»1) Montag, den 13. Juli 1789, allgemeiner Aufstand in der Hauptstadt und den Provinzen, und dann wird man die so Gelegenheit benutzen, um den Herzog von Orleans als General-Lieutenant, oder Regenten des Königreichs zu proclamiren.
»2) Wird vorläufig Alles aufgeboten werden, um die Noth allgemein zu machen, damit die Bürgerschaft gezwungen wird, zu den Waffen zu greifen.
»3) Ermordung des Flesselles, Stadtschultheißen von Paris; Berthier’s, Intendanten von Paris; Foulon’s, seines Schwiegervaters; Durocher’s, Oberbefehlshabers der Marechaussée; Pinet’s, Wechselagenten des Baron von Besenvas, des Baron von Breteuil, des Grafen Artois, des Prinzen Condé, des Prinzen Conti, des Marschall von Broglie, des Prinzen von Lambes, des Abbé Maury, des Herrn von Aligre, ehemaligen ersten Präsidenten des Parlamentes von Paris; und der Herren von Eprémesnil und von Lefebre d’Ammécourt, Parlamentsräthe.
»4) Tod Jedem, der dem Aufkauf des Getreides Hindernisse in den Weg legt, namentlich dem Müller Sauvage zu St.-Germain en Laye; dem Pächter Thomasin in der Nähe desselben Ortes, dem Cuveau, Mairie-Adjunkt zu Mans; dem Chatal, Maire zu St. Denis; dem Manssion, Intendanten von Rouen; dem Belboeuf, General-Procurator des Parlaments von Rouen.
»5) Plünderung und Anzündung aller Schlösser von Aristokraten, wo man hin gelangen kann.
»6) Niedermetzlung aller Royalisten, die Frankreich nicht verlassen werden.« –
Man wird sich vielleicht wundern, auf dieser Proscriptionsliste auch den Namen Pinet’s, eines der Mitschuldigen Orleans, zu finden. Das kam daher, daß Pinet sehr reich geworden war: Philipp-Egalité wollte ihn beerben. Uebrigens erklärte Pinet öffentlich, der Herzog sei ein ehrloser Ränkemacher und Mörder. Unter den über Philipp Egalité gefällten Urtheilen ist besonders anzuführen, was Mirabeau von ihm sagt:
»– Er ist feige und niederträchtig wie ein Laquai er ist nicht werth, daß man sich um ihn bekümmert! Er ist ein Elender, der zu nichts taugt, als Prinz zu sein!«
Talleyrand, selbst so verächtlich, schonte doch Orleans auch nicht, und sagte von ihm:
»– Er ist ein niedriger, gemeiner Intriguant; er bedarf nur Geld, um zufrieden zu sein. Für Geld würde er seine Seele verkaufen, und thäte recht daran, denn er vertauschte einen Misthaufen gegen Gold.«
Es ist merkwürdig zu sehen, wie Ein Nichtswürdiger den Andern beurtheilt. Der Herzog von Orleans ließ eine Vertheidigungsschrift drucken und vertheilen, die wörtlich so anfing:
»Hätte man jemals erwarten können, daß ein Fürst, dessen Jugend (gewiß ein großes Unrecht) fast ganz in den Frivolitäten und Freuden, die das Leben und die Empfindungen der Personen seines Ranges zu erfüllen pflegen, verging, einst den muthvollsten und edelsten Eifer für die Wiederherstellung des allgemeinen Wohlstandes und des Glückes der Nation an den Tag legen werde? Man würde diese Wahrnehmung noch bezweifeln, wenn nicht vielfache Beweise uns in dem Herrn Herzog von Orleans einen würdigen Sprößling Heinrich IV, den Feind der Verbündeten und der Aristokratie, die Stütze der Sache des Volks und des allgemeinen Rechts, welches älter als Reiche und Könige ist, erkennen ließen.«
Im Schooße der allgemeinen Gährung war die Haltung des Hofes schlaff und kraftlos. Der König, ein Theil des Adels und fast der ganze Clerus wendeten das Jahr 1789 an, um gegen die Gewalt der großherzigen Ansichten, von denen die Orleans Vortheil ziehen wollten, einen übermüthigen Kampf zu unternehmen. Was die Deputierten der Gemeinden anbetraf, so gaben sie diesen Grundsätzen der Regeneration ihren vollen Beifall und erhöhten somit den Aufschwung derselben. Auf einer Seite war der König, allem Entsetzen eines in seiner Schwäche noch hartnäckigen Geistes Preis gegeben; auf der andern Seite bemühte sich die Nationalversammlung, die Schwierigkeiten zu überwinden, die es machte, dem Lande eine Constitution zu geben.
