Читать бесплатно книгу «Nicht aus noch ein» Уильяма Уилки Коллинза полностью онлайн — MyBook

Die Haushälterin tritt auf

Am andern Morgen saß der Weinhändler in seinem Eßzimmer, um die Personen, welche sich zu den offenen Stellen im Haushalt meldeten, zu empfangen. Es war ein altmodisches getäfeltes Gemach, in dem er sich befand, die Paneele waren mit aus Holz geschnitzten Blumenfestons verziert, den eichenen Fußboden bedeckte ein Verbleichter türkischer Teppich; dunkle Mahagoni-Möbel, welche alle unter Pebbleson Nephew gedient und Politur erhalten hatten, standen umher. Der große Credenztisch hatte vielen officiellen Diners beigewohnt, die Pebbleson Nephew’s ihren Connexionen gaben. Pebbleson Nephew’s wußten die Wurst nach der Speckseite zu werfen. Pebbleson Nephews geräumigen dreiseitiger Tellerwärmer, der die ganze Front der Feuerstelle einnahm, behütete den darunter befindlichen, von einer Art Sarkophag beschirmten kleinen Keller, welcher zu seiner Zeit viele Dutzende von Pebbleson Nephew’s Weinflaschen beherbergte. Aber der kleine rothe alte Junggeselle mit dem Zöpfe, dessen Portrait über dem Credenztisch hing (und dem man sogleich ansah, daß er entschieden ein Pebbleson und entschieden kein Nephew war) hatte sich in einen andren Sarkophag zurückgezogen und der Tellerwärmer war dar über, so kalt wie sein Herr geworden. Die schwarz und goldnen Greise, die den Kandelaber trugen und schwarze – an goldenen Ketten befestigte Kugeln in den Mäulern hielten, sahen aus, als ob sie in ihren alten Tagen alle Lust verloren hätten, damit Ball zu spielen. Sie wiesen traurig ihre Ketten dar und fragten nach Art der Missionare: Sind wir denn nicht Greise und Brüder, die wohl verdienen endlich erlöst zu werden?

Einen wahren Columbus von einem Morgen konnte man den heutigen Sommermorgen nennen, da er Cripple Cornet entdeckt hatte. Sein Licht und seine Wärme drangen durch die offenen Fenster und beleuchteten das Bildniß einer Dame über dem Kamin, außer dem vorher erwähnten Portrait die einzige Wandverzierung.

»Meine Mutter, als sie fünfundzwanzig Jahre alt war,« sprach Mr. Wilding zu sich selbst. Seine Augen waren voller Entzücken dem Lichtstrahl zu dem Bilde hinauf gefolgt. »Ich habe sie hierher gehängt, damit die mich Besuchenden meine Mutter in der Blüthe ihrer Schönheit und Jugend bewundern können. Meine Mutter im Alter von fünfzig Jahren hängt in der Verschwiegenheit meines eigenen Zimmers, als eine mir heilige Erinnerung.« —

»O! Sind Sie es Jarvis?«

Die letzten Worte waren an einen Schreiber gerichtet, der an die Thür gepocht hatte und nun hineinsah.

»Ja, Sir. Ich wollte nur melden, daß es zehn vorbei ist, Sir, und daß mehrere Frauen im Comptoir warten.«

»Richtig!« sagte der Weinhändler. Das Rothe in seiner Gesichtsfarbe wurde röther und das Weiß weißer als vorher.

»Also Mehrere sind da? Mehrere – das ist sehr viel. Ich hätte anfangen sollen, ehe Mehrere da waren.

Ich will eine nach der andern sehen, Jarvis, und zwar in der Reihe, wie sie gekommen sind.«

Eiligst sich in seinen Lehnstuhl am Tisch hinter dem großen Tintenfaß verschanzend, nachdem er zuvor einen andern Sessel seinem eignen gegenüber gestellt hatte, begann Mr. Wilding sein Geschäft mit Zittern und Zagen.

