Читать бесплатно книгу «Othello» Вильгельма Гауфа полностью онлайн — MyBook
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"Nun, wir wollen gleich sehen, wem der Baron recht gibt", rief jene; "die Sache ist so: wir haben hier eine sehr hübsche Oper, man gibt alles Mögliche, Altes und Neues durcheinander, nur eines nicht, die schönste, herrlichste Oper, die ich kenne; auf fremdem Boden mußte ich sie zum erstenmal hören; das erste, was ich tat, als ich hieher kam, war, daß ich bat, man möchte sie hier geben, und nie wird mir mein Wunsch erfüllt! Und nicht etwa, weil sie zu schwer ist, sie geben schwerere Stücke, nein, der Grund ist eigentlich lächerlich."

"Und wie heißt die Oper?" fragte der Fremde. "Es ist Othello!"

"Othello? Gewiß, ein herrliches Kunstwerk; auch mich spricht selten eine Musik so an wie diese, und ich fühle mich auf lange Tage feierlich, ich möchte sagen heilig bewegt, wenn ich Desdemonas Schwanengesang zur Harfe singen gehört habe."

"Hören Sie es? Er kommt von Petersburg, von Warschau, von Berlin, Gott weiß woher—ich habe ihn nie gesehen, und dennoch schätzt er 'Othello' so hoch. Wir müssen ihn einmal wieder sehen. Und warum soll er nicht wieder gegeben werden? Wegen eines Märchens, das heutzutage niemand mehr glaubt."

"Freveln Sie nicht", rief die Fürstin, "es sind mir Tatsachen bekannt, die mich schaudern machen, wenn ich nur daran denke; doch wir sprechen unserem Schiedsrichter in Rätseln; stellen Sie sich einmal vor, ob es nicht schrecklich wäre, wenn es jedesmal, so oft 'Othello' gegeben würde, brennte."

"Auch wieder ein Gleichnis", fiel Sophie ein, "doch es ist noch viel toller, das Märchen selbst!"

"Nein, es soll einmal brennen", fuhr die Mutter fort. "'Othello' wurde zuerst als Drama nach Shakespeare gegeben, schon vor fünfzig Jahren; die Sage ging, man weiß nicht, woher und warum, daß, so oft 'Othello' gegeben wurde, ein gewisses Evenement erfolgte; nun also unser Brennen; es brannte jedesmal nach 'Othello'. Man machte den Versuch, man gab lange Zeit 'Othello' nicht; es kam eine neue geistreiche Übersetzung auf, er wird gegeben—jener unglücklichste Fall ereignete sich wieder. Ich weiß noch wie heute, als 'Othello', zur Oper verwandelt, zum erstenmal gegeben wurde; wir lachten lange vorher, daß wir den unglücklichen Mohren um sein Opfer gebracht haben, indem er jetzt musikalisch geworden—Desdemona war gefallen, wenige Tage nachher hatte der Schwarze auch sein zweites Opfer. Der Fall trat nachher noch einmal ein, und darum hat man 'Othello' nie wieder gegeben; es ist töricht, aber wahr. Was sagen Sie dazu, Baron? aber aufrichtig, was halten Sie von unserem Streit?"

"Durchlaucht haben vollkommen recht", antwortete Larun in einem Ton, der zwischen Ernst und Ironie die Mitte hielt; "wenn Sie erlauben, werde ich durch ein Beispiel aus meinem eigenen Leben Ihre Behauptung bestätigen. Ich hatte eine unverheiratete Tante, eine unangenehme, mystische Person; wir Kinder hießen sie nur die Federntante, weil sie große, schwarze Federn auf dem Hut zu tragen pflegte. Wie bei Ihrem 'Othello', so ging auch in unserer Familie eine Sage, so oft die Federntante kam, mußte nachher eines oder das andere krank werden. Es wurde darüber gescherzt und gelacht, aber die Krankheit stellte sich immer ein, und wir waren den Spuk schon so gewöhnt, daß, so oft die Federntante zu Besuch in den Hof fuhr, alle Zurüstungen für die kommende Krankheit gemacht und selbst der Doktor geholt wurde."

"Eine köstliche Figur, Ihre Federntante", rief die Prinzessin lachend; "ich kann mir sie denken, wie sie den Kopf mit dem Federnhut aus dem Wagen streckte, wie die Kinder laufen, als käme die Pest, weil keines krank werden will, und wie ein Reitknecht zur Stadt sprengen muß, um den Doktor zu holen, weil die Federntante erschienen sei. Da hatten Sie ja wahrhaftig eine lebendige weiße Frau in Ihrer Familie!"

