Читать бесплатно книгу «Visionen und andere phantastische Erzählungen» Ивана Тургенева полностью онлайн — MyBook
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Ich blickte ihnen nach… Die Sonne übergoß sie noch zum letzten Male mit ihren Strahlen, bevor sie hinter dem Hügel verschwanden. Ich blieb noch eine Weile stehen, kehrte dann langsam in den Wald zurück, setzte mich am Wege und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ich wußte, daß es nach der Begegnung mit einem Unbekannten genügt, die Augen zu schließen, um sich sofort sein Bild zu vergegenwärtigen; ein jeder kann die Richtigkeit dieser Wahrnehmung auf der Straße nachprüfen. Je bekannter uns ein Gesicht ist, um so schwieriger wird es, es sich auf diese Weise zu vergegenwärtigen, um so verschwommener zeigt sich uns sein Bild; an ein bekanntes Gesicht können wir uns wohl erinnern, können es uns aber nicht vergegenwärtigen… unser eigenes Gesicht können wir uns aber ganz unmöglich vorstellen… Wir kennen wohl jeden einzelnen Zug unseres Gesichtes, können uns aber daraus kein ganzes Bild aufbauen. Ich setzte mich also hin und schloß die Augen, – und sofort sah ich die Unbekannte vor mir, ihren Begleiter, die Pferde, und alles… Besonders deutlich sah ich das lächelnde Gesicht des Mannes. Ich betrachtete es aufmerksamer… es verwischte sich und verschwand in einem blauroten Nebel, und gleich darauf zerrann auch ihr Bild und wollte nicht wiederkommen. – Ich erhob mich. »Nun, jetzt habe ich sie wenigstens gesehen, habe beide deutlich gesehen,« sagte ich mir, »nun bleibt mir nur noch die Namen zu erfahren.« Ja, die Namen! Welch eine kleinliche, unnötige Neugier! Ich schwöre aber, es war nicht Neugier, die mich so bewegte: es erschien mir einfach unsinnig, nach diesen seltsamen zufälligen Begegnungen nicht wenigstens ihre Namen zu erfahren. Mein früheres ungeduldiges Erstaunen war übrigens verschwunden: ich hatte nur ein seltsam trauriges verworrenes Gefühl, dessen ich mich ein wenig schämte… Es war Neid…

Ich beeilte mich nicht, zum Landsitze zurückzukehren. Offen gesagt, schämte ich mich, so hartnäckig einem fremden Geheimnis nachzuspüren. Auch hatte mich das Erscheinen des Liebespaares bei Tageslicht, so seltsam es auch war, ich will nicht sagen beruhigt, so doch etwas abgekühlt… Ich fand in diesem Erlebnisse nichts Übernatürliches, nichts Wunderbares mehr… nichts, was einem unerfüllbarem Traum ähnlich wäre…

Ich machte mich wieder an die Jagd, wenn auch mit größerem Eifer als vorhin, so doch ohne rechte Begeisterung. Ich stieß auch auf eine Auerhahnfamilie, die für etwa anderthalb Stunden meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm… Die jungen Vögel wollten auf meine Lockpfiffe lange nicht antworten, wahrscheinlich pfiff ich nicht »objektiv« genug. – Die Sonne stand schon ziemlich hoch (die Uhr zeigte auf zwölf), als ich meine Schritte wieder nach dem Landsitze richtete. Ich ging nicht zu schnell. Da blickte mich plötzlich vom Hügel aus das kleine Haus an… Mein Herz begann wieder zu beben. Ich kam näher… und sah, nicht ohne eine heimliche Freude, Lukjanytsch wie gewöhnlich auf der Bank vor seinem Häuschen sitzen. Das Tor war geschlossen… die Fensterläden auch.

»Grüß Gott, Onkel!« rief ich ihm noch aus der Ferne zu. »Willst dich wohl wieder in der Sonne wärmen?«

Lukjanytsch wandte mir sein hageres Gesicht zu und lüftete stumm die Mütze.

Ich trat näher.

»Grüß Gott, Onkel,« wiederholte ich so freundlich, wie ich es nur konnte, um ihn milder zu stimmen. »Hast du ihn denn noch nicht gesehen?« fügte ich hinzu, als ich meinen neuen Viertelrubel noch immer auf der Erde liegen sah.

