Ludwig Philipp von Orleans, Sohn des Regenten, blieb unbemerkt bei dem Unglücke seines Vaterlandes und den Zügellosigkeiten des Hofes. Er war am 4. August 1703 geboren. Sein Vater hatte ihn ganz jung den Liebkosungen und dem Unterricht einer seiner Buhlerinnen überlassen. Seine Mutter vermählte ihn mit der Prinzessin von Baden-Baden, die er zwei Jahre darauf wieder verlor. Des Lebens überdrüssig, ergab der junge Herzog sich den Wissenschaften. Merkwürdige Sache! Er beging nicht ein einziges Verbrechen. Dieser Mann that nichts, um den Zügellosigkeiten seiner Zeitgenossen Einhalt zu thun. Geistig beschränkt, wie er war, kannte er nicht den Heldenmuth der Aufopferung und starb, wie er gelebt hatte, in der Verborgenheit.
Ein Mann, dem der Zufall einen hohen Standpunkt angewiesen hat, soll mehr thun, als sich mit Theologie beschäftigen: Gott hat ihm die Pflicht auferlegt, sich dem Vaterlande zu widmen; es ist nicht genug, daß er häusliche Tugenden hat, er muß sich auch durch öffentliche Tugenden auszeichnen. Obgleich jedoch diesem Orleans das Genie fehlte, so muß man ihm schon seine guten Absichten anrechnen. Er verläugnete das Blut seiner Väter; das war schon eine Tugend.
Der Enkel des Regenten war am 12. Mai 1725 geboren. Sein Vater hatte ihn, nur mit seinen wissenchaftlichen Arbeiten beschäftigt, den Intriguen des Hofes überlassen.
Hier zeigte sich das Blut der Orleans wieder. Nach dem er sich mit der Prinzessin von Conti vermählt hatte, die, eine höchst verderbte Frau, öffentlich sein Lager entehrte, ging er zur Armee, wo er sich nicht auszeichnete. Im Jahre 1755 wurde er Witwer. Seine Gemahlin starb, wie sie gelebt hatte, frech und schamlos.
»Ich habe es kurz und gut abgemacht!« sagte sie. Dieses hatte vor ihr schon die Herzogin von Berry gesagt, die sich gleich ihr durch ihre Neigung zur Unzüchtigkeit und ihre spöttische Libertinage ausgezeichnet hatte.
Der Herzog von Orleans war eben so unbedeutend, aber weniger rechtschaffen als sein Vater. Seine Seele sank in ununterbrochener Erniedrigung von Stufe zu Stufe. Er durchschritt einen Theil jenes belebten, dramatischen Jahrhunderts, ohne irgend einen Glanz zu verbreiten. Seine Ausschweifungen wurden nicht berühmt. Er starb den 18. November 1785.
Die politischen Ereignisse der Regierung Ludwig XV. gehören einer andern Erzählung, als diese ist. Sagen wir nur von ihm, daß er fortfuhr, Frankreich zu erniedrigen und zu vernichten. Er entehrte es vierzig Jahre lang äußerlich, und sog es innerlich auf.
.Ich will nicht von seinen Handlungen des Despotismus reden, welche nur zu zahlreich sind. Auch bedarf es, um die Verbrechen der französischen Könige aufzuzählen, eines weit ausgedehnteren Entwurfes, als dieser ist!
»Mit wie vielen Ungerechtigkeiten,« sagt la Vicomterie, »mit wie viel dunkeln und grausamen Ungerechtigkeiten und Lastern hat er nicht sein Gedächtniß befleckt! Er wurde Ludwig der Vielgeliebte genannt, und wurde, nachdem er die Nation ausgesogen, sie dem Eisen der Deutschen, der Britten, der Italiener, der Preußen überliefert hatte, der Anführer der Monpolisten und überließ das Volk der Hungersnoth, um eine Buhlerin zu bezahlen. Privatleute haben diesen schändlichen, mitleidlosen Handel mit ihren Köpfen bezahlt. Eben so despotisch wie sein Großvater, kam er ins Parlament, erklärte, daß er Gehorsam verlange, und drohte, Jeden, der denselben verweigere, zu bestrafen; auch nahm er die Klage gegen den Herzog von Aiguillon, dessen Sohn durch Patriotismus die Verirrungen seines Vaters wieder gutgemacht hat, aus der Kanzlei; 1771 endlich hob er mit willkürlicher unumschränkter Gewalt, ohne die Nation zu fragen, alle Behörden auf, die allerdings ein treuloses und gegen sich selbst, so wie gegen die unbeschränkte Gewalt zu schwaches Gegengewicht waren. Nichts desto weniger indessen war diese That die eines Tyrannen, der Alles mit dem Gewicht seines unumschränkten Willens zerschmettert.