"Still von diesen Dingen", unterbrach sie die Fürstin ernst, beinahe unmutig; "man sollte nicht von Dingen so leichthin reden, die man nicht leugnen kann und deren Natur dennoch nie erklärt wird. So ist nun einmal auch mein 'Othello'", setzte sie freundlicher hinzu. "Und Sie werden ihn nicht zu sehen bekommen, Baron, und müssen ihr Lieblingsstück schon wo anders aufsuchen."

"Und Sie sollen ihn dennoch sehen", flüsterte Sophie zu ihm hin, "ich muß mein Desdemonalied noch einmal hören, so recht sehen und hören auf der Bühne, und sollte ich selbst darüber zum Opfer werden!"

"Sie selbst?" fragte der Fremde betroffen; "ich höre ja, der gespenstische Mohr soll nur brennen, nicht töten?"

"Ach, das war ja nur das Gleichnis der Mutter!" flüsterte sie noch viel leiser, "die Sage ist noch, viel schauriger, noch viel gefährlicher."

Der Kapellmeister pochte, die Introduktion des zweiten Akts begann, und der Fremde stand auf, die fürstliche Loge zu verlassen. Die Herzogin hatte ihn gütig entlassen, aber vergebens sah er sich nach dem Gesandten um, er war wohl längst in seine Loge zurückgekehrt. Unschlüssig, ob er rechts oder links gehen müsse, stand er im Korridor, als eine warme Hand sich in die seinige legte; er blickte auf, es war der Graf Zronievsky.

3

"So habe ich doch recht gesehen?" rief der Graf, "mein Major, mein tapferer Major! Wie lebt alles wieder in mir auf! Ich werfe diese unglücklichen dreizehn Jahre von mir; ich bin der frohe Lancier wie sonst! Vive Poniatowsky, vive l'emp-"

"Um Gottes willen, Graf!" fiel ihm der Fremde in das Wort; "bedenken Sie, wo Sie sind. Und warum diese Schatten heraufbeschwören? Sie sind hinab mit ihrer Zeit, lasset die Toten ruhen."

"Ruhen?" entgegnete jener; "das ist ja gerade, was ich nicht kann; o, daß ich unter jenen Toten wäre, wie sanft, wie geduldig wollte ich ruhen. Sie schlafen, meine tapfern Polen, und keine Stimme, wie mächtig sie auch rufe, schreckt sie auf. Warum darf ich allein nicht rasten?"

Ein düsteres, unstetes Feuer brannte in den Augen des schönen Mannes; seine Lippen schlossen sich schmerzlich; sein Freund betrachtete ihn mit besorgter Teilnahme, er sah hier nicht mehr den fröhlichen, heldenmütigen Jüngling, wie er ihn an der Spitze des Regimentes in den Tagen des Glückes gesehen; das zutrauliche, gewinnende Lächeln, das ihn sonst so angezogen, war einem grämlichen, bittern Zuge gewichen, das Auge, das sonst voll stolzer Zuversicht, voll freudigen Mutes, frei und offen um sich blickte schien mißtrauisch jeden Gegenstand zu prüfen, durchbohren zu wollen, das matte Rot, das seine Wangen bedeckte, war nur der Abglanz jener Jugendblüte, die ihm in den Salons von Paris den Namen des schönen Polen erworben hatte, und dennoch, auch nach dieser großen Veränderung, welche Zeit und Unglück hervorgebracht hatten, mußte man gestehen, daß Prinzessin Sophie sehr zu entschuldigen sei.

"Sie sehen mich an, Major?" sagte jener nach einigem Stillschweigen, "Sie betrachten mich, als wollten Sie die alten Zeiten aus meinen Zügen herausfinden? Geben Sie sich nicht vergebliche Mühe, es ist so manches anders geworden, sollte nicht der Mensch mit dem Geschick sich ändern?"

"Ich finde Sie nicht sehr verändert", erwiderte der Fremde, "ich erkannte Sie bei dem ersten Anblick wieder. Aber eines finde ich nicht mehr wie früher, aus diesen Augen ist ein gewisses Zutrauen verschwunden, das mich sonst so oft beglückte. Alexander Zronievsky scheint mir nicht mehr zu trauen. Und doch", setzte er lächelnd hinzu, "und dennoch war mein Geist immer bei ihm, ich weiß sogar die tiefsten Gedanken seines Herzens."

"Meines armen Herzens!" entgegnete der Graf wehmütig; "ich wüßte kaum, ob ich noch ein Herz habe, wenn es nicht manchmal vor Unmut pochtet. Welche Gedanken wollen Sie aufgespart haben, als die unwandelbare Freundschaft für Sie, Major? Schelten Sie nicht mein Auge, weil es nicht mehr fröhlich ist; ich habe mich in mich selbst zurückgezogen, ich habe mein Vertrauen in meine Rechte gelegt, ihr Druck wird Ihnen sagen, daß ich noch immer der Alte bin."