Unterdessen setzten die Clubbs kühn ihre öffentlichen Sitzungen fort. Der Garten des Palais-Royal war einer der Mittelpunkte der Vereine. Diese Versammlungen waren von dem Herzoge von Orleans gestiftet, der eine Menge Schwelger, Müßiggänger und Ausländer in seinem Solde hatte.
Unter den glühendsten Aufwieglern machte sich Camille Desmoulins, ein überspannter Republikaner, ein Mensch eben so sentimal als blutdürstig, bemerkbar. Bei der Nachricht von der Ankunft der Truppen des Hofes begab er sich nach dem Palais-Royal und stellte sich an die Spitze der Bewegung. Das Blut des Volkes floß unter den Streichen des Prinzen von Lambes, dessen Namen die Geschichte mit seiner Schande zugleich aufzeichnete. Die Läden der Waffenschmiede wurden geplündert, die Bürger- Miliz wurde organisiert. So entstanden die Nationalgarden.
Glücklicherweise fand die Beredtsamkeit der Vertheidiger der Tyrannei dieses Mal keinen Eingang bei dem Volke, es warf sich auf die Bastille, – dieses Denkmal der rächenden Feudalherrschaft – und bemächtigte sich ihrer.
Das Schicksal der Opfer dieses großen Kampfes wie aller derer, die demselben eine Reihe von Jahren hindurch folgten, ist zu bedauern. Die Verbrechen der Vorfahren, wie ihre Irrthümer, werden oft noch an den späten Enkeln heimgesucht, und nur erst in einer andern Welt, wo wir die Weisheit der Weltregierung in ihrem vollen Lichte erkennen, wird uns das Dunkel solcher trüben Verhängnisse klar werden.
Wenn man revolutionaire Ereignisse und Thaten richtig beurtheilen will, so muß man dabei die Umstände , unter denen sie stattfinden, berücksichtigen, die Beschwerden des Volkes gegen die bevorzugten Classen reiflich erwägen, mit Einem Worte, feststellen, auf welcher Seite die größte Schuld begangener Verbrechen war. Das Königthum, der Clerus und der Adel wollten die Rechte und Vorzüge, in deren Besitz sie waren, fest halten. Das Volk darbte unter diesen Rechten und Vorzügen; es erkannte dieselben für ungerecht, übermäßig und abgeschmackt; der materielle Beweis für diese Behauptung war das Elend und der Verfall, zu dem diese vorgeblichen Rechte und Vorzüge es geführt hatten, und es fand die moralische Sanction seiner Verwerfung in seinem Gewissen und in dem Evangelium, welches ihm im Namen Gottes verkündigt war. Da nun die Frage über Rechte und Pflichten aufgeworfen war, bedurfte es eines neuen Vertrages, einer neuen sozialen und politischen Constitution; aber dieselbe mußte vollständig, feierlich, auf eine unerschütterliche Basis – die allgemeine Moral – gegründet, und durch Ehrfurcht einflößende Institutionen gegen die Eingriffe der Ränkemacher und Usurpatoren geschützt sein. Das war es, was die National-Versammlung versprach und was sie, ach! so unvollkommen hielt.
Die Religion wurde dadurch, daß Menschen sie predigten, deren Lebenswandel allgemeines Aergerniß gab, verkannt und als Lüge behandelt. Aber die Völker können nicht, so wenig wie der einzelne Mensch, ohne Glauben, ohne einen heiligen Namen auf den Lippen, ohne einen Ruf der Hoffnung, leben. Dieser Glaube, dieser Name, dieser Hoffnungsruf, sind in dem einzigen Worte Freiheit enthalten. Dieses Wort ertönte, ertönte aus Millionen jauchzenden Kehlen und die französische Monarchie stürzte zusammen. Mitten in diesem Werke der Zerstörung erhoben sich große Geister, die im hellsten Lichte die christliche Bedeutung der Gleichheit neben die der Freiheit stellten, welche so eben die Bürger gegen die Privilegien und den Despotismus bewaffnet hatte.
Daher kommt es, daß wir jetzt voll Vertrauen sind; es giebt keine Macht mehr auf Erden, die uns lange am Gängelbande führen könnte; jene entsetzliche Tyrannei kann nicht wieder erstehen, denn wenn dem so wäre, gälte es einen Kampf, und vor dem würde das Volk nicht zurückbeben. Man mag sagen was man will, es können jetzt keine Bastillen mehr bestehen. Hat der Schriftsteller nicht Feder und Schwert? Hat das Volk nicht Muth und die Erinnerung seines ersten Sieges?
Bei dem Sturze dieser alten Monarchie, die von Raub und Schändlichkeiten abgenutzt, in Wollüste und Schwelgereien versunken war, zitterten alle Könige auf ihren Thronen; sie sahen die Freiheit, drohend allen denen, die ihre Gewalt mißbrauchen; und bei dem blendenden Glanze, welchen sie verbreitete, bemerkten sie zum ersten Male, daß ihre Throne eigentlich nur ein Gebäude von geschmückten Brettern waren, welches der geringste Stoß umstürzen konnte!
