Читать книгу «Nebenan» онлайн полностью📖 — Блейка Пирс — MyBook.
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Greene lächelte sie an und nickte. »Das ist richtig. Sie wären überrascht, wie viele Neulinge die Tatsache übersehen, dass es eine Art Trickfrage ist. Sie sind im Haus des Typen, also kennen Sie schon seinen Namen. Aber wenn nicht der Verdacht bestand, dass es der Ehemann war, haben Sie vollkommen recht. Auch ... Sind Sie in Ordnung?«

Die Frage überraschte sie, vor allem, weil es ihr nicht gut ging. Sie war wie weggetreten und starrte auf das Blut auf den Küchenfliesen. Es zog sie wieder zurück in ihre Vergangenheit und sie starrte auf eine Blutlache, die in den Teppich am Ende der Treppe sickerte.

Ohne Vorwarnung wurde sie ohnmächtig. Sie lehnte sich gegen die Kücheninsel, weil sie Angst hatte, dass sie kotzen würde. Es war alarmierend und peinlich.

Ist es das, worauf ich mich bei jedem anderen grausamen Tatort einstellen kann? Besonders bei solchen Tatorten, die dem ähnelten, was mit Mom passiert war?

In ihrem Hinterkopf hörte sie Sally, eine der ersten Sachen, die sie jemals zu Chloe gesagt hatte: Ich weiß nicht, wie aus einer Frau jemals eine hervorragende Agentin werden kann. Besonders bei einer mit deinem traumatischen Hintergrund. Ich frage mich, ob du diese Art von Stress mit nach Hause nimmst.

»Entschuldigung«, murmelte sie. Sie stieß sich von der Kücheninsel ab und rannte zur Haustür. Auf dem Weg zum Rasen fiel sie beinahe die Verandatreppe hinunter, ganz sicher, dass sie sich übergeben würde.

Glücklicherweise ersparte ihr das Schicksal diese Schmach. Sie machte eine Reihe tiefer Atemzüge und konzentrierte sich so intensiv auf ihre Atmung, dass sie fast nicht bemerkte, wie Greene die Verandatreppe herunterkam.

»Es gibt bestimmte Fälle, die auch mich treffen«, sagte er zu ihr. Er hielt einen respektablen Abstand, ließ ihr ihren Freiraum. »Es wird Tatorte geben, die viel schlimmer sind. Mit der Zeit wird man desensibilisiert, leider.«

Sie nickte, da sie das alles schon einmal gehört hatte. »Ich weiß. Es ist nur ... dieser Tatort hat etwas bei mir ausgelöst. Eine Erinnerung, mit der ich nicht gerne zu tun habe.«

»Das FBI hat hervorragende Therapeuten, die den Agenten helfen, solche Dinge zu verarbeiten. Also denken Sie nie, dass Sie damit alleine dastehen oder dass es Sie zu einer weniger guten Agentin macht.«

»Danke«, sagte Chloe und schaffte es endlich wieder aufrecht zu stehen.

Sie erkannte, dass sie auf einmal ihre Schwester sehr vermisste. So morbid es auch sein mochte, die liebevollen Gedanken an Danielle durchfluten sie immer dann, wenn Erinnerungen an den Tag, an dem ihre Mutter starb, in ihrem Kopf auftauchten. Es war jetzt nicht anders; Chloe musste an ihre Schwester denken. Danielle hatte im Laufe der Jahre viel durchgemacht − sie war sowohl ein Opfer der Umstände als auch ihrer eigenen schlechten Entscheidungen. Und nun, da Chloe in ihrer Nähe lebte, schien es undenkbar, dass sie so distanziert blieben.

Sicher, sie hatte Danielle für das kommende Wochenende zu dem Straßenfest eingeladen, aber Chloe konnte nicht so lange warten. Außerdem vermutete Chloe, dass sie nicht kommen würde.

Plötzlich merkte sie: Sie musste sie jetzt sofort sehen.

***

Chloe wusste nicht, warum sie so nervös war, als sie an Danielles Tür klopfte. Sie wusste, dass Danielle da war; das gleiche Auto, das sie als Teenager gehabt hatte, war auf dem Parkplatz des Apartmentkomplexes geparkt und hatte immer noch die Bandaufkleber. Nine Inch Nails. KMFDM. Ministry. Das Auto und die Aufkleber darauf brachten einen Hauch von Nostalgie mit sich. Mehr Wehmut als alles andere.

War sie wirklich nicht erwachsen geworden, fragte sich Chloe.

Als Danielle die Tür öffnete, sah Chloe, dass sie das nicht war. Oder besser gesagt, ihre Aufmachung sah nicht danach aus.

