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„Steh nicht einfach so da!“, schrie Joshua voller Schmerz. Er wagte einen kurzen Blick auf die Verletzung. „Oh Gott!“, schrie er. „Mein Hose ist zerrissen! Die hat mehr gekostet, als du im ganzen Monat verdienst!“

Genau in diesem Augenblick ging die Tür auf und Elliot trat ein.

Selbst wenn Elliot nicht 1,92 m groß gewesen wäre, hätte er dennoch Eindruck gemacht. Da war etwas in seiner Haltung. Er konnte die Leute mit einem einzigen Blick in Angst versetzen und sie sich gefügig machen.

Wie das Wild vor dem Autoscheinwerfer verharrte jeder genau da, wo er gerade war und starrte ihn ängstlich an. Selbst Joshua war stumm vor Angst.

Elliot erfasste die Situation um ihn herum mit einem Blick. Er sah Joshua am Boden liegen, sich das Bein haltend und vor Schmerzen schreiend, er sah Keira hilflos daneben stehen, sah die Gruppe der Schreiberlinge an ihren Tischen stehen, mit Entsetzen auf den Gesichtern.

Aber Elliots Gesichtsausdruck änderte sich nicht im Mindesten. „Hat jemand schon einen Krankenwagen für Joshua gerufen?“ Mehr fragte er nicht.

Die Folge war geschäftiges Treiben.

„Ich mache das!“, sagten alle gleichzeitig und griffen nach ihren Telefonen, um nur ja in Elliots Augen als Retter zu dazustehen.

Auf Joshuas Stirn stand der kalte Schweiß. Er blickte zu Elliot auf.

„Es wird schon wieder“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und scheiterte kläglich bei dem Versuch, lässig zu klingen. „Ist nur ein Knochenbruch. Zum Glück ist es das Bein und nicht der Arm. Ich brauche das Bein ja nicht, um den Artikel über Irland zu schreiben.“ Er klang ziemlich verwirrt.

„Aber du brauchst es, um ins Flugzeug zu kommen und über die Hügellandschaft zu wandern“, sagte Elliot ruhig.

„Krücken“, sagte Joshua und verzog das Gesicht. „Rollstuhl. Wir müssen eben ein wenig improvisieren.“

„Joshua“, antwortete Elliot ernst, „der einzige Ort, wo ich dich hinschicke, ist das Krankenhaus.“

„Nein!“, rief Joshua und versuchte, sich aufzusetzen. „Ich kann den Auftrag erledigen! Ich brauche nur einen Gips und dann bin ich praktisch so gut wie neu!“

Ohne jegliche Gefühlsregung ignorierte Elliot Joshuas Flehen und blickte auf die Uhr. „Ich werde das Meeting um Punkt elf Uhr eröffnen“, verkündete er den Mitarbeitern. Dann marschierte er Richtung Konferenzsaal, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Alle standen da, stumm, entsetzt, unsicher, was zu tun war. Dann brachte sie Joshuas Geschrei wieder zurück in die Gegenwart.

„Ich hole dir etwas Wasser“, sagte Lisa.

„Ich will kein verdammtes Wasser!“, schrie Joshua.

„Hier“, sagte Duncan und eilte zu ihm, „du musst das Bein hochlegen.“

Er streckte die Hand nach dem verletzten Bein aus, aber Joshua schlug sie ihm weg. „Fass mich nicht an! Ich schwöre bei Gott, wenn du mich anfasst, schmeiße ich dich raus!“

Duncan hob abwehrend die Hände und zog sich zurück.

„Der Krankenwagen ist da“, rief Nina vom Fenster. Blaue Lichter blitzten von der anderen Seite der Glasscheibe auf.

Gott sei Dank, dachte Keira. Sie hatte von Joshua wirklich die Nase voll. Für immer, wenn sie ehrlich war.

Sie blickte auf und sah Elliot, der im Flur zum Konferenzraum stand und sie alle dabei beobachtete, wie sie kopflos um Joshua herumschwirrten. Er wirkte nicht gerade beeindruckt. Keira warf einen Blick auf die Uhr. Die Besprechung begann in weniger als einer Minute.

Keira erkannte, dass dies ihre Chance war. Elliot hatte es sehr deutlich gemacht, dass Joshua keinesfalls den Irland-Auftrag behalten würde. Das wiederum bedeutete, alle anderen würden sich gleich darum balgen, wer ihn bekam. Es war vielleicht nicht gerade der aufregendste Auftrag aber mehr als Keira je bekommen hatte. Sie musste sich Elliot gegenüber beweisen. Sie brauchte diesen Auftrag.

Keira ließ ihre Kollegen stehen und ging zum Konferenzraum. Sie ging an Elliot vorbei und setzte sich auf den Platz neben dem, den er üblicherweise einnahm.