Ein Spießruthenlaufen begann, wie bei jeder solchen Gelegenheit. Es kam die gewöhnliche Sorte von unsäglich unanziehenden Frauen und die ebenso gewöhnliche von zu anziehenden Frauen. Es kamen raubgierige Wittwen, die sich seiner bemächtigen wollten; sie hatten Schirme unter ihre Arme gepreßt und ihm war, als ob er das Pressen mitempfand. Es kamen schwärmerische Kammermädchen, die bessere Tage gesehen hatten, mit Zeugnissen von Geistlichen bewaffnet, welche die Frömmigkeit der Kammermädchen bescheinigten, als ob er St. Peter mit den Schlüsseln wäre. Es kamen allerliebste Kammermädchen, die ihn gern geheirathet hätten. Es kamen Haushälterinnen von Profession, gleich Beamten ohne Amt, welche ihn mit sich durch alle häuslichen Pflichten zogen, anstatt sich selbst einem Examen zu unterwerfen. Es kamen Alterschwache und Kranke, die weniger auf gutes Gehalt sahen, als auf liebevolle Verpflegung. Es kamen sentimentale Wesen, die bei jeder Anrede in Thränen ausbrachen und erst mit Gläsern kaltem Wasser wieder zu sich gebracht werden mußten. Es kamen zwei zu gleicher Zeit, von denen eine die andere empfehlen wollte, die eine war sehr viel versprechend die andere gar nichts versprechend. Die Vielversprechende antwortete bezaubernd auf alle Fragen, nur kam zuletzt heraus, daß sie gar keine Stelle haben wolle, sondern sie nur die Freundin der Nichtsversprechenden sei, welche in absolutem Schweigen verharrte. Endlich, als dem guten einfachen Weinhändler der Muth zu sinken begann, trat eine Bewerberin ein, die ganz verschieden von allen Uebrigen war. Eine Frau von etwa fünfzig Jahren, aber jünger aussehend, mit einem Gesicht, welches durch ruhige Freundlichkeit anzog und einer Haltung, die nicht minder durch ihr Gepräge von Seelenruhe fesselte. An ihrem Anzug hätte nichts zum Vortheil verändert werden können, ebenso wenig an der geräuschlosen Art ihrer Bewegungen und nichts konnte zu dem eben Erwähnten besser passen, als der Ton der Stimme, mit dem sie die Frage: »Welchen Namen habe ich zu schreiben?« beantwortete. »Mein Name ist Sarah Goldstraw. Mrs. Goldstraw. Mein Mann ist schon seit Jahren todt und wir haben keine Kinder.«

Ein halbes Dutzend Fragen hatten bei den Andern nicht so viel zur Sache Gehörendes herausgebracht. Die Stimme schlug so angenehm an Mr. Wildings Ohr, während er seine Notiz machte, daß er länger damit zu brachte, als nöthig. Beim Aufsehen bemerkte er, daß Mrs. Goldstraw’s Blicke im Zimmer umhergewandert waren und eben Von der Kaminwand zu ihm zurückkehrten. Ihr Ausdruck war der der offensten Bereitwilligkeit, alle Fragen: unumwunden zu beantworten.

»Entschuldigen Sie, daß ich einige Fragen thun muß,« sagte der Weinhändler bescheiden.

»Gewiß, Sir. Sonst brauchte ich ja nicht hier zu sein.«

»Haben Sie schon einem Haushalt vorgestanden?«

»Einmal. Ich bin nach dem Tode Meines Mannes zwölf Jahr bei einer verwittweten Dame gewesen. Sie war kränklich und starb vor Kurzem. Es ist der Grund, weshalb Sie Mich in Trauer sehen.«

»Ich zweifle nicht, daß sie Ihnen ein gutes Zeugniß ausgestellt haben wird,« sagte Mr. Wilding.

»Ich freue mich, es bestätigen zu können: wirklich ein gutes. Auch glaubte ich Ihnen Mühe zu ersparen, wenn ich Namen und Wohnung des Gentleman, der an Stelle meiner Herrin Auskunft ertheilen will, niederschrieb und mitbrachte.« Sie legte bei diesen Worten eine Karte aus den Tisch.

»Mrs. Goldstraw,« sagte Mr. Wilding indem er die Karte bei Seite legte, »Sie erinnern mich In Ihrer Art und Weise, Ihrem Ton der Stimme, an etwas aus früherer Zeit. Nicht an eine einzelne Person – das weiß ich gewiß, obgleich ich nicht darauf kommen kann, was mir eigentlich im Sinne liegt – aber an eine bestimmte Art des Benehmens. Ich muß hinzufügen, an eine freundliche, mir angenehme.«

Sie entgegnete lächelnd: »Das freut mich zu hören, Sir.«

»Ja,« fuhr der Weinhändler gedankenvoll fort, seine letzten Worte wiederholend, indem er einen schnellen Blick auf seine künftige Haushälterin warf, »eine freundliche und mir angenehme, aber das ist auch alles, worauf ich mich besinnen kann. Die Erinnerung schwebt mir vor, wie ein halb vergessener Traum. Ich weiß nicht, wie es Ihnen erscheinen mag, Mrs. Goldstraw, aber mir erscheint es so.«