Ich zeigte auf die Silbermünze, die aus dem kurzen Grase halb hervorlugte.

»Hab ihn schon gesehen.«

»Warum hast du ihn nicht aufgehoben?«

»Das Geld gehört nicht mir, darum hab' ich es nicht aufgehoben.«

»Du bist doch wirklich merkwürdig, mein Lieber!« entgegnete ich etwas verlegen. Ich hob die Münze auf und reichte sie ihm: »Nimm, es ist ein Trinkgeld für dich!«

»Vielen Dank,« entgegnete Lukjanytsch mit ruhigem Lächeln. »Ich brauch' es nicht, kann auch ohne das Geld auskommen. Vielen Dank.«

»Ich will dir gern noch mehr geben!« sagte ich etwas verstimmt.

»Wofür denn? Machen Sie sich keine Mühe, ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, habe auch so an meinem Brot genug zu beißen. Und selbst mit dem werde ich nicht fertig.«

Mit diesen Worten stand er auf und streckte die Hand nach der Pforte aus.

»Warte, warte noch, Alter,« sagte ich beinahe verzweifelnd. »Wie wortkarg du doch heute bist… Sag mir wenigstens, ist deine Gnädige schon aufgestanden?«

»Die Gnädige sind aufgestanden.«

»Und… ist sie jetzt zu Hause?«

»Nein, sie sind nicht zu Hause.«

»Macht sie irgendwo Besuche?«

»Nein, sie sind nach Moskau abgereist.«

»Nach Moskau? Heute früh war sie ja noch hier?«

»Ja, sie waren noch hier.«

»Hat auch hier übernachtet?«

»Ja, sie haben hier übernachtet.«

»Und war erst seit kurzem angekommen?«

»Ja, seit kurzem.«

»Wie ist es nur möglich, mein Lieber?«

»Ja, vor etwa einer Stunde sind die Gnädige wieder nach Moskau abgereist.«

»Nach Moskau!«

Ich sah ganz verdutzt auf Lukjanytsch: das hatte ich, offen gesagt, nicht erwartet…

Auch Lukjanytsch sah mich an… Ein greisenhaftes verschmitztes Lächeln lag auf seinen trockenen Lippen und leuchtete schwach in seinen traurigen Augen.

»Ist sie mit der Schwester abgereist?« fragte ich ihn schließlich.

»Mit der Schwester.«

»Also ist jetzt niemand im Hause?«

»Niemand.«

– Dieser Alte betrügt mich, – ging es mir durch den Kopf. – Nicht umsonst lächelt er so verschmitzt. –

»Hör' einmal, Lukjanytsch,« sagte ich ihm, »willst du mir einen Gefallen erweisen?«

»Ja, was wünschen Sie?« sagte er gedehnt; meine Fragen ärgerten ihn offenbar.

»Du sagst, daß im Hause jetzt niemand ist; kannst du mir das Haus zeigen? Ich wäre dir dafür sehr dankbar.«

»Sie wollen also die Zimmer sehen?«

»Ja, die Zimmer.«

Lukjanytsch wurde nachdenklich.

»Mit Vergnügen,« sagte er nach einer Pause. »Kommen Sie, bitte, mit…«

Er beugte sich und trat über die Schwelle der Pforte. Ich folgte ihm. Wir gingen durch den kleinen Hof und stiegen die baufälligen Stufen zum Flur hinauf. Der Alte stieß die Tür auf; an der Türe war gar kein Schloß; eine Schnur mit einem Knoten steckte aus dem Schlüsselloch hervor… Wir traten in das Haus. Es bestand aus fünf oder sechs kleinen Zimmern; soviel ich bei dem spärlichen Lichte, das durch die Ritzen in den Fensterläden drang, sehen konnte, waren die Möbel in allen Zimmern sehr einfach und alt. In einem der Zimmer (dessen Fenster in den Garten gingen) stand ein kleines altmodisches Klavier… Ich hob den verbogenen Deckel und schlug die Tasten an: ein unangenehmer, zischender Ton erklang und erstarb, sich gleichsam über meine Frechheit beklagend. Nichts wies darauf hin, daß in diesem Hause erst eben Menschen gewohnt hatten; selbst die Luft in den Zimmern war ungewöhnlich dumpf und tot; nur einige Papierfetzen, die auf dem Boden lagen und noch ganz frisch und weiß aussahen, ließen darauf schließen, daß sie erst seit kurzem hergekommen waren; ich hob einen der Fetzen auf. Es war ein Stück von einem zerrissenen Briefe; auf der einen Seite stand in einer temperamentvollen weiblichen Handschrift: »se taire?«, auf der anderen Seite konnte ich das Wort: »bonheur« entziffern… Auf einem runden Tischchen am Fenster stand in einem Wasserglase ein welker Blumenstrauß, und daneben lag ein zerknittertes grünes Bändchen… Dieses Bändchen nahm ich mir als Andenken mit. – Lukjanytsch öffnete eine enge, mit Tapeten verklebte Türe und sagte:

