Читать бесплатно книгу «Der Müller von Angibault» Жоржа Санда полностью онлайн — MyBook

Gegen die siebente Morgenstunde kam der Patachon von gestern in die Mühle, um sich der Frau von Blanchemont wieder zur Verfügung zu stellen, und nun kam diese einigermaßen in Verlegenheit, indem sie ihren Wirten gern den um ihrer willen gemachten Aufwand vergüten wollte, und diese jede Bezahlung zurückwiesen.

»Nein, meine liebe Dame, nein«, sagte der Müller ruhig, aber bestimmt, »wir sind keine Gastwirte. Wir könnten es sein, es wäre das nicht zu gemein für uns, aber wir sind es nun einmal nicht und werden daher nichts annehmen.«

»Wie?« sagte Marcelle, »ich habe Ihnen so viel Unruhe und Aufwand verursacht, denn ich weiß, dass Ihre Mutter mir ihr Bett überließ, dass sie das Ihrige nahm und Sie auf dem Heuboden schlafen mussten, und Sie wollen mir nicht gestatten, dass ich Sie entschädige? Sie wurden von Ihren Morgenarbeiten abgehalten, um für uns zu fischen, Ihre Mutter hat unserer wegen den Backofen geheizt und sonst noch viele Mühe gehabt, auch haben wir Ihre Vorräte tüchtig gebrandschatzt.«

»O, meine Mutter hat trefflich geschlafen und ich noch besser«, versetzte Louis. »Die Forellen aus der Vauvre kosten mich nichts, es ist heute Sonntag und da pflege ich ohnehin den ganzen Morgen zu fischen. Die paar Tropfen Milch, das wenige Brot und Mehl, nebst den wenigen Stücken schlechten Geflügels, dieser Aufwand wird uns nicht zugrunde richten. So ist unsere Bewirtung von keiner großen Bedeutung und Sie können dieselbe ohne weiteres annehmen. Wir werden Ihnen das gewiss nicht anrechnen, umso weniger, da wir Sie vielleicht nie wiedersehen werden.«

»Ich hoffe doch«, entgegnete Marcelle, »denn ich beabsichtige, wenigstens einige Tage auf Blanchemont zu bleiben. Ich werde wiederkommen, um mich bei Ihnen und Ihrer Mutter für eine so herzliche Gastfreundschaft zu bedanken, wenn ich auch etwas verlegen bin, sie umsonst anzunehmen.«

»Und warum sollte es Sie in Verlegenheit bringen, wenn Sie sich von ehrlichen Leuten einen so unbedeutenden Dienst gefallen lassen? Wenn man nur mit ihrem guten Willen zufrieden ist, dann ist man mit ihnen schon im Reinen. Ich weiß zwar wohl, dass man in den großen Städten alles bezahlen muss, bis auf ein Glas Wasser herab, aber das ist ein schlechter Brauch und bei uns auf dem Lande wäre man sehr übel daran, wenn man sich nicht gegenseitig beistände. Reden wir also nicht mehr davon.«

»Aber Sie wollen also nicht, dass ich wiederkomme, um mich bei Ihnen zum Frühstück einzuladen? Sie nötigen mich, diesem Vergnügen zu entsagen, wenn ich nicht zudringlich werden will.«

»Ei, das ist eine andere Sache. Wir haben nur unsere Pflicht getan, indem wir Ihnen das erwiesen, was Sie Gastfreundschaft nennen, denn wir wurden gelehrt, dies als eine Pflicht zu betrachten, und meine Mutter und ich sind nicht willens, von alten Gebräuchen abzugehen, wenn dieselben uns gut scheinen. Wenn es in der Nachbarschaft ein ordentliches Wirtshaus gäbe, so würde ich Sie gestern hingeführt haben, indem ich gedacht hätte, Sie befänden sich dort besser, als bei uns, und wohl sah, dass Sie die Mittel besäßen, Ihre Zeche zu bezahlen. Aber es gibt hier herum keines, weder ein gutes noch ein schlechtes, und ich hätte ein recht herzloser Mensch sein müssen, wenn ich zugegeben, dass Sie die Nacht unter freiem Himmel verbrächten. Meinen Sie, ich hätte Sie eingeladen, wenn ich gedacht, Sie beabsichtigten uns zu bezahlen? Nein, denn, wie ich Ihnen schon sagte, ich bin kein Gastwirt. Sehen Sie, wir haben weder einen Schild noch einen Kranz über unserer Türe.«