Genug der Verbrechen, zur Schande seines Andenkens; genug der öffentlichen Angriffe gegen die Völker; ich werde nicht mehr die vielen entsetzlichen Gerüchte aufwühlen, die ihn so verhaßt gemacht haben; ich werde nicht die Asche der Königin, des Dauphins und seiner Gemahlin stören. Ludwig XV., Du sahest sie trocknen Auges in die Gruft senken jetzt ruhen sie daselbst an Deiner Seite; und hätten sie noch Empfindung, sie wäre ihnen vielleicht eine Qual.
Da wären wir denn angelangt, an dem Ende dieser drei Dynastieren von Räubern, Betrügern, Tyrannen, deren Keiner verdient hat, daß die Geschichte sie vertheidige; denn sie plünderten, beraubten, vernichteten die Nation!
Ja, alle diese Könige haben gewetteifert, sich mit denselben Lastern, denselben Verbrechen zu besudeln. Sie Alle haben das Volk wie einen gemeinen Haufen Vieh betrachtet, den sie an den Gränzen erwürgen ließen, nachdem sie ihn in Frankreich geschoren hatten.
Was mich anbetrifft, so will ich das Publikum nicht in den parc aux cerfs und an die andern Orte führen, wo Ludwig XV. seine ungezügelten Leidenschaften befriedigte. Ueber diesen Mann, den der Tod mitten in den frechsten und schändlichsten Orgien überraschte, ist genug gesagt.
Die Regierung Ludwig XV. endigt mit Bankerott, Hungersnoth, Erniedrigung. Dieser König, dem alle menschliche, wie alle politische Würde fehlte, sah, in dem den Thron umgebenden Kothe sich wälzend, nicht, wie das Volk, so vielen Elendes endlich überdrüssig, sich zu einem entsetzlichen Kampfe bereitete. Man erstaunt, bei Lesung jener traurigen blutigen Annalen, über den Leichtsinn und die Blindheit der Könige.
Die Werke des unsterblichen Roussau und die weniger populairen des Voltaire und Helvetius waren von der ausübenden Gewalt, die mit einem unverschämten Lächeln auf den Lippen dem Abgrunde zueilte, verächtlich zurückgewiesen worden. Was lag daran! Alles deutete auf eine unausbleibliche Reaction, Alles trieb zu einer gewaltsamen Umwälzung. Ludwig XVI. bestieg den Thron; er sollte die Rechnung des Königthums mit dem Volke abmachen, doch es fehlte ihm an Genie, Gründlichkeit und besonders am Willen; er war weder beharrlich, noch fest, noch energisch; er kannte weder die Menschen, noch seine Gefahr, hatte weder Einsicht in die Geschäfte, noch Lebenserfahrung. Er war ein schüchterner, haltungsloser Mann; er schwankte, von verhängnißvollen Entscheidungen beherrscht, zwischen dem Volke, welches er nicht verabscheute, dem Hof, den er hätte schonen mögen, der Aristokratie, die er fürchtete, und den Feinden, die er zu Hilfe rief. Die Klubbs werden gestiftet, das Volk erhebt sich, die Stunde der Volksherrschaft naht!
Die französische Revolution war Frankreichs Wiedergeburt; sie war das Werk der Freiheit und des Fortschrittes, welches von Christus mild begonnen, von den Menschen gewaltsam vollendet ward; sie war ein majestätisches, dramatisches Schauspiel, voll wichtiger, der Beachtung aller Menschenfreunde würdiger Lehren.
Man sieht ein durch Siege entfesseltes Volk, einen Thron, der sich, durch feinen Fall betäubt und entmuthigt, um sich selbst dreht. Es sei mir erlaubt, hinzuzufügen, daß nie eine mächtigere, muthigere, alle Hindernisse verachtendere und so innig mit den andern Völkern, ihren Brüdern vor Gott, sympathisierendere Nation eine Revolution bewirkte.