Wahrscheinlich erschien es Mrs. Goldstraw in demselben Lichte, denn sie stimmte Mr. Wilding ruhig bei. Mr. Wilding erklärte sich in Verbindung mit dem Herrn setzen zu wollen, dessen Name aus der Karte verzeichnet stand: die Firma eines Procurators in Doctors Commons. Mrs. Goldstraw verneigte sich dankend. Da Doctors Commons nicht weit war, so schlug Mr. Wilding vor, ob es Mrs. Goldstraw möglich wäre, etwa in drei Stunden wieder herzukommen? Mrs. Goldstraw versprach es. Kurz und gut, das Ergebniß von Mr. Wildings Erkundigungen fiel im hohen Grade befriedigend aus. Mrs. Goldstraw wurde noch diesen Nachmittag engagirt und zog (nach ihrer eigenen Bestimmung) am andern Morgen ein, um sich in Cripple Cornet als Haushälterin niederzulassen.

Die Haushälterin redet

Am andern Tage traf Mrs. Goldstraw ein, um ihre neuen Pflichten zu übernehmen.

Nachdem sie sich in ihrem Zimmer eingerichtet hatte, ohne die Diener zu bemühen und ohne Zeitverschwendung meldete sich die neue Haushälterin bei ihrem Herrn, um die Instructionen, die er ihr etwa zu geben wünsche, entgegenzunehmen. Der Weinhändler empfing Mrs Goldstraw im Eßzimmer, in der er sie schon am vorigen Tage empfangen hatte und, nachdem die gegenseitige Begrüßung vorüber war, setzten sich beide nieder, um über die häuslichen Angelegenheiten zu berathen.

»Was die Speisen anbetrifft, Sir!« sagte Mrs. Goldstraw. »Habe ich eine große Anzahl oder nur wenig Menschen zu bewirthen?«

»Wenn ich einen lieben altmodischen Plan ausführen kann,« erwiderte Mr. Wilding »werden Sie eine große Anzahl zu versorgen haben. Ich bin ein einsamer unverheiratheter Mann, Mrs. Goldstraw, und gedenke mit allen denen, die bei mir im Geschäft sind, zu leben, als ob wir eine Familie wären. Bis es so weit ist, haben Sie Niemand als mich und den neuen Compagnon, den ich jeden Augenblicke erwarte, zu versorgen. Welche Gewohnheiten mein Theilnehmer am Geschäft haben mag, kann ich nicht sagen, aber mich selbst kann ich als einen Mann bezeichnen, der regelmäßig seine Stunden einhält und regelmäßig Appetit mitbringt, darauf können Sie rechnen.«

»Was das erste Frühstück anbelangt, Sir?« fragte Mrs. Goldstraw. »Haben Sie einige besondere —«

Sie hielt ein und ließ den Satz unvollendet. Ihre Augen wendeten sich langsam von ihrem Herrn ab und blickten nach dem Kamin hin. Wenn sie eine weniger vortreffliche und erfahrene Haushälterin gewesen wäre, so hätte sich Mr. Wilding einbilden können, daß ihre Aufmerksamkeit schon am Anfang ihrer Unterredung abzuschweifen beginne.

»Acht Uhr ist meine Frühstückszeit,« nahm er das Gespräch wieder auf. »Es ist eine meiner Tugenden, daß mir gebratener Speck nie überdrüssig wird und eines meiner Laster, daß ich Eier stets mit Mißtrauen betrachte.« Mrs. Goldstraws Augen kehrten wieder zu dem Sprechenden zurück, aber sie weilten. nur halb auf ihrem Herrn und zur andern Hälfte auf ihres Herrn Kamin. »Ich trinke Thee,« fuhr Mr. Wilding fort; »und bin, was denselben anbetrifft, krankhaft peinlich; ich trinke ihn in einer genau abgemessenen Zeit nach seinem Fertig werden. Wenn mein Thee zu lange steht —«

Er hielt jetzt seinerseits ein und ließ den Satz unvollendet. Wenn er nicht im Besprechen eines Gegenstandes von so ungemeiner Wichtigkeit, als sein Frühstück begriffen gewesen wäre, so hätte Mrs. Goldstraw sich einbilden können, daß auch seine Aufmerksamkeit schon im Anfang des Gesprächs abzuschweifen beginne.

