Читать бесплатно книгу «Teverino» Жоржа Санда полностью онлайн — MyBook

»Es liegt Anmuth darin, weil es naiv und überraschend ist. Die Magdalena von Canova ruht, die Jungfrauen der Renaissance wissen, daß sie schön sind; die ältern Modelle sind ganz von einem Wurf, ganz von einem Stücke, man könnte sagen, ganz von einem Ursprung, wie der Gedanke, der sie erblühen ließ.«

»Und der sie versteinerte . . . Sehen Sie, sie hat ihr Gebet beendigt; reden Sie mit ihr, Sie werden sehen, daß sie ungeachtet des Ausdrucks ihrer Züge dumm ist.«

»Mein Kind,« sagte Leonce zu dem jungen Mädchen, »Sie scheinen sehr fromm. Wird dieser Kapelle eine besondere Verehrung geweiht?«

»Nein, mein Herr,« antwortete das junge Mädchen mit einer Verneigung; »wenn ich beten will, so verberge ich mich nur hier, damit mich der Herr Pfarrer nicht sieht.«

»Und warum fürchtet Ihr die Blicke des Herrn Pfarrers?« fragte Lady G ***.

»Ich fürchte, er möchte mich fortjagen,« entgegnete die Bergbewohnerin, »unter dem Vormunde, ich hätte eine Todsünde auf mir, duldet er nicht, daß ich die Kirche mehr betrete.«

Sie gab diese Antwort mit solcher Festigkeit und einem so ungekünstelten und so entschlossenen Wesen zugleich, daß Sabina sich des Lachens nicht enthalten konnte.

»Ist das wahr?« fragte sie das Mädchen.

»Ich glaube, der Herr Pfarrer irre sich,« antwortete das Landkind, »und Gott sehe klarer in mein Herz.«

Hierauf machte sie eine zweite Verneigung und entfernte sich schleunig, denn der Pfarrer, welcher unterdeß sein Priestergewand abgelegt hatte, erschien im Hintergründe des Schiffes.

Von unsern beiden Reisenden um Aufschluß gebeten, warf der Pfarrer einen Blick auf die entfliehende Sünderin, zuckte die Achseln und sagte in zornigem Tone:

»Kümmern Sie sich nicht um diese Landstreicherin, sie ist eine verlorene Seele.«

»Das ist höchst seltsam,« sagte Sabina, »ihr Gesicht drückt nichts dergleichen aus.«

»Jetzt,« sagte der Pfarrer, »stehe ich Ihrer Gnaden zu Befehl.«

Man bestieg den Wagen wieder und nach einigen Worten allgemeiner Unterhaltung bat der Pfarrer um Erlaubniß, sein Brevier zu lesen, und bald war er so ganz in diese Andacht versunken, daß Leonce und Sabina sich neuerdings wie unter vier Augen befanden. Aus Rücksicht für den guten Mann, der das Englische nicht zu verstehen schien, schwatzten sie in dieser Sprache, um ihm keine Zerstreuung zu verursachen.

»Dieser unduldsame Priester, Sklave seiner Paternoster, verspricht uns nicht großes Vergnügen,« sagte Sabina. »Ich glaube, Sie haben ihn angeworben, um mich zu strafen, daß ich wegen des Zusammentreffens mit der Marquise etwas verdrießlich war.«

»Ich habe vielleicht einen ernstern Beweggrund gehabt,« antwortete Leonce. »Errathen Sie ihn nicht?«

»Durchaus nicht.«

»Ich will Ihnen denselben sagen, allein unter der Bedingung, daß sie ihn ganz ernsthaft anhören.«

»Sie beunruhigen mich!«

»Das ist schon Etwas. Wissen Sie denn, daß ich diesen Dritten zwischen uns gesetzt habe, um mich selbst zu bewahren.«

»Und vor Was, wenn’s gefällig ist?«

»Vor der Gefahr, welche in jeder Unterhaltung junger Leute über die Liebe verborgen liegt.«

»Reden Sie für sich, Leonce; ich habe diese Gefahr nicht bemerkt. Sie hatten mir versprochen, die Langeweile von mir fern zu halten; ich zählte auf Ihr Wort; ich war ruhig.«

»Sie spotten? So leicht dürfen Sie’s nicht aufnehmen. Sie hatten mir mehr Ernst versprochen.«

»Gehn Sie, ich bin sehr ernst, ernst wie dieser Pfaffe. Was wollten Sie sagen?«

»Daß allein mit Ihnen ich mich hätte aufgeregt fühlen und jene Ruhe verlieren können, von welcher heute meine Macht über Sie abhängt. Ich verrichte hier das Amt des Magnetiseurs, um Ihre gewöhnliche Reizbarkeit einzuschläfern. Nun aber wissen Sie, daß die erste Bedingung magnetischer Macht ein absolutes Phlegma, eine Anstrengung des Willens zu der Idee unkörperlicher Herrschaft ist; sie ist die Abwesenheit jeder dem Phänomen des geheimnißvollen Einflusses fremden Regung. Ich konnte mich stören lassen und zuletzt von Ihrem Blicke, von dem Ton Ihrer Stimme, mit Einem Worte, von Ihrem magnetischen Fluidum beherrscht werden, und dann wären die Rollen umgekehrt gewesen.«

»Ist das eine Erklärung, Leonce?« sagte Sabina mit ironischer Hoheit.