Im Jahre 1789 seufzte die französische Nation unter all den Uebeln, deren Quelle das monarchische System der Bourbon’s war, als die General-Staaten plötzlich zusammenberufen wurden. Da bildete sich die National-Versammlung und stellte sich kühn einem umstürzenden Throne gegenüber, den indessen die Erinnerungen seiner einstigen Gewalt und Größe noch umgaben. Der alten und stolzen Aristokratie Frankreichs, der Armee, dem zürnenden Hofe wagte die National-Versammlung zu erklären, daß sie die Nation vertrete und dieselbe als unverletzbar anerkenne. Gewiß, das war Muth, war Heldensinn. Nie hatte eine Nation so majestätisch gehandelt, wie diese, welche ein Schauspiel gab, das die Furchtsamsten ermuthigen konnte. Durch diesen imponierenden Ausspruch ihres Willens besiegte die National-Versammlung eine mehre Jahrhunderte bestandene, von einer so servilen Aristokratie, als mächtigen Armee beschützte absolute Monarchie. Wie kam sie denn dazu, diese von ihr überwundene Macht wiederherstellen zu wollen? Weil den armen Gesetzgebern der Kopf wirbelte, bei dem Gedanken an die Umgestaltung, deren jene sociale Stufenleiter bedurfte, auf deren Gipfel Glück und Reichthum sich häuften, während unten. Alles fehlte: Alles, ja, es ist schrecklich zu sagen, Alles, sogar das zur Fristung des Lebens unumgänglich nothwendige Brot. Sie ließen es also dabei bewenden, das Königthum zu einer simpeln Magistratur herabzusetzen; aber sie irrten sich. Die Geschichte gleicht dem menschlichen Leben: man sieht in derselben eine Täuschung durch die andre, einen Kampf durch den andern, eine Tyrannei durch die andre ersetzt; und das ist nicht die kleinste Lehre der Geschichte.
Der Irrthum der National-Versammlung bestand darin, daß sie glaubte, ein Volk, dem es gelungen war, einen Theil der öffentlichen Gewalt zu erringen, werde seine Anstrengungen, dieselbe ganz zu gewinnen, einstellen; auch irrte dieselbe, wenn sie glaubte, ein Bourbon, welcher König gewesen war, werde sich mit der Stelle des Präsidenten einer Republik begnügen. Die Bourgeoisie, welche 1830 denselben gefährlichen Glauben hegte, erstickte, durch Ehrgeiz und Egoismus verleitet, die großmüthigen Stimmen, welche sich erhoben, die Volksherrschaft kühn zu proclamieren.
Die Nationen fehlen sehr, daß sie die ganze Sorge der Regierung einem Alleinherrscher anvertrauen, wenn sie nicht sichre Garantien gegen dessen Ausschreitungen und schnelle wirksame Mittel haben, dessen Gewalt zu widerstehen, sobald er den Willen der Nation dem seinigen unterordnet. Alle Blätter der Geschichte zählen die Uebelstände auf, welche aus dieser großen Unvorsichtigkeit entstehen.
Die National-Versammlung setzte, statt Ludwig XVI. selbst abzusetzen, nur seine Macht herab, und stellte so zwei Gewalten einander gegenüber, die des Volks und die des Königs, welche einander so lange bekämpfen mußten, bis die Eine durch die Andre vernichtet war. Es war indessen, nicht schwer, eine Revolution vorauszusehen, die um so fürchterlicher werden mußte, als das Volk so lange unter dem Druck gelebt hatte. Je länger eine Nation verachtet und ihrer Rechte unbewußt schläft, je furchtbarer ist ihr Erwachen.
Ludwig XVI. hatte nicht gesäumt, seine Unzufriedenheit mit der Stellung, welche die National-Versammlung ihm zuerkannte, zu erkennen zu geben, er konnte den Titel eines Königs der Franzosen, den Oberbefehl der Armeen und dreißig Millionen Einkünfte nicht als hinreichende Entschädigung anerkennen. Nichts, selbst nicht der Umstand, daß er früher im Besitz der unumschränkten Gewalt war, kann ihn in den Augen der Machtwelt entfchuldigen, daß er sich, nachdem es einmal so weit gekommen, damit nicht begnügte.
Es vereinigte sich übrigens Alles, das Volk zu einer Revolution zu stimmen. Niemals war das Elend zu einer solchen Höhe gestiegen gewesen, und doch erhöhte der überaus strenge Winter von 1789 dasselbe noch.
Die Gemüther waren in einer außerordentlichen Gährung. Die Bürger bildeten Gesellschaften, die sie Clubbs nannten. Dort wurden die Interessen der Nation, die abzuschaffenden Mißbräuche, die zu bewirkenden Verbesserungen erörtert; dort wurde bewiesen, daß das Volk von den höheren Classen ausgeplündert, die Industrie in ihrem Fortschritt gehemmt sei. In der That seufzte das Volk unter Auflagen, die ihm so grausam und drückend, als den Großen unbedeutend und leicht waren; es ernährte mit seinem Schweiße und vertheidigte mit seinem Blute übermüthige Bevorrechtigte. Selbst ein Theil des Adels war unzufrieden und sah eine nahe Umwälzung voraus. Schon hatten im Anfang des Jahres 1789 mörderische Kämpfe. Statt gefunden; schon entehrte der Herzog von Orleans das Volk, indem er es betrog.