Duncan bemerkte sie als erster. Sie dort sitzen zu sehen, schien ihm schließlich auch vor Augen zu führen, was sie bereits erkannt hatte, nämlich dass der Irland-Auftrag zu haben war und einer von ihnen ihn kriegen würde. Er eilte ebenfalls in den Raum, während er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Aber die anderen bemerkten es und plötzlich versuchte jeder, möglichst schnell, aber unauffällig in den Raum zu kommen, um Elliot zu beeindrucken und den Auftrag zu ergattern.

So blieb Joshua allein mitten im Großraumbüro zurück. Krankenpfleger hoben ihn auf die Trage und brachten ihn weg, während im Konferenzraum seine Angestellten um seinen Auftrag kämpften.

*

„Ich bin sicher, ihr habt es inzwischen alle gemerkt“, sagte Elliot. „Joshuas Unfall hat mich ein eine Zwickmühle gebracht.“

Er faltete seine großen Hände auf dem Konferenztisch und schaute sie alle der Reihe nach an.

Keira wartete still ab. Sie hatte eine Plan: sollten die anderen sich doch gegenseitig aufreiben, sie würde bis zur letzten Sekunde warten und dann ihre Karten richtig ausspielen.

„Der Irland-Auftrag“, fuhr Elliot fort, „sollte unsere Titelgeschichte werden. Viatorum soll in eine neue Richtung gehen. Persönlichere Texte, Erfahrungen aus erster Hand. Der Autor bringt die Geschichte voran, die Örtlichkeiten stehen im Mittelpunkt. Ich hatte das mit Joshua besprochen. Ich weiß nicht, ob einer von euch versteht, was mir vorschwebt.“ Er blickte auf den Tisch und runzelte so sehr die Stirn, dass die Ader hervorstand. „Der Flieger geht morgen“, klagte er, als hätte er keine Zuhörer.

„Also“, sagte Lisa, „mein Florida-Artikel ist fast erledigt. Ich kann ihn im Flugzeug abschließen.“

„Auf keinen Fall“, antwortete Elliot. „Man kann nicht zwei Aufträge auf einmal erledigen. Wer ist frei?“

Aus einigen Kollegen entwich der angehaltene Atem. Sie waren damit aus dem Rennen.

„Ich bin frei“, sagte Duncan. „Ich wollte eigentlich heute nach Madrid fliegen, aber die Arbeit geht vor. Stacy wird es nichts ausmachen, wenn ich den Urlaub verschiebe.“

Keira konnte nur mit Mühe ein Augenrollen unterdrücken angesichts dieser auswendig gelernten Ansage. Sie fragte sich, wie gelassen Stacy tatsächlich reagieren würde, wenn ihr Urlaub ins Wasser fiele.

Elliot musterte Duncan über den Tisch hinweg. „Du bist dieser Buxton-Typ, oder? Der den Artikel über Frankfurt geschrieben hat?“

„Ja“, antwortete Duncan und grinste stolz.

„Der Artikel war Mist“, sagte Elliot.

Keira spürte, wie ihre Aufregung wuchs. Das war ihr Moment. Ihre Chance zu glänzen.

Sie ignorierte die aufkommende Nervosität und hob lässig ihre Hand. „Ich stehe für den Auftrag zur Verfügung.“

Alle schauten sie an. Sie bemühte sich, nicht den Kopf zwischen die Schultern zu ziehen, sondern aufrecht zu sitzen.

„Wer bist du?“, fragte Elliot.

Keira schluckte. „Keira Swanson. Ich bin Joshuas jüngste Autorin. Er hatte mich damit beauftragt, die Recherche für den Irland-Auftrag zu machen.“

„So, hat er das?“, fragte Elliot. Es schien ihm egal zu sein, dass Joshua seine Arbeit an Untergebene delegierte. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Du warst noch nie in Übersee für einen Auftrag?“

Keira schüttelte den Kopf. „Bisher nicht“, antwortete sie. „Aber ich freue mich drauf.“ Sie hoffte, man würde das Zittern in ihrer Stimme nicht hören.

Sie spürte die Irritation ihrer Kollegen am Tisch. Wahrscheinlich fanden sie es unfair und dachten, Keira hätte einen solchen Auftrag nicht verdient. Sie ärgerten sich bestimmt, dass sie in den vergangenen Wochen weniger interessante Aufträge angenommen hatten und nun damit beschäftigt waren. Die einzige Person, die auf ihrer Seite zu sein schien, war Nina, die sie wissend anlächelte. Innerlich lächelte Keira zurück. Dies war ihre Chance. Sie hatte abgewartet, hinter Joshua aufgeräumt, seine Texte überarbeitet, viele Überstunden ohne Vergütung gemacht. Jetzt würde sie aus den Schatten heraus ins Licht treten.