Da war denn also die Demokratie in ein neues Stadium gelangt, wo wir ihr Schritt vor Schritt, in ihren Erfolgen und Verlusten, über die neue Erfolge sie trösten, folgen werden. Die Schicksale der Nationen ruhen in den Herzen und den Gedanken der Männer von Muth und Einsicht, die sich für Ideen und Grundsätze opfern, welche das einzige Wort: der Fortschritt, in sich faßt. Der Fortschritt! er erblühete aus dem Blute der gefallenen Herren, der auf einander eifersüchtigen Sclaven, der Unschuldigen, der Opfer, er erblühte auf den Schlachtfeldern, unter dem Geheul der zu Boden geworfenen Feinde, dem Gewieher der Schlachtrosse, dem Flattern der Fahnen. Der Fortschritt! er wird sich Bahn brechen durch die Ränke der Geldmänner und die geheimen Umtriebe der Polizei; er wird die Freiheit an den Tyrannen, die sie unterdrückten, rächen und Gerechtigkeit, Wahrheit und Freiheit werden endlich siegen! –
Nach der Einnahme der Bastille versuchte Ludwig XVI. noch, gegen den Strom der neuen Begriffe zu kämpfen, und das beschleunigte seinen Fall. Es gab nur noch Ein Rettungsmittel für ihn, nämlich freimüthig in die ihm vorgeschlagenen Umgestaltungen einzugehen und sich selbst an die Spitze der Volksbewegung zu stellen; aber zu diesem Entschluß gehörte ein Mann mit einer starken Seele und ausgezeichnetem Verstande, nicht aber ein König wie er, der unfähig war, die Anforderungen seiner Zeit zu erkennen und zu verstehen.
Traurig war es andrerseits anzusehen, wie leicht das Volk sich von ehrgeizigen Männern leiten und verführen ließ: so fand die Volkspartei sich geheilt zwischen Orleans, Mirabeau, Barnave, den Lameth’s und La Fayette, welche Letztere die Monarchie retten wollten. Damals erkannte das Volk nicht, daß der Herzog v. Orleans General-Lieutenant des Reichs und Mirabeau Minister werden wollte.
Dieser doppelte Versuch scheiterte an dem Terrorismus Robespierre’s und der Lameth’s.
Das Jahr 1790 hatte kaum begonnen, als der Marquis v. Favras seine geheimen Verbindungen mit dem Hofe, der alles Geschehene wieder rückgängig machen wollte, auf dem Blutgerüste büßte. Bald darauf arbeitete die ganze Nation an den Vorbereitungen zu dem Feste, welches auf dem Marsfelde gefeiert werden sollte; und dort empfingen alle Verbündeten, die Deputierten des Heeres und der Provinzen den Eid des Königs, der seine rechte Hand gegen den Altar ausstreckend, an welchem der Bischof von Autun so eben die Messe gelesen hatte, mit starker Stimme sagte:
»Ich, König der Franzosen, schwöre die mir durch die Constitutions-Urkunde des Staats verliehene Gewalt anzuwenden, um die von der National-Versammlung decretirte und von mir bestätigte Constitution auf recht zu erhalten.«
An demselben Abend war ein allgemeines Fest in Paris, und an dem Platze, wo das alte Gefängniß der Bastille gestanden hatte, las man:
Indessen hatte der Hof den in Chatelet schon begonnenen Prozeß gegen die Rädelsführer vom 5. und 6. October wieder anhängig gemacht. Der Herzog v. Orleans und Mirabeau waren unter den Angeklagten. Der Hof erlitt den Schimpf eine erfolglose Anklage gemacht zu haben; die Stimme Mirabeau’s übertönte dieselbe, so wie auch die des Herzogs v. Orleans.
Um den Bankerott zu vermeiden, brachte die Regierung eine Menge Assignaten in Umlauf und nahm alle möglichen Maaßregeln, um den Credit derselben zu sichern. Unterdessen starb Mirabeau in Folge übermäßiger Arbeiten und Schwelgereien, aufgerieben durch Sinnenlust und politische Aufregung. Es war am 2. April 1791; er war umgeben von Cabanis, Talleyrand und Barnave, die zu ihm gekommen waren, um fein letztes Lebewohl zu empfangen.