Die Schwestern schauten sich zwei Sekunden lang an, bevor sie sich schließlich kurz umarmten. Chloe sah, dass Danielle ihr Haar immer noch schwarz gefärbt hatte. Sie trug auch noch den Lippenring, der aus dem linken Mundwinkel herausragte. Sie hatte einen dünnen schwarzen Eyeliner aufgetragen und trug ein Bauhaus-T-Shirt und zerrissene Jeans.

»Chloe«, sagte Danielle und ein schwaches Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Wie geht es dir?«

Es klang, als hätten sie sich erst gestern noch gesehen. Für Cloe war das aber in Ordnung, sie hatte nicht gerade eine überschwängliche Begrüßung von ihrer Schwester erwartet.

Chloe trat in die Wohnung und umarmte ihre Schwester noch einmal, ohne sich darum zu kümmern, wie Danielle darauf reagieren würde. Es war etwas mehr als ein Jahr her, seit sie sich gesehen hatten − und etwa drei, seit sie sich tatsächlich umarmt hatten. Etwas an der Tatsache, dass sie jetzt in derselben Stadt lebten, schien etwas zwischen ihnen zu verbinden. Etwas, das Chloe fühlen konnte, etwas, von dem sie wusste, dass es nicht ausgesprochen werden musste.

Danielle erwiderte die Umarmung, wenn auch nur zögerlich. »Also gut ... du bist du hier ... weil?«, stichelte Danielle.

»Nur so«, sagte Chloe. »Ich weiß, ich hätte anrufen sollen, aber ... ich weiß nicht. Ich hatte Angst, du würdest eine Entschuldigung dafür finden, dass ich nicht vorbeikommen kann.«

»Das hätte ich sicher gemacht«, gab Danielle zu. »Aber jetzt, wo du hier bist, komm rein. Entschuldige die Unordnung. Nun, eigentlich nicht. Du weißt, dass ich schon immer unordentlich war.«

Chloe lachte und als sie die Wohnung betrat, war sie überrascht, sie relativ aufgeräumt vorzufinden. Der Wohnbereich war spärlich eingerichtet, mit nur einer Couch, einem Fernseher auf einem Ständer, einem Couchtisch und einer Lampe. Chloe wusste, dass der Rest der Wohnung genauso aussehen würde. Danielle war die Art von Person, die sich nur mit wenigen Sachen umgab. Die einzige Ausnahme, wenn sie sich seit ihren Teenagerjahren nicht verändert hätte (und es schien, als hätte sie das nicht getan), waren Musik und Bücher. Cloe fühlte sich fast schuldig wegen des geräumigen und gut ausgestatteten Hauses, das Steven und sie kürzlich gekauft hatten.

»Soll ich einen Kaffee aufsetzen?«, fragte Danielle.

»Ja, das wäre toll.«

Sie gingen in die Küche, die wiederum nur mit dem Nötigsten aufwartete. Der Tisch war offenbar etwas, das aus einem Hofverkauf stammte und hatte zumindest ein wenig Eleganz mit seiner zerknitterten Tischdecke. Zwei einsame Stühle standen daran, einer auf jeder Seite.

»Bist du hier, um mich wegen deines Straßenfestes zu piesacken?«, fragte Danielle.

»Überhaupt nicht«, sagte Chloe. »Ich war heute im Rahmen meines Praktikums an diesem Tatort, der ... nun, er brachte alles zurück.«

»Autsch.«

Schweigen hing zwischen ihnen, als Danielle die Kaffeemaschine anstellte. Chloe beobachtete, wie sich ihre Schwester ein wenig schleichend durch die Küche bewegte, augenscheinlich hatte sie sich nicht verändert. Sie könnte ebenso auf das siebzehnjährige Mädchen blicken, das trotz der Wünsche der Großeltern mit der Hoffnung, eine Band zu gründen, von zu Hause weggegangen war. Alles sah gleich aus, bis auf den verschlafenen Gesichtsausdruck.

»Hast du in letzter Zeit etwas von Dad gehört?«, fragte Chloe.

Danielle schüttelte nur den Kopf. »Bei deinem Job dachte ich, du wärst diejenige, die irgendwas hören würde. Wenn es etwas Neues gäbe.«

»Ich habe vor einer Weile aufgehört, nachzusehen.«

»Darauf stoßen wir an«, sagte Danielle und verbarg ein kleines Gähnen mit dem Handrücken.

»Du siehst müde aus«, sagte Chloe.