Dieser Prinz, der Schandfleck des Hauses Bourbon, ist durch seine Verrätherei und seine Sittenlosigkeit nur zu berüchtigt worden. In der Hoffnung, von den sich überall vorbereitenden Unruhen profitieren zu können, ließ er durch einige seiner Creaturen dem Volke sich anbieten, für den Fall, daß sie dem Staate ein neues Oberhaupt geben wollten.
Es wird angenommen, daß dieser Mann, dem Viele seine legitime Geburt streitig machen, und der am 13. April 1747 geboren wurde, ein Sohn von Ludwig Philipp von Orleans war. Seine Mutter, Louise Henriette von Bourbon-Conti war eine freche, schamlose Messaline, die ihr Lager mit ihren eignen Bedienten, theilte.
Philipp Egalité rief selbst eines Tages: .
»Ich bin der Sohn des Kutschers meiner Mutter!«
Sein Vater hatte ihn, so lange er lebte, nicht als seinen Sohn anerkannt.
»Ich habe triftige Gründe, so zu handeln,« sagte er, »Die Herzogin von Orleans hat, von innrer Gluth verzehrt, sogar ihre Domestiken gerufen, um ihr Lager mit ihnen zu theilen.«
Es lebte nie ein feigerer, niederträchtigerer Heuchler als Ludwig Philipp Joseph von Orleans, der, um das Volk ungehindert zu betrügen und dem Gericht der Revolution zu entgehen, den Namen Egalité annahm. Nur der Lebenswandel seiner Vorfahren kam dem seinigen gleich. Den Lastern seiner Familie treu, verrieth dieses Ungeheuer das Vaterland und seine Verwandten gleichzeitig. Er wollte die französische Revolution, durch welche das Volk sich dem Joche der Tyrannei entziehen wollte, benutzen, um sich des Thrones zu bemächtigen, dieses Thrones, den jetzt, nach dem Falle Carls X., sein Sohn doch noch bestiegen hat!
Die Kindheit von Philipp Egalité zeichnet sich durch nichts Neues aus, indem er nur frühzeitig in die Fußsapfen seiner Vorfahren trat, so daß, als er beinah noch Knabe zu nennen war, Unzucht, Schwelgerei und Trunkenheit schon seine Tage und Nächte ausfüllten und sich seiner wie eines ihnen gebührenden Raubes bemächtigten. Er selbst beeiferte sich, die Unregelmäßigkeit seines Lebenswandels bekannt werden zu lassen, seine Schande zu veröffentlichen, und die müßige Jugend des Hofes mit sich in den Abgrund des Verderbens zu ziehen. Er übte, indem er das Beispiel der größten Zügellosigkeit gab, den nachtheiligsten Einfluß auf die Sitten seiner Zeit aus. Dennoch war er ziemlich populair geworden, weil er die Gabe hatte, denen, die er gewinnen wollte, zu schmeicheln. Seine hohe Stirn war zwar in Folge seiner Schwelgereien vom Haar entblößt, mit frühen Falten gefurcht und seine Wangen eingefallen, auch hatte er die Gesichtsfarbe der Trinker von Profession, doch hatte sein Lächeln, wenn er sprach, einen eigenthümlichen Reiz, und seine Manieren waren, wenn er es darauf anlegte, zu gefallen, angenehm und einnehmend. Er trachtete nach dem Throne und suchte sich daher bei dem großen Haufen auf alle nur mögliche Weise beliebt zu machen. Dabei unterließ er nicht, für die Interessen seines Hauses, wie er es nannte, zu sorgen; in der Hoffnung, den Prinzen Lamballe zu beerben, stieß er denselben methodisch in den Pfuhl der Laster, erschöpfte ihn durch Ausschweifungen und verließ ihn nicht eher, als bis er einer tödtlichen Krankheit, in Folge seiner im Uebermaß genossenen Freuden, erlegen war.
Die Politik solcher Menschen besteht darin: Alles zu thun, um zum Thron und zu Reichthum zu gelangen; Alles thun! das heißt, Intriguen und Gift mit gleicher Kaltblütigkeit anwenden.
Diese Art von Mord war es nicht allein, was allen rechtschaffenen Leuten eine so tiefe Verachtung gegen den Herzog von Orleans einflößte. Es würde theils zu weitläufig, theils unmöglich sein, alle auf die schändliche Lebensweise dieses Prinzen bezüglichen Anekdoten hier zu erzählen.
Er hatte mehre Serails in seinem Palaste, in denen er sich dem niedrigsten Sinnentaumel hingab. Obgleich er der reichste Fürst Europa’s war, gab er doch täglich Beweise der niedrigsten Habsucht. Er richtete fast alle diejenigen, welche in der Nachbarschaft seiner Güter Besitzungen hatten, durch Prozesse und hinterlistige Nachstellungen zu Grunde.
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