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Fünftes Kapitel
Vom wahren und nominellen Preise der Waren, oder von ihrem Preise in Arbeit und ihrem Preise in Geld

Jeder Mensch ist reich oder arm in dem Grade, wie er imstande ist, sich die Bedürfnisse, Annehmlichkeiten und Vergnügungen des menschlichen Lebens zu beschaffen. Nachdem aber einmal die Teilung der Arbeit überall Eingang gefunden hat, kann eines Menschen eigne Arbeit ihn nur mit einem sehr kleinen Teil dieser Dinge versorgen. Den bei weitem größeren Teil von ihnen muss er von der Arbeit anderer erwarten, und er muss reich oder arm sein, je nach der Menge von Arbeit, über die er verfügen oder die er kaufen kann. Der Wert einer Ware ist demnach für den, der sie besitzt und der sie nicht selbst zu gebrauchen oder zu verbrauchen, sondern gegen andere Waren umzutauschen gedenkt, gleich der Menge Arbeit, welche zu kaufen oder über welche zu verfügen sie ihm gestattet. Die Arbeit ist also der wahre Maßstab des Tauschwertes aller Waren.

Der wahre Preis jedes Dinges, der Preis, den jedes Ding den Mann, der es sich verschaffen will, wirklich kostet, ist die Mühe und Beschwerde, die er hat anwenden müssen, um es sich zu verschaffen. Was jedes Ding dem Manne, der es sich verschafft hat und darüber verfügen oder es gegen etwas anderes vertauschen will, wirklich wert ist, das ist die Mühe und Beschwerde, welche er sich dadurch ersparen und auf andere Leute abwälzen kann. Was mit Geld oder Waren erkauft ist, wird ebenso wie das, was wir durch die Beschwerde des eignen Körpers erwerben, mit Arbeit erkauft. Jenes Geld oder jene Güter ersparen uns in der Tat diese Beschwerde. Sie enthalten den Wert einer gewissen Menge Arbeit, welche wir gegen etwas vertauschen, wovon wir zur Zeit glauben, dass es den Wert einer gleichen Menge enthalte. Die Arbeit war der erste Preis, das ursprüngliche Kaufgeld, welches für alle Dinge gezahlt wurde. Nicht mit Gold oder Silber, sondern mit Arbeit wurden alle Güter der Welt ursprünglich gekauft; und ihr Wert für die, welche sie besitzen und gegen neue Erzeugnisse vertauschen wollen, ist genau der Arbeitsmenge gleich, welche zu kaufen oder über welche zu verfügen sie dadurch instand gesetzt sind.

Reichtum, sagt Hobbes, ist Macht. Wer jedoch ein großes Vermögen erwirbt oder ererbt, erwirbt oder ererbt damit nicht notwendig politische Macht, sei es im Zivil- oder Kriegsdienst. Sein Vermögen wird ihm vielleicht die Mittel bieten, beide zu erwerben, aber der bloße Besitz dieses Vermögens verschafft ihm nicht notwendig die eine oder die andere. Die Macht, die jener Besitz ihm unmittelbar und direkt verschafft, ist die Macht zu kaufen, d. h. eine gewisse Herrschaft über alle Arbeit oder alle Arbeitserzeugnisse, die sich auf dem Markte befinden. Sein Vermögen ist größer oder geringer genau im Verhältnis zum Umfange dieser Macht, oder zur Menge der Arbeit oder, was dasselbe ist, der Arbeitserzeugnisse anderer, welche zu kaufen oder über welche zu verfügen er dadurch instand gesetzt ist. Der Tauschwert eines jeden Dinges muss stets dem Umfange dieser Macht, die es seinem Besitzer verschafft, vollkommen gleich sein.

Obwohl aber die Arbeit der wahre Maßstab des Tauschwertes aller Waren ist, so ist sie doch nicht der Maßstab, nach welchem ihr Wert gewöhnlich geschätzt wird. Es ist oft schwer, das Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Arbeitsmengen genau zu bestimmen. Die Zeit, die auf zwei verschiedene Arten von Arbeit verwendet ist, wird allein dies Verhältnis nicht immer entscheiden. Die verschiedenen Grade von erduldeter Mühsal und von aufgewendetem Geist müssen ebenfalls in Rechnung gebracht werden. Es kann in der schweren Anstrengung einer Stunde mehr Arbeit stecken, als in zwei Stunden leichter Beschäftigung, und in der einstündigen Ausübung eines Geschäfts, dessen Erlernung zehn Jahre Arbeit kostete, mehr als in dem Fleiß eines ganzen Monats bei einer gewöhnlichen und alltäglichen Beschäftigung. Allein es ist nicht leicht, einen genauen Maßstab für die Mühsal wie für die Geisteskraft zu finden. Allerdings wird beim wechselseitigen Austausch der Erzeugnisse verschiedener Arbeitsgebiete auf beides einige Rücksicht genommen. Indessen wird das nicht nach einem genauen Maßstabe, sondern nach dem Dingen und Feilschen des Marktes ausgeglichen, jener rohen Ausgleichung gemäß, welche zwar nicht exakt ist, aber für die Geschäfte des gemeinen Lebens ausreicht.