»Nein, Madame, es ist ganz das Gegentheil,« antwortete er ruhig.

»Eine Impertinenz vielleicht?«

»Keineswegs. Ich bin seit langem Ihr Freund und ein ernstlicher Freund, Sie wissen es wohl, obgleich Sie ein seltsames und zuweilen ungerechtes Weib sind. Wir haben uns als Kinder gekannt; unsre Zuneigung war stets eine herzliche und sanfte. Sie haben dieselbe mit Freimüthigkeit, ich mit Hingebung gepflegt. Wenige Menschen sind mir so befreundet, wie Sie, und ich suche die Gesellschaft Keines von ihnen mit mehr Lust, als die Ihrige. Dennoch verursachen Sie mir bisweilen eine Art unbeschreiblichen Schmerzes. Es ist nicht der Augenblick dazu, nach der Ursache desselben zu forschen; es ist ein inneres Problem, welches zu lösen ich noch nie gesucht habe. So viel ist jedoch gewiß, daß ich nicht in Sie verliebt bin und es nie war. Ohne in Erklärungen einzutreten, die vielleicht nach dieser Darlegung etwas zu freimüthig wären, denke ich, Sie werden verstehen, warum ich neben einer so schönen Frau, wie Sie, aufgeregt werden darf und warum das friedliche, runde und fette Gesicht da mir nothwendig war, mich zu verhindern, daß, ich Sie nicht allzuviel anschaute.«

»Das ist hinlänglich, Leonce,« antwortete Sabina, welche, um den Kopf senken und die auf ihren Wangen brennende Röthe verbergen zu können, that, als ordne sie ihre Manschetten. »Das ist sogar zu viel. Es liegt etwas Verletzendes für mich in Ihren Gedanken.«

»Ich wette, Sie können mir das nicht beweisen.«

»Ich werde es nicht versuchen. Ihr Gewissen muß es Ihnen sagen.«

»Durchaus nicht. Ich kann Ihnen keinen größern Beweis meiner Achtung geben, als indem ich die Liebe aus meinen Gedanken verscheuche.«

»Die Liebe! Die ist Ihrem Herzen fern! Was Sie fürchten zu müssen glauben, schmeichelt mir wenig; ich bin keine alte Kokette, um stolz darauf zu sein.«

»Und dennoch, wenn das die Liebe wäre, die Liebe des Herzens, wie Sie es verstehen, so wären Sie noch erzürnter darüber.«

»Betrübt vielleicht, weil ich sie nicht erwiedern könnte, aber weit weniger erzürnt, als ich es durch Ihr unbeschreibliches Leiden bin.«

»Sein Sie offenherzig, meine Freundin; Sie wären nicht einmal betrübt; Sie würden lachen, und das wäre Alles.«

»Sie beschuldigen mich der Koketterie? Dazu haben Sie das Recht nicht; was wissen Sie davon, weil Sie mich nie geliebt haben und Sie mich nie Jemand lieben sahen?«

»Hören Sie, Sabina, gewiß ist, daß ich nie gesucht habe, Ihnen zu gefallen. So viele Andere sind ja gescheitert! Weiß ich nur, ob es schon irgend Jemand gelungen ist, von Ihnen geliebt zu werden. Und dennoch haben Sie mir einst gesagt, an einem Tage, wo Sie mittheilend und traurig waren; allein ich weiß nicht, ob Sie sich nicht nur in der Aufregung gerühmt haben. Hätte ich Sie sehen lassen, daß ich im Stande bin, glühend zu lieben, so würden Sie vielleicht erkannt haben, daß ich Besseres verdiente, als Ihre Freundschaft. Aber um Sie dieses begreifen zu lassen, hätte ich Sie entweder auf eine Weise lieben sollen, die ich jetzt läugne, oder mich verstellen und in meinen eigenen Behauptungen berauschen müssen. Das wäre meiner edeln Anhänglichkeit für Sie unwürdig gewesen, und zu solcher List bin ich nicht herabgestiegen, oder ich hätte Ihnen wohl gar die Geheimnisse meines Lebens erzählen, Ihnen meinen wahren Charakter schildern, mit Einem Worte mich rühmen müssen. Pfui! und nicht verstanden, verhöhnt werden! . . . Gerechte Strafe der kindischen Eitelkeit! Fern sei solche Schmach von mir!«

»Ueber was rechtfertigen Sie sich denn, Leonce? Beklage ich mich, nur Ihre Freundschaft zu besitzen? Habe ich je etwas Anderes verlangt?«

»Nein; aber weil ich mich so ängstlich beobachte, könnten Sie, wenn Sie mich nicht erriethen, daraus schließen, ich sei ein unvernünftiger Mensch.«