»Wenn Ihr Thee zu lange steht »Sir?« half die Haushälterin ein, höflich den Faden des Gesprächs wieder aufnehmend.

»Wenn mein Thee zu lange steht« – wiederholte der Weinhändler mechanisch, aber sein Geist verlor sich weiter und weiter hinweg vom Frühstück und seine Augen hefteten sich immer forschender auf die Züge der Haushälterin. »Wenn mein Thee – Himmelt Himmel! Mrs. Goldstraw Woran erinnert mich Ihre Art und Weise und Ihre Stimme? Es ergreift mich heute noch mehr als gestern, wo ich Sie zum ersten mal sah. Was kann es sein?«

»Was kann es sein?« wiederholte Mrs. Goldstraw.

Sie sprach die Worte und dachte augenscheinlich an ganz etwas anderes, als an das, was sie sprach. Der Weinhändler der sie noch immer forschend ansah, bemerkte, daß ihre Augen wieder und wieder nach der Kaminwand hinschweiften. Sie blieben an dem Portrait seiner Mutter hängen, welches sich dort befand und blickten es an. Sie zog ihre Brunnen leicht zusammen, wie man es bei einer kaum bewußten Anstrengung des Denkvermögens zu thun pflegt. Mr. Wilding erklärte:

»Meine geliebte verstorbene Mutter ist ihrem fünfundzwanzigsten Jahre.«

Mrs. Goldstraw bedankte sich mit einer leichten Kopfbewegung für die Mühe, die er sich nahm, ihr das Bild zu erklären und sagte wieder mit freier Stirn, daß es das Portrait einer sehr schönen Dame wäre.

Mr. Wilding fiel in sein früheres Sinnen zurück und versuchte auf’s Neue seine Erinnerungen aufzufrischen, die so genau und so unerklärlich sich an die Stimme und an die Art und Weise der neuen Haushälterin knüpften.

»Entschuldigen Sie eine Frage, welche freilich nichts mit mir oder meinem Frühstück zu thun hat,« sagte er. »Darf ich wissen, ob Sie je eine andere Stellung inne gehabt haben als die einer Haushälterin?«

»Ja, Sir. Im Anfange meiner Laufbahn war ich Kinderwärterin im Findelhause.«

»Ha! da ist es!« rief der Weinhändler seinen Stuhl zurückstoßend. »Beim Himmel. An deren Art und Weise erinnern Sie mich.«

Mrs. Goldstraw sah, ihn verwundert an und wechselte die Farbe. Dann nahm sie sich gewaltsam zusammen, senkte Je Augen zur Erde und verharrte schweigend und bewegungslos.

»Was ist Ihnen?« fragte Mr. Wilding.

»Verstehe ich Sie recht, Sir? Sie sind im Findelhause gewesen?«

»Gewiß. Ich schäme ich nicht, es einzugestehen.«

»Unter dem Namen, den Sie noch führen?«

»Unter dem Namen Walter Wilding.«

»Und die Dame?« – Mrs. Goldstraw hielt ein und warf einen Blick, der augenscheinlich von Angst und Unruhe sprach, auf das Portrait.

»Ist meine Mutter,« unterbrach sie Mr. Wilding.

»Ihre – Mutter,« wiederholte die Haushälterin gezwungen, »nahm Sie aus dem Findelhause? Wie alt waren Sie da,Sir?«

»Zwischen elf und zwölf Jahren. Es ist eine ganz romantische Geschichte, Mrs. Goldstraw.«

Er erzählte in seiner unbefangenen mittheilsamen Weise, wie eine Dame während der Tischzeit mit ihm gesprochen habe, als er und die andern Knaben im Findelhause beim Mittagbrod gewesen seien, und welche Folgen sich daran für ihn geknüpft hätten. »Meine arme Mutter würde mich nicht herausgefunden haben,« setzte er hinzu, »wenn nicht eine der Aufseherinnen, mit der sie gerade zusammentraf, Mitleiden gehabt hätte. Dieselbe willigte ein, den Knaben, welcher Walter Wilding genannt wurde, beim Herumgehen um die Tische anzufassen – und auf diese Art erhielt meine Mutter mich wieder, nachdem sie an der Thür des Findelhauses aus ewig Abschied von mir genommen hatte, als ich ein ganz kleines Kind gewesen bin.«

Бесплатно

0 
(0 оценок)

Читать книгу: «Nicht aus noch ein»

Установите приложение, чтобы читать эту книгу бесплатно