Überdies werden alle Waren häufiger gegeneinander, als gegen Arbeit vertauscht und damit verglichen. Es ist daher naturgemäßer, ihren Tauschwert nach der Menge einer anderen Ware zu schätzen, als nach der der Arbeit, die sie kaufen kann. Auch verstehen die meisten Leute besser, was mit der Menge einer bestimmten Ware, als was mit einer Menge Arbeit gemeint ist. Jenes ist ein einfacher handgreiflicher Gegenstand, dieses ein abstrakter Begriff, der sich zwar hinreichend deutlich machen lässt, aber doch nicht allen so natürlich und geläufig ist.

Wenn aber der Tauschhandel aufhört, und das Geld zum gewöhnlichen Verkehrsinstrument geworden ist, dann werden alle Waren häufiger gegen Geld als gegen andere Waren vertauscht. Der Fleischer bringt selten sein Rind- oder Hammelfleisch zum Bäcker oder zum Brauer, um es gegen Brot oder Bier zu vertauschen, sondern er bringt es auf den Markt, wo er es gegen Geld verhandelt; und später vertauscht er dies Geld gegen Brot und Bier. Die Menge des Geldes, welches er dafür einnimmt, bestimmt auch die Menge des Brotes und Bieres, die er nachher kaufen kann. Es ist ihm daher natürlicher und geläufiger, ihren Wert nach der Menge des Geldes, der Ware, für welche er sie unmittelbar vertauscht, als nach der des Brotes und Bieres – Waren, gegen welche er sie nur durch Vermittlung einer anderen Ware vertauschen kann – zu schätzen und zu sagen, sein Fleisch sei das Pfund drei oder vier Pence wert, als es sei drei oder vier Pfund Brot, oder drei oder vier Quart Dünnbier wert. Daher kommt es, dass der Tauschwert aller Waren häufiger nach der Menge des Geldes als nach der Menge der Arbeit oder einer andern Ware, die dafür eingetauscht werden kann, geschätzt wird.

Übrigens schwanken Gold und Silber, wie jede andere Ware, im Wert und sind bald wohlfeiler und bald teurer, bald leichter und bald schwerer zu kaufen. Die Menge Arbeit, die für eine bestimmte Menge Gold oder Silber zu kaufen ist oder zu Gebote steht, oder die Menge anderer Güter, welche dafür eingetauscht werden kann, hängt stets von der Ergiebigkeit oder Armut der Bergwerke ab, die man zur Zeit gerade kennt. Die Entdeckung der reichen Minen Amerikas setzte im sechzehnten Jahrhundert den Wert von Gold und Silber in Europa ungefähr auf den dritten Teil seines früheren herab. Da es weniger Arbeit kostete, jene Metalle aus den Minen auf den Markt zu bringen, so konnten sie auch, als sie auf den Markt kamen, weniger Arbeit kaufen oder über weniger verfügen; und diese Umwälzung in ihrem Werte, obwohl vielleicht die größte, ist doch keineswegs die einzige, von der die Geschichte berichtet. Wie aber ein Maßstab der Menge, welcher selbst stets veränderlich ist, wie z. B. der natürliche Fuß, die Armlänge oder die Handvoll, niemals einen genauen Maßstab für die Menge anderer Dinge abgeben kann, so kann auch eine Ware, die in ihrem eigenen Werte fortwährend veränderlich ist, niemals ein genauer Maßstab des Wertes anderer Waren sein. Gleiche Mengen Arbeit sind, wie man zu sagen berechtigt ist, zu allen Zeiten und an allen Orten für den Arbeiter von gleichem Werte. Bei einem durchschnittlichen Stande seiner Gesundheit, Kraft und Stimmung, bei dem gewöhnlichen Grade seiner Geschicklichkeit und Fertigkeit muss er stets denselben Teil seiner Muße, seiner Freiheit und seines Glückes dafür einsetzen. Der Preis, den er zahlt, bleibt immer der nämliche, wie groß auch die Menge der Güter sei, welche er als Ersatz dafür erhält. Allerdings kann seine Arbeit bald eine größere, bald eine geringere Menge von Waren kaufen; aber es ist ihr Wert, der schwankt, nicht der der Arbeit, die sie kauft. Immer und überall ist dasjenige teuer, was schwer zu beschaffen ist, oder dessen Erwerbung viel Arbeit kostet, und dasjenige wohlfeil, was leicht oder mit sehr wenig Arbeit zu haben ist. Einzig und allein nur die Arbeit, die in ihrem Werte niemals schwankt, ist mithin der letzte und wahre Preismaßstab, nach welchem der Wert aller Waren immer und überall geschätzt und verglichen werden kann. Sie ist ihr wahrer Preis; Geld nur ihr nomineller.

Obwohl aber gleiche Mengen Arbeit für den Arbeiter immer gleichen Wert haben, so scheinen sie doch für den, der den Arbeiter beschäftigt, bald mehr, bald weniger wert zu sein. Er erkauft sie bald mit einer größeren, bald mit einer kleineren Menge von Gütern, und ihm scheint der Preis der Arbeit ebenso wie der aller andern Dinge zu schwanken. In dem einen Falle erscheint sie ihm teuer, in dem anderen wohlfeil. In Wahrheit jedoch sind es die Güter, die in dem einen Falle wohlfeil, und im andern teuer sind.