»Das bin ich. Nur nicht so schläfrig müde. Der Arzt hat mich auf diese Stimmungsstabilisatoren gesetzt. Die haben meinen Schlafrhythmus durcheinandergebracht. Und wenn du als Barkeeper normalerweise erst nach drei Uhr morgens nach Hause kommst, brauchst du nicht auch noch Medikamente, die deinen Schlaf ruinieren.«

»Du hast gesagt, der Arzt hätte sie dir verschrieben. Nimmst du sie nicht mehr?«

»Nein. Sie haben meinen Schlaf, meinen Appetit und meine Libido versaut. Seitdem ich damit aufgehört habe, fühle ich mich viel besser ... nur eben die ganze Zeit müde.«

»Warum wurden sie dir überhaupt verschrieben?«, fragte Chloe.

»Damit ich mit meiner neugierigen Schwester fertig werde«, sagte Danielle, nur halb im Scherz. Sie wartete einen Moment, bevor sie Cloe eine ehrliche Antwort gab. »Ich war immer öfter depressiv. Und es kam immer wie aus dem Nichts. Ich bin damit auf eine ziemlich dumme Art umgegangen. Trinken. Sex. Muntermacher.«

»Wenn er sie wegen Depressionen verschrieben hat, solltest du sie wahrscheinlich wieder nehmen«, sagte Chloe und erkannte in dem Moment, als ihre Worte raus waren, wie aufdringlich sie war. »Wozu brauchst du überhaupt eine Libido?«, fragte sie mit einem Kichern.

»Für diejenigen von uns, die nicht gerade im Begriff sind zu heiraten, ist sie ziemlich wichtig. Wir können uns nicht einfach im Bett umdrehen und Sex haben, wann immer wir wollen.«

»Du hattest noch nie Probleme, Männer zu kriegen«, sagte Chloe.

»Und das habe ich immer noch nicht«, sagte sie und brachte Kaffeetassen an den Tisch. »Es ist einfach zu viel Arbeit. Besonders in letzter Zeit. Dieser Neue. Eine ernste Sache. Wir haben beschlossen, es langsam anzugehen ... was auch immer das heißt.«

»Das ist der einzige Grund, warum ich Steven heirate«, sagte Chloe und versuchte in die gleiche lockere Stimmung wie ihre Schwester zu kommen. »Ich hatte es satt, für Sex zu arbeiten.«

Darüber mussten sie beide lachen. Es hätte sich natürlich anfühlen sollen, wieder zusammen zu lachen, aber etwas daran fühlte sich gezwungen an.

»Also, was ist los, Schwesterchen?«, fragte Danielle. »Es sieht dir nicht ähnlich, dass du einfach so vorbeikommst. Nicht, dass ich das wissen könnte, da wir diese Gelegenheit seit fast zwei Jahren nicht mehr hatten.«

Chloe nickte und erinnerte sich an das einzige Mal, das sie in den letzten paar Jahren zusammen verbracht hatten. Danielle war für ein Konzert in Philly gewesen und war in ihrer Wohnung abgestürzt. Sie hatten ein bisschen geredet, aber nicht viel. Danielle war betrunken gewesen und auf ihrer Couch bewusstlos geworden. Ihre Mom war in dem Gespräch aufgetaucht, genau wie ihr Vater. Es war das einzige Mal, dass Chloe Danielle jemals darüber sprechen gehört hatte, ihn besuchen zu wollen.

»Dieser Tatort heute Morgen«, sagte Chloe. »Er hat mich an den Morgen vor unserer Wohnung erinnert. Ich musste immer wieder an das Blut unten an der Treppe denken und es ist mir ganz schön an die Nieren gegangen. Ich dachte, ich müsste kotzen. Eigentlich bin ich sonst nicht so, weißt du? Der Tatort selbst war ziemlich 08/15, verglichen mit einigen der Sachen, die ich schon gesehen habe. Es hat mich einfach nur schwer getroffen. Er brachte mich dazu, an dich zu denken, und ich musste dich sehen. Verstehst du das?«

»Ja. Die Stimmungsstabilisatoren ... ich bin mir ziemlich sicher, dass die ganze Depression von den Albträumen herrührt, die ich über Mom und Dad hatte. Ich hatte sie und war dann tagelang wie in Trance. Ich wollte nicht mal aufstehen, weil ich niemandem sonst auf der Welt vertraute.«

»Eigentlich wollte ich fragen, wie du damit fertig wirst, wenn du daran denkst, was passiert ist, aber ich schätze, ich kenne die Antwort, hm?«

Danielle nickte und sah weg. »Pillen.«

»Das ist deine Lösung?«

Danielle zuckte mit den Achseln, aber sie hätte Cloe genauso gut den Mittelfinger zeigen können. »Wir sind etwa zehn Minuten zusammen und schon fängst du damit an. Gott, Chloe ... hast du nicht gelernt, dein Leben zu leben, ohne diesen Scheiß mit dir rumzuschleppen? Erinnere dich daran: Als du angerufen hast, um mir zu sagen, dass du nach Pinecrest ziehst, haben wir beschlossen, nicht darüber zu reden. Schnee von gestern, erinnerst du dich?«

Chloe war sprachlos. Sie hatte gerade miterlebt, wie sich Danielle im Handumdrehen von sachlich und sarkastisch in absolut wütend verwandelt hatte. Sicher, ihre Eltern waren ein schmerzhaftes Thema, aber Danielle reagierte bipolar.