»Ich hätte das bei meinem Eintritte bemerken und eine größere Zurückhaltung beobachten sollen«, sagte Marcelle. »Aber was antworten Sie auf meine Frage? Sie wollen also nicht, dass ich wiederkomme?«

»Ei, das ist eine andere Sache. Ich lade Sie ein, zu uns zu kommen, so oft Sie immer wollen. Sie finden den Ort hübsch und Ihr Kleiner liebt unsere Kuchen. Dies ermutigt mich, Ihnen zu sagen, dass Sie uns eine Freude machen, so oft Sie kommen.«

»Und Sie nötigen mich, jederzeit, wie heute, alles ›gratis‹ anzunehmen?«

»Wenn ich Sie einlade? Habe ich mich denn nicht verständlich genug ausgedrückt?«

»Und Sie sehen nicht, dass ich meinerseits auf diese Weise Ihre Gutmütigkeit missbrauchen würde?«

»Nein, das seh’ ich nicht. Ist man eingeladen, so hat man ein Recht, es anzunehmen.«

»Ach«, meinte Frau von Blanchemont, »ich bemerke, dass Sie die wahre Höflichkeit besitzen, welche uns mangelt. Sie unterweisen mich, dass die kluge Zurückhaltung, diese in unsern Gesellschaftskreisen ebenso eitle und unglückliche, als notwendige Eigenschaft, es dahin gebracht hat, dass sich das Wohlwollen in Komplimente verflüchtigt hat und die feine Lebensart jetzt mehr und mehr der Ausdruck einer wohlgemeinten Höflichkeit ist.«

»Sie sprechen gut«, versetzte der Müller, indem sein Gesicht von einem Strahl lebhaften Verständnisses erhellt wurde, »und ich bin recht froh, dass ich Gelegenheit, hatte, Sie mir zu verbinden, meiner Treu!«

»In diesem Falle werden Sie mir gestatten, Sie auch meinerseits bei mir zu sehen, wenn Sie nach Blanchemont kommen.«

»Ja … halt … Verzeihung! … aber ich werde nicht zu Ihnen kommen. Ich werde zu Ihren Pächtern gehen, wie ich oft hingehe, um Korn zu holen, und werde Sie dann mit Vergnügen begrüßen – das ist alles.«

»Ei, ei, Herr Louis, Sie wollen also nicht bei mir frühstücken?«

»Ja und nein! Ich esse oft mit Ihren Pächtern; allein wenn Sie dort sind, wird das ganz anders sein. Sie sind eine Edeldame, Punktum

»Erklären Sie sich näher, ich verstehe das nicht.«

»Sehen Sie, haben Sie nicht die Gewohnheiten der alten Edelherren beibehalten? Würde dann Ihr Müller nicht in der Küche, mit den Dienern und ohne Sie essen müssen? Nun würde mich’s zwar gar nicht verdrießen, mit den Dienstboten zu essen, denn das tue ich täglich in meinem eigenen Hause, aber das käme mir sonderbar vor, dass ich Sie heute an meiner Seite sitzen gesehen und mich morgen nicht an die Ihrige setzen dürfte. Sehen Sie, ich bin ein wenig stolz, aber ich will Sie nicht beleidigen. Jeder folgt seinen Vorstellungen und Bräuchen, und darum mag ich mich denen anderer keineswegs unterwerfen, wenn ich nicht dazu gezwungen bin.«

Marcelle wurde überrascht durch den gesunden Verstand und die edle Freimütigkeit des Müllers. Sie fühlte, dass er ihr eine treffliche Lektion gäbe, und freute sich der von ihr gefassten Entschlüsse, welche ihr gestatteten, diese Lektion anzuhören, ohne zu erröten.