Elliot trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. „Ich bin nicht sicher“, sagte er. „Du hast dich noch nicht bewiesen. Und das ist eine große Aufgabe.“

Nina meldete sich am anderen Ende des Tisches zu Wort. Sie hatte sich bereits Vertrauen und Respekt erarbeitet. Als erfahrene Herausgeberin hochwertiger Magazine hatte sie die nötige Härte. „Ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl hast.“

Elliot hielt inne, als müsse er die Worte erst einmal verdauen. Dann glättete sich die gerunzelte Stirn und er antwortete mit zögerlicher Akzeptanz. „Also gut. Swanson, du hast den Auftrag. Aber nur, weil wir in einer echten Notlage sind.“

Das war vielleicht nicht die beste Art, um solche guten Nachrichten zu bekommen, aber Keira war das egal. Sie hatte den Auftrag. Das war alles, was zählte. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht die Faust gen Himmel zu recken.

„Es handelt sich um eine vierwöchige Reise“, erklärte Elliot. „Zum Lisdoonvarna Festival in Irland.“

Keira nickte. Das wusste sie bereits alles. „Das Festival der Liebe“, sagte sie etwas säuerlich.

Elliot schmunzelte. „Bist du immer so zynisch?“

Das ließ Keira nervös werden. Hatte sie das Falsche gesagt? Ihre Verachtung war ihr einfach so heraus gerutscht. Aber dann sah sie, dass Elliots Gesicht eher Zustimmung ausdrückte.

„Das ist genau der Blickwinkel, den ich haben will“, sagte er.

Alle am Tisch sahen so aus, als hätten sie in eine Zitrone gebissen. Lisa starrte Keira eifersüchtig an.

„Die Wahrheit“, fügte Elliot hinzu. Seine Augen funkelten plötzlich vor Aufregung. „Ich will, dass du diese Albernheit über das romantische Irland entlarvst. Widerlege den Mythos, dass man bei so einem sentimentalen Festival mit einem Partner fürs Leben verbunden wird. Ich erwarte, dass du mutig den Unsinn aufzeigst, dass Liebe so nicht in der realen Welt funktioniert. Ich will die ganze ungeschminkte Wahrheit.“

Keira nickte. Sie war eine zynische New Yorkerin, und der Blickwinkel des Auftrags kam ihr sehr entgegen. Es war, als wäre ihr der perfekte Auftrag zum richtigen Zeitpunkt praktisch in den Schoß gefallen. Dies war ihre Chance, sich zu beweisen, ihre Stimme und ihr Talent zu zeigen, allen klar zu machen, dass sie sich ihren Platz bei Viatorum wahrlich verdient hatte.

„Damit ist die Besprechung beendet“, sagte Elliot. Als Keira aufstand, fügte er hinzu, „du nicht, Miss Swanson. Wir müssen noch ein paar Details des Auftrags mit meiner Assistentin besprechen. Gehen wir doch in mein Büro.“

Als die Anderen nach und nach den Raum verließen, machte Nina ein Daumen-hoch-Zeichen. Dann ging Keira an Elliots Seite quer durch das Büro. Ihre Absätze klackerten auf den Kacheln und eifersüchtige Blicke folgten ihr.

*

In dem Moment, als sich die Tür zu Elliots Büro hinter ihnen schloss, wusste Keira, dass die wirkliche Arbeit jetzt erst begann. Elliots Assistentin Heather war bereits da. She runzelte verwirrt die Stirn, als sie sah, dass Keira den Auftrag bekommen hatte, aber sie sagte nichts.

Eine weitere Person, der ich zeigen werde, dass sie falsch liegt, dachte Keira.

Sie und Elliot setzten sich hin. Heather reichte ihr eine Mappe.

„Deine Flugtickets“, erklärte sie. „Und Details zur Unterkunft.“

„Ich hoffe, du bist ein Frühaufsteher, denn du wirst morgen früh aufbrechen“, fügte Elliot hinzu.

Keira lächelte, aber im Geiste ging sie all die Termine in ihrem Kalender durch, die sie absagen musste oder verpassen würde. Ihr brach der kalte Schweiß aus, als ihr bewusst wurde, dass sie die Hochzeit von Ruth, Zacharys Schwester, verpassen würde. Die war morgen. Er würde ziemlich sauer sein.

„Das ist kein Problem“, sagte sie und warf einen Blick auf die Flugtickets in der Mappe. 6 Uhr. „Überhaupt kein Problem.“

„Wir haben dir ein Zimmer in einem idyllischen kleinen Bed & Breakfast in Lisdoonvarna gebucht“, erklärte Elliot. „Kein Schnickschnack. Wir wollen, dass du alles ganz hautnah erlebst.“

„Großartig“, antwortete sie.

„Versau es nicht, okay?“, sagte Elliot. „Ich gehe mit dir ein echt großes Risiko ein. Wenn du den Auftrag versaust, dann war es das hier für dich. Klar? Es gibt Hunderte von Autoren, die nur darauf warten, deinen Platz einzunehmen.“

Keira nickte, bemüht, ihre Anspannung nicht zu zeigen. Sie wollte einen zuversichtlichen Eindruck machen, während sie in Wirklichkeit Schmetterlinge im Bauch hatte.

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