"Ich danke; aber wie, ich sollte mich nicht auf die Gedanken Ihres Herzens verstehen? Sie sagen, es pocht nur vor Unmut; was hat denn ein gewisses Fürstenkind getan, daß Ihr Herz so gar unmutig pocht?"

Der Graf erblaßte; er preßte des Fremden Hand fest in der seinigen: "Um Gottes willen, schweigen Sie; nie mehr eine Silbe über diesen Punkt! Ich weiß, ich verstehe, was Sie meinen, ich will sogar zugeben, daß Sie recht gesehen haben; der Teufel hat Ihre Augen gemacht, Major! Doch warum bitte ich einen Ehrenmann wie Sie, zu schweigen? Es hat noch keiner vom achten Regiment seinen Kameraden verraten."

"Sie haben recht, und kein Wort mehr darüber; doch nur dies eine noch; vom achten verratet keiner den Kameraden, ob aber der gute Kamerad sich selber nicht verrät?"

"Kommen Sie hier auf diese Treppe", flüsterte der Graf, denn es nahten sich mehrere Personen; "Jesus Maria, sollte außer Ihnen jemand etwas ahnen?"

"Wenn Sie Vertrauen um Vertrauen geben werden, wohlan, so will ich beichten."

"O, foltern Sie mich nicht, Major! Ich will nachher sagen, was Sie haben wollen, nur geschwind, ob jemand außer Ihnen—"

Der Major von Larun erzählte, er sei heute in dieser Stadt angekommen, seine Depeschen seien bei dem Gesandten bald in Richtigkeit gewesen, man habe ihn in die Oper mitgenommen, und dort, wie er entzückt die Prinzessin aus der Ferne betrachtet, habe ihm die Gesandtin gesagt, daß Sophie in ein Verhältnis unter ihrem Stande verwickelt sei. "Sie traten ein in die fürstliche Loge, ein Blick überzeugte mich, daß niemand als Sie der Geliebte sein könne."

"Und die Gesandtin?" rief der Graf mit zitternder Stimme.

"Sie hat es bestätigt. Wenn ich nicht irre sprach sie auch von einer Oberhofmarschallin, von welcher sie die Nachricht habe."

Der Graf schwieg, einige Minuten vor sich hinstarrend; er schien mit sich zu ringen, er blickte einige Male den Fremden scheu von der Seite an—"Major!" sprach er endlich mit klangloser, matter Stimme; "können Sie mir hundert Napoleon leihen?"

Der Major war überrascht von dieser Frage; er hatte erwartet, sein Freund werde etwas Weniges über sein Unglück jammern, wie bei dergleichen Szenen gebräuchlich, er konnte sich daher nicht gleich in diese Frage finden und sah den Grafen staunend an.

"Ich bin ein Flüchtling", fuhr dieser fort; "ich glaubte endlich eine stille Stätte gefunden zu haben, wo ich ein klein wenig rasten könnte, da muß ich lieben—muß geliebt werden, Major, wie geliebt werden!" Er hatte Tränen in den Augen, doch er bezwang sich und fuhr mit fester Stimme fort: "Es ist eine sonderbare Bitte, die ich hier nach so langem Wiedersehen an Sie tue, doch ich erröte nicht, zu bitten. Kamerad, gedenken Sie des letzten ruhmvollen Tages im Norden, gedenken Sie des Tages von Mosjaisk?"

"Ich gedenke!" sagte der Fremde, indem sein Auge glänzte und seine Wangen sich höher färbten.

"Und gedenken Sie, wie die russische Batterie an der Redoute auffuhr, wie ihre Kartätschen in unsere Reihen sausten und der Verräter Piolzky zum Rückzug blasen ließ?"

"Ha!" fiel der Fremde mit dröhnender Stimme ein, "und wie Sie ihn herabschossen, Oberst, daß er keine Ader mehr zuckte, wie die Husaren rechts abschwenkten, wie Sie 'vorwärts!' riefen, vorwärts Lanciers vom achten, und die Kanonen in fünf Minuten unser waren!"

"Gedenken Sie?" flüsterte der Graf mit Wehmut; "wohlan! ich kommandiere wieder vor der Front. Es gilt einen Kameraden herauszuhauen, werdet Ihr ihn retten? En avant, Major! vorwärts, tapfrer Lancier! wirst du ihn retten, Kamerad?"

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