»Wozu sich so sehr beobachten, wo Nichts zu fürchten ist? Die Liebe kommt von selbst. Sie überrascht und überfällt, sie klügelt nicht, sie hat nicht nöthig zu fragen, noch sich mit Vermuthungen, mit Angriffs- und Rückzugsplänen zu umgeben: sie verräth sich und dann imponirt sie.«

»Das ist eine gute Lektion,« dachte Leonce, »und sie selbst gibt sie mir.« Er fühlte das Bedürfniß, seinen Aerger zu unterdrücken und Lady G ***s Hand ergreifend, die er mit liebevollem und ruhigem Wesen drückte, sagte er:

»Sie sehen also wohl, theure Sabina, daß zwischen uns keine Liebe bestehen kann, wir haben Nichts im Herzen, das für das Eine oder das Andere neu und geheimnißvoll wäre; wir kennen uns zu gut, wir sind gleichsam Geschwister.«

»Das ist Lüge und Lästerung,« antwortete die stolze Lady G***, ihm ihre Hand entziehend. »Geschwister kennen sich nie, weil die lebendigsten und tiefsten Punkte ihrer Seelen nie in Berührung kommen. Sagen Sie nicht, daß wir uns zu gut kennen, Sie und ich; ich behaupte im Gegentheil, durchaus nicht von Ihnen gekannt zu sein und es nie zu werden. Darum habe ich, statt böse zu werden, bei all dem Harten, was Sie mir seit diesem Morgen sagten, gelächelt. Sehn Sie, lieber will ich Sie auch nicht weiter kennen. Wenn Sie Ihr magnetisches Fluidum behalten wollen, so lassen Sie mich glauben, daß Ihr Herz Schätze von Leidenschaft und Zärtlichkeit birgt, wovon unsre friedliche Freundschaft nur der Schatten ist.«

»Und wenn Sie das glaubten, würden Sie mich lieben, Sabina! Es ist somit gewiß, daß Sie es nicht glauben.«

»Ich kann Ihnen das Nämliche sagen. Folgt wohl daraus, daß wenn wir nur Freunde sind, es daher kommt, weil wir keine große Meinung von einander hegen?«

»Sie wird empfindlich,« dachte Leonce, »und nun stehn wir auf dem Punkte, uns entweder zu hassen oder zu lieben.«

»Ich meine,« sagte der Pfarrer, sein Brevier zumachend, »wir wären nun weit genug und könnten, wenns den hohen Herrschaften beliebt, Etwas unter die Zähne legen.«

»Um so mehr,« sagte Leonce, »als nur zwei Schritte von hier sich über uns eine schattige Felsplatte zeigt, von wo aus man eine bewunderungswürdige Aussicht haben muß.«

»Was, da oben?« rief der Pfarrer, welcher ziemlich wohlbeleibt war; »Sie wollen, den grünen Felsen erklimmen? Wir wären in diesem Tannenwäldchen da am Wege weit behaglicher.«

»Aber wir hätten keine Aussicht!« sagte Lady G***, mit schäckerndem Wesen ihren Arm in den des allen Priesters legend; »und kann man den Anblick der Berge entbehren?«

»Ganz wohl, wenn man ißt,« antwortete der Pfarrer, der sich indeß mitschleppen ließ.

Der Jockey führte seinen Wagen in den Schatten des Wäldchens, und bald boten sich zahlreiche Diener, um ihm bei Verscheuchung der Mücken und dem Füttern der Pferde behülflich zu sein. Es waren die kleinen, auf allen Punkten des Berges zerstreuten Hirten, welche sich wie ein Schwarm neugieriger und heißhungriger Vögel im Nu um unsere Spaziergänger versammelten. Der Eine nahm die Kissen des Charabancs, um den Gästen einen bequemen Sitz auf dem Felsen zu bereiten, der Andere übernahm die Hinaufschaffung der Wildpretpasteten, ein Dritter die der Weine, Jeder wollte Etwas tragen oder zerbrechen.

Das ländliche Frühstück war bald auf dem grünen Felsen aufgetragen, und als der Pfarrer sah, daß es glänzend und schmackhaft ausfiel, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und ließ seiner keuchenden Brust einen jubelnden Seufzer entfliehen. Man gab den zerlumpten Pagen so wie den Dienern ihren Antheil, denn es war genug vorhanden, um Alle befriedigen zu können, Leonce hatte seine Sache nicht nur halb gemacht; es war, als ob er vorausgesehen hätte, mit welch einem priesterlichen Magen er zu schaffen haben würde.

Sabina ward wieder sehr heiter und gestand, daß sie seit langer Zeit zum erstenmal tüchtigen Appetit habe. Nachdem Leonce Jedermann bedient hatte, fing auch er an zu essen, als plötzlich die in einiger Entfernung beisammensitzenden Kinder rührig wurden, umherhüpften und mit starken Armbewegungen, als wollten sie Jemand aus dem Hohlweg heraufrufen, schrieen:

»Das Vogelmädchen! Das Vogelmädchen!«

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