»Das hier ist das Schlafzimmer, dahinter die Mädchenkammer; mehr Zimmer gibt's hier nicht…«

Wir gingen durch den Korridor zurück.

»Und was ist das da für ein Zimmer?« fragte ich, auf eine breite, weiße Türe mit einem Vorhängeschloß zeigend.

»Das da?« antwortete Lukjanytsch mit dumpfer Stimme. »Das ist nichts.«

»Wieso nichts?«

»Nichts… Eine Rumpelkammer…« Und er ging ins Vorzimmer.

»Eine Rumpelkammer? Kann ich sie sehen?..«

»Ich begreife nicht, was Sie da so interessiert,« entgegnete Lukjanytsch unzufrieden. »Was wollen Sie sehen? Es sind ja nur Koffer darin und altes Geschirr… eine Rumpelkammer und nichts weiter.«

»Ich will sie aber doch sehen, zeig' sie mir bitte, Alter,« sagte ich, obwohl ich mich innerlich meiner unanständigen Beharrlichkeit schämte. »Siehst du, ich möchte… ich möchte, auch bei mir im Dorfe ein solches Haus…«

Ich schämte mich noch mehr und konnte den angefangenen Satz nicht zu Ende bringen.

Lukjanytsch stand, den grauen Kopf gesenkt, und sah mich etwas eigentümlich mit krauser Stirne an.

»Zeig' sie mir doch,« wiederholte ich.

»Nun, von mir aus,« sagte er endlich. Er holte den Schlüssel aus der Tasche und machte sehr ungern die Türe auf.

Ich blickte in die Kammer hinein. Es war da wirklich nichts Bemerkenswertes. An den Wänden hingen alte Bildnisse mit dunklen, beinahe schwarzen Gesichtern und bösen Augen. Auf dem Boden lag verschiedenes Gerümpel.

»Nun, haben Sie sich sattgesehen?« fragte mich mürrisch Lukjanytsch.

»Ja, danke!« erwiderte ich eilig.

Er schlug die Türe zu. Ich ging ins Vorzimmer und aus dem Vorzimmer in den Hof.

Lukjanytsch geleitete mich hinaus, murmelte: »Leben Sie wohl!« und begab sich in sein Häuschen.

»Und wer war die Dame, die gestern hier zu Besuch war?« rief ich ihm nach. »Sie ist mir erst heute früh im Gehölz begegnet.«

Ich hoffte, ihn durch diese unerwartete Frage zu verirren und von ihm eine unüberlegte Antwort zu bekommen. Der Alte lachte aber nur und schlug die Türe hinter sich zu.

Ich kehrte nach Glinnoje zurück. Ich schämte mich wie ein Junge, den man ausgescholten hat.

– Nein, – sagte ich zu mir: – ich werde das Rätsel wohl nicht lösen können. Also geb' ich's auf! Will nicht mehr daran denken. –

Nach einer Stunde war ich schon auf dem Wege nach Hause; ich war erregt und erbost.

Es verging eine Woche. Wie sehr ich mich auch bemühte, die Erinnerung an die Unbekannte, an ihren Begleiter und an meine Begegnungen mit ihnen mir aus dem Kopfe zu schlagen, sie kamen immer wieder und belästigten mich so hartnäckig und zudringlich wie eine Fliege an einem Sommernachmittag… Auch Lukjanytsch, mit seinen geheimnisvollen Blicken und zurückhaltenden Reden, mit seinem kühlen und traurigen Lächeln kam mir immer wieder in den Sinn. Sogar das Haus, so oft ich daran dachte, – sogar das Haus schien mich durch seine halbgeschlossenen Fenster schlau und stumpf anzublicken, als wollte es mich necken und mir sagen: Und doch wirst du nichts erfahren! Ich hielt es schließlich nicht aus: an einem schönen Tag fuhr ich wieder nach Glinnoje und begab mich von da zu Fuß… wohin? Der Leser kann es leicht erraten.