Am 20. Juni, um Mitternacht, entflohen Ludwig XVI., die Königin, Madame Elisabeth und Frau von Tourzel, Erzieherin der Kinder von Frankreich, verkleidet aus dem Schlosse. Sie reisten die ganze Nacht, ohne daß ihre Flucht bemerkt wurde. »La Fayette hat diese Entweichung begünstigt,« schrie das Volk. Erst in Varennes wurde der König verhaftet durch den republikanischen Eifer , Drouet’s, eines Postmeisters-Sohnes. Die National-Garden der Umgegend lieferten die königlichen Personen nicht eher aus, als bis drei von der National-Versammlung bevollmächtigte Personen sich zu diesem Zwecke einfanden. Es waren Barnave, Latour-Maubourg und Péthion.
Welch ein Umschwung! Der König und seine Familie kehrten in die von ihnen verlassene Hauptstadt zurück, bewacht von einem jungen Advokaten, und von einem Manne, den die Strenge und Rauhheit seiner Grundsätze seit einigen Tagen erst berühmt gemacht hatte.
Barnave, der neben der Königin saß, konnte sich des Mitleids mit dieser unglücklichen Familie nicht erwehren. Der andre Tribun, Péthion, empfand weniger Sympathie für dieselbe. Die Reise währte acht Tage; der Wagen war von National-Garde begleitet, »Das Schweigen der Völker, sagt man, ist das Verbannungsurtheil der Könige.« Ludwig XVI. kannte diesen Ausspruch, die Aufnahme die er fand, mußte ihm mithin entsetzlich sein. Nicht ein Ruf, weder der Freude noch der Lästerung, ward gehört. Von da an konnte der König sich als verloren betrachten. Diese Reise, Folge jenes Mißgeschicks, welches die Schwäche und Feigheit verfolgt, setzte ihn auf immer in der Achtung der Nation herab. Der König und seine Familie wurden in den Tuilerieen gefangen gehalten. Umsonst boten Barnave und Lameth ihren Einfluß auf, um sie zu retten, es war um sie geschehn: Péthion, Robespierre und Buzot wollten die Republik, und die, welche noch nicht geradezu Republikaner waren, verlangten wenigstens eine andre Dynastie, wogegen Jene meinten: wenn so Vieles nur geschehen sein sollte, um wieder einen König zu wählen, wäre es am Besten gewesen, diesen zu behalten. Uebrigens verdiente der Herzog v. Orleans wahrlich nicht, Ludwig XVI. vorgezogen zu werden.
Unterdessen ließ La Fayette auf dem Marsfelde, neben dem Altar der Freiheit, auf das Volk schießen. Mehre hundert Bürger wurden von seinen Soldaten niedergemetzelt und zertreten.
Endlich wurde der König, nachdem er die Constitution, welche in aller Eile entworfen war, angenommen hatte, wieder in Freiheit gesetzt, und am 30. September erklärte die National-Versammlung ihre Sitzungen für geschlossen. Einige ihrer Mitglieder, nämlich Barnave, Lameth und Duport, näherten sich dem Hofe, und gaben dem Könige Rathschläge. Aber die Unentschlossenheit des Monarchen gestattete ihm nicht, die Fingerzeige, die ihm gegeben wurden, zu benutzen.
Der neue Verein, der den Namen die gesetzgebende Versammlung annahm, zählte unter seinen Mitgliedern Girardin, Ramon, Voublanc, Dumas und jene talentvolle aber schlaffe Plejade, aus der die Partei bestand, die man die Girondisten nannte und unter welcher Deputierte aller Departements sich befanden. An der Spitze dieser Partei standen Condorcet und Vergniaur, welche eine friedliche, milde Republik träumten, und Merlin von Thionville, Chabot, Bazire, welche später zu der Partei des Berges gehörten. Die Clubbs wurden jetzt immer zahlreicher und hatten einen unerhörten Einfluß. Der älteste derselben, der Jacobinerclubb, dem Robespierre präsidierte, unterschied sich von dem der Feuillants durch seine Kühnheit und Energie. Umsonst bemühten sich die Cordeliers, deren Oberhaupt Danton und deren Secretär Camille Desmoulins war, mit den Jacobinern zu wetteifern.
Robespierre hatte sich in der National-Versammlung durch die Strenge seiner Grundsätze zu bemerkbar gemacht, um nicht bald der populairste aller Tribunen zu werden. Von der gesetzgebenden Versammlung ausgeschlossen, hatte er sich an die Jacobiner angeschlossen, wohin ihm jener Ruf der Rechtschaffenheit folgte, dem er den Beinamen des Unbestechlichen verdankte.
So standen die Sachen in Frankreich, als Bailly seine Entlassung als Maire von Paris nahm. Der Hof gab sich alle mögliche Mühe, die Ernennung Péthions zu bewirken, den er zwar als Republikaner kannte, aber für einfältig hielt. Péthion ward ernannt, und bewies dem Hofe, indem er die republikanische Partei eifrig unterstützte, daß die Großen irren, wenn sie Kälte für Unfähigkeit halten.
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