilden, auf dessen Garantie hin eine Million gegen Leibrenten aufgenommen werden sollten. Nach dem Absterben der Renteninhaber sollten ihre Annuitäten unter die Ueberlebenden vertheilt werden, bis die Zahl der Ueberlebenden auf sieben zusammengeschmolzen war. Was nach dieser Zeit zurückfiel, sollte dem Staate zu Gute kommen. Es war demnach ausgemacht, daß das 18. Jahrhundert weit vorgerückt sein würde, ehe die Schuld getilgt war. Der Zinsfuß sollte bis zum Jahre 1700 zehn Procent, und nach diesem Jahre sieben Procent sein. Die dem Staatsgläubiger durch diesen Plan gebotenen Vortheile mögen groß scheinen, waren aber nur eben hinreichend, um ihn für sein Risico zu entschädigen. Es war nicht unmöglich, daß eine Contrerevolution ausbrach, und wenn eine solche stattfand, war es gewiß, daß Die, welche Wilhelm Geld geliehen hatten, sowohl Zinsen als Kapital verloren.
Dies war der Ursprung der Schuld, die seitdem das größte Wunder geworden ist, das jemals den Scharfsinn der Staatsmänner und Philosophen in Verlegenheit gesetzt und ihren Stolz beschämt hat. Bei jeder neuen Vermehrung dieser Schuld hat die Nation stets das nämliche Geschrei der Angst und Verzweiflung erhoben. Bei jeder neuen Vermehrung dieser Schuld haben einsichtsvolle Männer allen Ernstes behauptet, daß Bankerott und Ruin bevorständen. Und doch wuchs die Schuld fortwährend, und Bankerott und Ruin waren so fern als je. Als der große Kampf mit Ludwig schließlich durch den Frieden von Utrecht beendigt wurde, schuldete die Nation ungefähr funfzig Millionen, und diese Schuld wurde, nicht bloß von dem ungebildeten großen Haufen, nicht blos von fuchsjagenden Squires und Kaffeehausrednern, sondern von scharfen und tiefen Denkern als eine Last betrachtet, welche den Staatskörper fortwährend lähmen würde. Gleichwohl blühte der Handel, der Wohlstand nahm zu, die Nation wurde reicher und reicher. Dann kam der österreichische Erbfolgekrieg, und die Schuld stieg auf achtzig Millionen. Tagesschriftsteller, Geschichtsschreiber und Redner erklärten, daß jetzt unsre Lage jedenfalls eine verzweifelte sei. Die Zeichen zunehmenden Wohlstandes, Zeichen, die weder gefälscht noch verborgen werden konnten, mußten jedoch jeden aufmerksamen und nachdenkenden Beobachter überzeugen, daß eine Schuld von achtzig Millionen für das von Pelham regierte England weniger war, als eine Schuld von funfzig Millionen für das von Oxford regierte England gewesen war. Bald brach von neuem Krieg aus, und unter der energischen und verschwenderischen Verwaltung des ersten Wilhelm Pitt schwoll die Schuld rasch auf hundertvierzig Millionen an. Sobald der erste Siegesrausch verflogen war, erklärten Männer der Theorie und Männer der Praxis einstimmig, daß der verhängnißvolle Tag nun wirklich gekommen sei. Der einzige unter allen praktischen und theoretischen Staatsmännern, der die allgemeine Verblendung nicht theilte, war Edmund Burke. David Hume, ohne Widerrede einer der gründlichsten Staatsökonomen seiner Zeit, erklärte, unser Wahnsinn übertreffe noch den Wahnsinn der Kreuzfahrer. Richard Löwenherz und Ludwig der Heilige hätten nicht mathematischen Beweisen Hohn gesprochen. Es sei unmöglich, mit Ziffern zu beweisen, daß der Weg zum Paradiese nicht durch das gelobte Land gehe, aber es sei möglich mit Ziffern zu beweisen, daß der Weg zum Nationalruin durch die Nationalschuld führe. Es sei jedoch überflüssig noch von dem Wege zu sprechen, denn mit dem Wege hätten wir es nicht mehr zu thun, wir seien bereits am Ziele angelangt und Alles sei vorbei: alle Einkünfte der Insel nördlich vom Trent und westlich vom Reading seien verpfändet. Es würde besser für uns gewesen sein, wenn Preußen oder Oesterreich uns besiegt hätte, als daß wir die Zinsenlast für hundertvierzig Millionen tragen müßten.87 Dieser große Gelehrte – denn das war er – hätte indessen nur die Augen zu öffnen gebraucht, um überall um sich her Fortschritt und Verbesserung zu erblicken: sich vergrößernde Städte, sich immer weiter ausbreitende Bebauung des Bodens, Märkte, zu klein für die Masse der Käufer und Verkäufer, Häfen, nicht mehr genügend zur Aufnahme der Schiffe, künstliche Flüsse, welche die Hauptbinnensitze der Industrie mit den wichtigsten Seehäfen verbanden, besser erleuchtete Straßen, besser eingerichtete Häuser, kostbarere Waaren, in eleganteren Läden zum Verkauf gestellt, leichtere Wagen, die auf ebeneren Wegen dahinrollten. Er hätte in der That nur das