In diesem volkstümlichen Sinne kann man daher sagen, die Arbeit habe gleich den Waren einen wirklichen und einen nominellen Preis. Ihr wirklicher, kann man sagen, besteht in der Menge von Bedürfnissen und Annehmlichkeiten des Lebens, welche dafür gegeben wird; ihr nomineller Preis in der Menge Geld. Der Arbeiter ist reich oder arm, gut oder schlecht belohnt, je nach dem wirklichen, nicht dem nominellen Preise seiner Arbeit.

Die Unterscheidung zwischen dem wirklichen oder Sachpreise und dem nominellen Preise der Waren und der Arbeit ist nicht etwa nur eine Sache der bloßen Theorie, sondern kann bisweilen in der Praxis von großem Nutzen sein. Der gleiche Sachpreis hat immer den gleichen Wert; der nominelle Preis dagegen ist wegen der Schwankungen im Werte des Goldes und Silbers zuweilen von sehr verschiedenem Werte. Wenn daher ein Landgut unter dem Vorbehalt einer immerwährenden Rente verkauft wird, und die Rente stets denselben Wert haben soll, so ist es für die Familie, zu deren Gunsten dies ausgemacht wird, von Wichtigkeit, dass sie nicht in einer bestimmten Summe Geldes bestehe. In diesem Falle würde ihr Wert Schwankungen doppelter Art ausgesetzt sein; erstens der, welche aus den verschiedenen Mengen Goldes und Silbers, die zu verschiedenen Zeiten in Münzen von demselben Nennwert enthalten sind, entspringt, und zweitens der, welcher durch den verschiedenen Wert gleicher Mengen Goldes und Silbers zu verschiedenen Zeiten veranlasst wird.

Fürsten und Republiken haben es oft für einen zeitweiligen Vorteil gehalten, die in ihren Münzen enthaltene Menge reinen Metalls zu vermindern; aber selten fanden sie es vorteilhaft, sie zu vermehren. Demgemäß hat, glaube ich, die Menge des in den Münzen aller Nationen enthaltenen Metalls sich fast beständig vermindert und kaum jemals zugenommen. Solche Veränderungen haben daher fast überall den Erfolg, den Wert einer Geldrente zu verringern.

Die Entdeckung der amerikanischen Mineralschätze verminderte den Wert des Goldes und Silbers in Europa. Diese Verringerung geht, wie man gewöhnlich, obgleich nach meinem Dafürhalten ohne sichern Beweis annimmt, noch immer stufenweise fort und wird wahrscheinlich noch lange Zeit fortdauern. Ist diese Annahme richtig, so werden solche Veränderungen den Wert einer Geldrente eher vermindern als vermehren, selbst wenn ihre Zahlung nicht in einer bestimmten Summe einer so oder so benannten Münzsorte (z. B. in so und so viel Pfund Sterling), sondern in so und so viel Pfund reinen Silbers oder Silbers von einem gewissen Feingehalt ausbedungen wäre.

Die in Getreide ausbedungenen Renten haben ihren Wert weit besser bewahrt, als die in Geld ausbedungenen, selbst wenn der Nennwert der Münze keine Änderung erlitten hatte. Durch eine Parlamentsakte aus dem achtzehnten Regierungsjahre Elisabeths wurde verordnet, dass der dritte Teil des Pachtzinses aller Universitätsgüter in Getreide ausbedungen werden solle, das entweder in natura oder nach dem Marktpreise zu entrichten sei. Das Geld, welches aus dieser Getreiderente einkommt, beträgt, obgleich ursprünglich nur ein Drittel des Ganzen, nach Dr. Blackstone gegenwärtig in der Regel beinahe das Doppelte der andern zwei Drittel. Die alten Geldrenten der Universitäten müssen hiernach beinahe auf den vierten Teil ihres früheren Wertes gesunken sein oder sie sind kaum mehr wert als den vierten Teil des Getreides, welches sie früher wert waren. Dennoch hat seit der Regierung Philipps und Marias der Nennwert der englischen Münze wenig oder keine Änderung erfahren, und dieselbe Zahl Pfunde, Schillinge und Pence hat immer fast dieselbe Menge reinen Silbers enthalten. Jene Entwertung der Geldrenten der Universitäten ist daher ausschließlich durch die Entwertung des Silbers entstanden.

Wenn zur Entwertung des Silbers noch eine Verminderung seiner in den Münzen von gleicher Benennung enthaltenen Menge hinzutritt, so ist der Verlust oft noch größer. In Schottland, wo der Nennwert der Münze viel größere Veränderungen erlitten hat, als jemals in England, und in Frankreich, wo er noch größere erlitt, als jemals in Schottland, sind manche alte Renten, die ursprünglich einen ansehnlichen Wert hatten, auf diese Weise beinahe auf nichts herabgesunken.

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