Ich muß gestehen, als ich mich dem geheimnisvollen Landsitze näherte, spürte ich eine heftige Erregung. Das Haus schien in seinem Äußeren ganz unverändert: dieselben geschlossenen Fenster, dasselbe traurige und einsame Bild; doch auf der Bank vor dem Hofgebäude saß statt des alten Lukjanytsch ein mir unbekannter Bauernbursche von etwa zwanzig Jahren, in einem langschößigen Kaftan aus Baumwollzeug und in rotem Hemde. Er saß auf der Bank, den lockigen Kopf auf die Hand gestützt und schlummerte; von Zeit zu Zeit fuhr er im Schlafe zusammen.

»Grüß Gott, Bruder!« rief ich laut.

Er sprang sofort auf und sah mich starr mit erschrockenen Augen an.

»Grüß Gott, Bruder,« wiederholte ich, »wo ist der Alte?«

»Was für ein Alter?« fragte mich der Bursche gedehnt.

»Lukjanytsch.«

»Ach so, Lukjanytsch!« Er blickte zur Seite. »Sie wollen also Lukjanytsch?«

»Ja, Lukjanytsch. Ist er zu Hause?«

»N–ein,« sagte der Bursche nach einer Pause. »Er ist… wie soll ich… wie soll ich es Ihnen sagen…«

»Ist er etwa krank?«

»Nein.«

»Was ist denn mit ihm los?«

»Er ist nicht mehr da.«

»Wo ist er denn?«

»Ja, es ist ihm… ein Unglück zugestoßen.«

»Ist er gestorben?« fragte ich erstaunt.

»Er hat sich erhängt.«

»Erhängt!« rief ich erschrocken aus und schlug die Hände zusammen.

Wir blickten einander an.

»Ist es lange her?« fragte ich schließlich.

»Heute sind es fünf Tage. Gestern wurde er beerdigt.«

»Warum hat er sich erhängt?«

»Gott weiß warum. Er war ja ein freier Mensch, kein Leibeigener mehr, er bekam sein Gehalt, er kannte keine Not, die Herrschaft behandelte ihn wie einen Verwandten. Wir haben ja eine so selten gute Herrschaft, Gott schenke ihr langes Leben! Man kann gar nicht begreifen, was ihm geschehen war. Der Böse hat ihn wohl verführt.«