Edinburg seiner Kindheit mit dem Edinburg seines Mannesalters zu vergleichen gebraucht. Seine Prophezeiung bleibt für die Nachwelt ein denkwürdiges Beispiel der Schwäche, von der auch die stärksten Geister nicht frei sind. Adam Smith sah ein wenig, aber auch nur ein wenig weiter. Er gab zu, daß die Nation die Schuldenlast trotz ihrer ungeheuren Größe doch trage und unter ihr in einer Weise gedeihe, die Niemand habe voraussehen können. Aber er warnte seine Landsleute, ein so gewagtes Experiment zu wiederholen. Die Grenze sei erreicht, selbst eine geringe Vermehrung könne verderblich werden.88 Nicht minder schwarz war das Licht, in welchem Georg Grenville, ein ausgezeichnet fleißiger und praktischer Minister, unsre finanzielle Lage erblickte. Er meinte die Nation müsse unter einer Schuldenlast von hundertvierzig Millionen erliegen, wenn nicht ein Theil derselben von den amerikanischen Colonien getragen würde. Der Versuch, einen Theil der Last auf die amerikanischen Colonien zu übertragen, rief einen neuen Krieg hervor. Nach diesem Kriege hatten wir hundert Millionen Schulden mehr und die Colonien verloren, deren Beistand als unerläßlich dargestellt worden war. Wieder wurde England aufgegeben, und wieder beharrte der sonderbare Patient darin, trotz aller Diagnosen und Prognosen der Staatsärzte immer kräftiger und blühender zu werden. Wie es mit einer Schuld von hundertvierzig Millionen sichtlich besser gediehen war als mit einer Schuld von funfzig Millionen, so gedieh es wieder mit einer Schuld von zweihundertvierzig Millionen besser als mit einer Schuld von einhundertvierzig Millionen. Bald jedoch stellten die Kosten der aus der französischen Revolution hervorgehenden Kriege, welche an Kostspieligkeit alle übertrafen, die die Welt je gesehen, die Kräfte des öffentlichen Credits auf die äußerste Probe. Als die Welt wieder ruhig geworden war, betrug die fundirte Schuld England’s achthundert Millionen. Wenn man dem aufgeklärtesten Manne im Jahre 1792 gesagt hätte, daß im Jahre 1815 die Zinsen von achthundert Millionen auf den Tag von der Bank ausgezahlt werden würden, so würde er dies eben so wenig geglaubt haben, als wenn man ihm gesagt hätte, die Regierung werde im Besitz der Aladinslampe oder des Fortunatusbeutels sein. Es war in der That eine riesige, eine fabelhafte Schuld, und wir dürfen uns kaum darüber wundern, daß das Geschrei der Verzweiflung lauter war als je. Doch abermals überzeugte man sich, daß das Geschrei eben so grundlos gewesen war als je. Nach einigen Jahren der Erschöpfung erholte sich England wieder. Dennoch beklagte es sich, wie Addison’s eingebildeter Kranker, der beständig wimmert, er müsse an der Schwindsucht sterben, bis er so fett wird, daß er beschämt schweigen muß, fortwährend, daß es in Armuth versunken sei, bis sein Reichthum sich durch Zeichen verrieth, die seine Klagen lächerlich machten. Die verarmte, die bankerotte Gesellschaft erwies sich nicht nur fähig, alle ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, sondern wurde sogar, während sie ihre Verbindlichkeiten erfüllte, so schnell immer reicher und reicher, daß die Zunahme ihres Reichthums fast mit den Augen zu erkennen war. In jeder Grafschaft sahen wir seit kurzem Wüsteneien in Gärten verwandelt; in jeder Stadt sahen wir neue Straßen und Squares und Marktplätze, glänzendere Laternen, reichlichere Versorgung mit Wasser; in den Vorstädten jedes großen Sitzes der Industrie sahen wir die Villas, jede in ein reizendes kleines Paradies von Hollunder und Rosen gebettet, sich rasch vermehren. Während seichte Politiker beständig wiederholten, daß die Kräfte des Volks durch die Wucht der öffentlichen Lasten erdrückt würden, fand die erste Dampfwagenfahrt auf einer Eisenbahn statt. Bald war die Insel mit Schienenwegen überzogen. Eine Summe, größer als der Betrag der ganzen Nationalschuld zu Ende des amerikanischen Kriegs, wurde von diesem ruinirten Volke binnen wenigen Jahren freiwillig auf den Bau von Viaducten, Tunneln, Dämmen, Brücken, Bahnhöfen und Lokomotiven verwendet. Inzwischen wurde die Besteuerung fast beständig leichter und leichter und doch war die Staatskasse gefüllt. Man darf ohne Besorgniß vor Widerspruch behaupten, daß es uns eben so leicht wird, die Zinsen von achthundert Millionen zu bezahlen, als es vor hundert Jahren unseren Vorfahren wurde, die Zinsen von achtzig Millionen zu bezahlen.
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