»Wie lange bist du schon ohne Medikamente?«, fragte Chloe.

»Fick dich.«

»Wie lange?«

»Drei Wochen oder so. Warum?«

»Weil ich erst seit fünfzehn Minuten hier bin und schon weiß, dass du sie brauchst.«

»Oh, danke, Frau Doktor.«

»Würdest du bitte wieder anfangen, sie zu nehmen? Ich will dich bei meiner Hochzeit dabeihaben. Als Trauzeugin, erinnerst du dich? So egoistisch es auch erscheinen mag, ich möchte, dass du es wirklich genießen kannst. Also würdest du bitte wieder anfangen, sie zu nehmen?«

Die Erwähnung der Trauzeugin hatte etwas in Danielle ausgelöst. Sie seufzte und entspannte dann ihre Haltung. Sie konnte Chloe wieder anschauen und obwohl sie noch wütend war, hatte sie auch etwas Warmes an sich.

»Okay«, sagte sie.

Sie stand vom Tisch auf und ging zu einem kleinen dekorativen Weidenkorb auf der Küchentheke. Sie zog eine Rezeptflasche hervor, schüttelte eine Pille heraus und schluckte sie mit ihrem Kaffee runter.

»Danke«, sagte Chloe. Dann hakte sie noch etwas mehr nach, weil sie spürte, dass noch etwas nicht stimmte. »Ist sonst alles in Ordnung?«

Danielle dachte einen Moment darüber nach und Chloe erwischte sie dabei, wie sie einen kurzen Blick auf ihre Wohnungstür warf. Er war sehr kurz, aber mit einem Anflug von Angst, dessen war sich Chloe sicher.

»Nein, mir geht's gut.«

Chloe kannte ihre Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie sie nicht weiter bedrängen sollte.

»Also, was zum Teufel macht man eigentlich auf so einem Straßenfest?«, fragte Danielle.

Chloe lachte; sie hatte beinahe Danielles Fähigkeit vergessen, ein Thema fallen zu lassen und ein anderes mit der ganzen Anmut eines Elefanten in einem Porzellanladen zu beginnen. Und so wurde einfach das Thema gewechselt. Chloe beobachtete ihre Schwester, um zu sehen, ob sie noch einmal mit dieser Angst in den Augen zur Tür blickte, aber es passierte nicht wieder.

Trotzdem fühlte Chloe, dass da etwas war. Vielleicht würde Danielle es ihr erzählen, wenn sie mehr Zeit miteinander verbracht hätten.

Aber was, fragte sich Chloe und warf selbst einen Blick auf die Haustür.

Und dann wurde ihr klar, dass sie ihre Schwester überhaupt nicht kannte. In manchen Dingen war sie immer noch das siebzehnjährige Gothic-Mädchen, das ihr so vertraut gewesen war. Aber es gab auch etwas Neues an Danielle ... etwas Dunkleres. Etwas, das Medikamente brauchte, um ihre Stimmung zu kontrollieren, um ihr zu helfen, zu schlafen und zu funktionieren.

Es kam Chloe in diesem Moment in den Sinn, dass sie Angst um ihre Schwester hatte und sie auf jede erdenkliche Weise helfen wollte.

Selbst wenn es bedeutete, in der Vergangenheit zu graben.

Aber nicht jetzt. Vielleicht nach der Hochzeit. Nur Gott wusste, was für Auseinandersetzungen und Stimmungsschwankungen wegen des Todes ihrer Mutter und der Inhaftierung ihres Vaters aufkommen würden. Doch Chloe fühlte die Geister ihrer Vergangenheit stärker als je zuvor, als sie mit Danielle dort saß und sich fragte, wie sehr Danielle von all dem verfolgt wurde.

Was für Geister lauerten in Danielles Kopf? Und was genau sagten sie ihr?

Wie sie einen aufkommenden Sturm spürte, wusste sie, dass alles, was Danielle unterdrückte, sie irgendwann einbeziehen würde. Ihr neues Leben. Ihr neuer Verlobter. Ihr neues Haus.

Und es würde zu nichts Gutem führen.

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