»Wie hat er es denn gemacht?«

»Ganz einfach. Hat sich halt erhängt.«

»Und hat man ihm vorher nichts angemerkt?«

»Wie soll ich es Ihnen sagen… Etwas Besonderes war an ihm nicht zu sehen. Er war ja immer finster und mißtrauisch. Oft begann er zu krächzen und zu stöhnen und zu sagen, daß es ihm so traurig zumute sei. Nun, er war ja auch nicht mehr jung. In der letzten Zeit schien er wirklich etwas nachdenklicher als sonst. Manchmal kam er zu uns ins Dorf; ich bin nämlich sein Neffe. – ›Komm doch mal zu mir, Wassja,‹ sagte er, ›und übernachte bei mir!‹ – ›Warum denn, Onkelchen?‹ – ›Ich fürchte mich allein zu sein, es ist so langweilig und einsam.‹ – Ich ging also ab und zu zu ihm hin. Manchmal ging er in den Hof hinaus, sah auf das Haus, schüttelte den Kopf und seufzte… Auch vor jener Nacht, das heißt bevor er sich erhängte, kam er zu uns und rief mich zu sich. Ich ging auch wirklich mit. Wie wir ankamen, saßen wir noch eine Weile auf der Bank vor seinem Häuschen; dann stand er auf und ließ mich allein. Ich wartete; als er lange nicht kommen wollte, ging ich in den Hof und rief: – ›Onkelchen, he Onkelchen!..‹ – Der Onkel gab keine Antwort. Da denke ich mir: wo ist er nur hingegangen, vielleicht in das Herrschaftshaus? Es war aber schon Abend geworden. Ich ging also ins Haus. Es war schon dunkel geworden. Wie ich an der Rumpelkammer vorbeikomme, höre ich, daß dort jemand hinter der Türe kratzt; ich mache die Türe auf; richtig, da sitzt er in der Kammer beim Fenster. ›Was machen Sie hier, Onkelchen?‹ frage ich ihn. Er dreht sich plötzlich um und schreit mich wütend an; seine Augen laufen aber nur so hin und her und leuchten wie bei einem Kater. ›Was willst du? Siehst du denn nicht, daß ich mich rasiere?‹ Und seine Stimme klingt dabei so heiser. Mir standen plötzlich die Haare zu Berge, und es wurde mir, ich wußte selbst nicht warum, so ängstlich zumute… Damals hatten ihn wohl schon die Teufel in ihrer Gewalt. ›Im Finstern?‹ frage ich ihn, mir beben aber dabei die Knie. – ›Es ist gut,‹ sagt er mir, – ›geh nur.‹ Ich ging, auch er kam aus der Kammer heraus und verschloß die Türe. Wir kamen wieder in sein Häuschen, und meine Angst war auf einmal wie weggeblasen. ›Was haben Sie, Onkelchen,‹ fragte ich ihn, ›in der Kammer gemacht?‹ Er fuhr zusammen. ›Schweig und kümmere dich nicht um fremde Sachen.‹ Mit diesen Worten legte er sich auf die Ofenbank. In der Ecke brennt aber eine Nachtlampe. So liege ich da, bin gerade beim Einschlafen… plötzlich höre ich, wie die Türe leise aufgeht… ganz wenig geht sie auf. Der Onkel lag aber mit dem Rücken gegen die Tür; Sie werden sich wohl erinnern, daß er schwerhörig war. Und doch hörte er, wie die Türe aufging, und sprang plötzlich auf… ›Wer ruft mich da? Wer? Er will mich holen!‹ Mit diesen Worten lief er wie er war ohne Mütze in den Hof… Ich dachte mir noch: ›Was hat er nur?‹ schlief aber sofort wieder ein. Wie ich am nächsten Morgen erwache, ist Lukjanytsch nicht da. Ich ging aus dem Hause, rief nach ihm, bekam aber keine Antwort. Ich frage den Wächter: ›Hast du nicht meinen Onkel gesehen?‹ – ›Nein,‹ sagt er mir, ›ich hab' ihn nicht gesehen.‹ – ›Es ist doch merkwürdig,‹ sage ich, ›daß er nirgends zu sehen ist!‹ Es wurde uns beiden ganz bange zumute. ›Komm doch, Fedossejitsch, komm doch,‹ sage ich, ›wollen wir im Herrschaftshause nachschauen.‹ – ›Komm, Wassilij Timofejitsch,‹ sagt er drauf und ist dabei weiß wie Kalk. Wir gingen ins Haus… und wie ich an der Kammer vorbeikomme, sehe ich, daß das Vorhängeschloß an der Türe aufgemacht ist; ich will die Türe aufstoßen, sie ist aber von innen zugeriegelt… Fedossejitsch lief sofort von außen herum und sah ins Fenster. ›Wassilij Timofejitsch!‹ schreit er, ›die Beine hängen, die Beine…‹ Ich laufe sofort zum Fenster. Und es sind wirklich seine Beine, Lukjanytschs Beine. Er hatte sich mitten im Zimmer erhängt… Wir schickten gleich nach der Polizei… Man nahm ihn aus der Schlinge heraus: zwölf Knoten waren im Strick.«

»Und was sagte die Polizei?«

»Die Polizei? Die sagte nichts. Sie dachten lange nach, was da für eine Ursache gewesen war. Es gab aber keine Ursache. Man entschied also, daß er es im Wahnsinne getan hatte, und dabei blieb's. In der letzten Zeit hatte er auch wirklich oft über Kopfschmerzen geklagt…«

Ich sprach noch etwa eine halbe Stunde mit dem Burschen und ging schließlich heim, verstimmt und verwirrt. Ich muß gestehen, daß ich das alte Haus nicht ohne eine geheime abergläubische Angst ansehen konnte… Nach einem Monat reiste ich ab, und alle die schrecklichen Eindrücke und geheimnisvollen Begegnungen gingen mir allmählich aus dem Kopf.

II
 







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