»Herr Louis«, sagte sie zu ihm, »Sie täuschen sich in mir. Es ist nicht meine Schuld, dass ich dem Adel angehöre, aber glücklicherweise oder zufälligerweise will ich mich seinen Gebräuchen nicht mehr fügen. Wenn Sie zu mir kommen, werde ich nicht vergessen, dass Sie mich in Ihrem Hause empfangen haben, wie jemand Ihresgleichen, dass Sie mich bedient haben, wie Ihren Nachbar, und um Ihnen zu beweisen, dass ich nicht undankbar bin, werde ich Ihr und Ihrer Mutter Couvert eigenhändig auf den Tisch legen, wie Sie das meinige eigenhändig auf Ihren Tisch gelegt.«

»Ist’s wahr? Sie würden das tun?« fragte der Müller, indem er Marcelle mit einer Mischung von Überraschung, ehrerbietigem Zweifel und zutraulicher Sympathie betrachtete. »In diesem Falle werde ich kommen, oder werde vielmehr nicht kommen, denn ich sehe wohl, dass Sie eine honnette Frau sind.«

»Ich verstehe Sie wieder nicht recht.«

»O – verdammt! Wenn Sie mich nicht verstehen, werde ich wohl ein wenig Mühe haben, mich verständlicher zu machen.«

»Nun, Louis, ich glaube, du bist ein Narr«, nahm die alte Marie, welche während der vorhergehenden Unterhaltung ihr Strickzeug mit nachdenklicher Miene gehandhabt hatte, das Wort; »ich weiß nicht, woher du das alles nimmst, was du unserer Dame da sagst. Entschuldigen Sie, gnädige Frau, er ist ein gar sorgloser Bursche, der jedermann, Klein wie Groß, alles sagt, was ihm eben durch den Kopf fährt. Sie brauchen sich darüber nicht zu ärgern; er ist, im Grund genommen, ein guter Kerl, glauben Sie mir, und ich seh’ es ihm am Gesicht an, dass er für Sie durchs Feuer ginge.«

»Durchs Feuer wohl nicht«, bemerkte der Müller lachend, »aber durchs Wasser, denn das ist mein Element. Ihr seht wohl, Mutter, dass Madame eine Frau von Verstand ist, der man alles sagen darf, was man denkt.«

»Sprechen Sie doch, Meister Louis, sprechen Sie, ich bin so gut aufgelegt, mich zu unterrichten. Warum wollen Sie nicht zu mir kommen, da ich doch, wie Sie sagen, eine honnette Person bin.«

»Weil wir übel daran täten, allzu vertraulich mit Ihnen zu werden, und weil Sie übel daran täten, uns auf dem Fuße der Gleichheit zu behandeln. Das würde Ihnen nur Unannehmlichkeiten zuziehen, Ihre Standesgenossen würden Sie darob verachten; sie würden sagen, Sie vergäßen ihren Rang, und ich weiß, dass das in ihren Augen für eine große Sünde gilt. Und dann müssten Sie mit der nämlichen Güte, welche Sie uns bezeigten, auch alle die andern behandeln, sonst würde es uns Neider und Feinde erregen. Jeder muss seinen Weg gehen. Man sagt, dass sich die Welt seit fünfzig Jahren sehr verändert habe, ich sage aber: es hat nichts sich geändert, außer unsern Vorstellungen. Wir wollen nicht mehr so unterwürfig sein. Aber die Vorstellungen der Reichen und Vornehmen sind noch dieselben, welche sie immer waren. Wenn Sie diese Vorstellungen nicht teilen, wenn Sie die geringen Leute nicht verachten, wenn Sie ihnen die nämliche Ehre antun, wie Ihren Standesgenossen: vielleicht umso schlimmer für Sie. Ich habe Ihren Gemahl, den verstorbenen Herrn von Blanchemont, welchen einige Leute noch den Edelherrn von Blanchemont betitelten, oft gesehen. Er kam alljährlich in diese Gegend und blieb zwei, drei Tage. Er duzte uns. Wenn das in freundschaftlichem Sinn geschehen wäre, so hätte es hingehen mögen, aber es geschah nur aus Verachtung und man durfte nur höchst unterwürfig, den Hut in der Hand, mit ihm sprechen. Was mich betrifft, so kehrte ich mich wenig daran. Eines Tages begegnete er mir und befahl mir, sein Pferd zu halten. Ich tat, als hätte ich es nicht gehört. Da nannte er mich einen Tölpel. Ich begnügte mich, ihn über die Achsel anzusehen. Wäre er nicht so schwach, so elend gewesen, gewiss, ich hätte ein Wort mit ihm gesprochen. So aber wär’s von meiner Seite unrecht gewesen und ich ging singend meiner Wege. Wenn nun dieser Mann noch lebte und Sie sprechen hörte, wie Sie vorhin sprachen, müsste er sehr unzufrieden sein. Geben Sie Acht, Sie brauchen bloß die langen Gesichter Ihrer Diener anzusehen; ich hab’ es wohl bemerkt, wie sie sich verwunderten, als Sie heute mit uns und mit ihnen selbst so wenig Umstände machten. Darum, gnädige Frau, können wohl Sie Ihren Besuch in der Mühle wiederholen, wir aber, obgleich wir Sie lieb haben, tun besser, uns von dem Schlosse möglichst fernzuhalten.«

»Um des eben Gesagten willen verzeihe ich Ihnen das Übrige und verspreche mir, Sie gewiss noch zu meinem Wunsche zu bekehren«, erwiderte Marcelle, indem sie dem Müller die Hand reichte mit einer Gebärde, deren edle Sittsamkeit zu gleicher Zeit Achtung einflößte und Zuneigung erregte. Der Müller errötete, indem er diese zarte Hand in seiner ungeheuren fühlte und zum ersten Mal machte ihn die Gegenwart Marcelles schüchtern, einem kecken und guten Kinde gleich, dessen Stolz durch Rührung gebrochen wird.

»Ich will Sophie besteigen und Ihnen den Weg nach Blanchemont zeigen«, sagte er nach einem verlegenen Stillschweigen, »dieser unglückliche Patachon wäre imstande, Sie noch einmal irrezuführen, obschon es nicht weit hin ist.«

»Wohl, ich nehme dies Anerbieten an«, entgegnete Marcelle: »werden Sie aber noch einmal sagen, dass ich stolz sei?«

»Ich sage, ich sage«, rief der große Louis aus, indem er schnell hinausging, »dass, wenn alle reichen Frauen wären, wie Sie…«

Man hörte das Ende seines Ausrufes nicht und die Mutter übernahm es, den Satz zu beendigen, indem sie sagte:

»Er meint, dass er nicht solche Pein ausstehen würde, wenn das Mädchen, welches er liebt, so wenig hochmütig wäre, wie Sie.«

»Und kann ich ihm nicht vielleicht nützlich sein?« fragte Marcelle.

»Vielleicht dadurch, dass Sie der Jungfer Gutes von ihm sagen, denn Sie werden dieselbe bald kennenlernen. Aber bah, sie ist zu reich!«

»Wir wollen weiter darüber reden«, sagte Marcelle, welche ihre Leute mit dem Gepäck eintreten sah; »ich werde gewiss bald wiederkommen, vielleicht morgen schon.«

Der rothaarige, ungehobelte Patachon, der in der Dunkelheit im schwarzen Tale kein Haus hatte auffinden können, war unter einem Baume über Nacht geblieben. Bei Tagesanbruch hatte er die Mühle wahrgenommen und hatte dort für sich und sein Pferd Unterkommen und Erfrischung gefunden. In seiner schlechten Laune war er sehr geneigt, die Vorwürfe, welche er erwartete, mit Grobheiten zu erwidern. Allein einerseits machte ihm Marcelle keine Vorwürfe, andererseits überschüttete ihn der Müller so sehr mit Spöttereien, dass er ganz beschämt auf seine Deichsel stieg.

Der kleine Eduard bat seine Mutter, sich vor den Müller auf dessen Pferd setzen zu dürfen, und Louis fasste ihn liebevoll in die Arme, indem er leise zu der alten Marie sagte:

»Was meint Ihr, Mutter, wenn wir so einen Kleinen bei uns im Hause hätten? Welche Freude! Aber das wird nie der Fall sein.«

Die Mutter begriff wohl, dass er damit sagen wolle, er werde sich nie verheiraten, außer mit dem Mädchen, dessen Hand zu erhalten er nicht hoffen durfte.

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