Читать бесплатно книгу «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.» Т. Б. Маколея полностью онлайн — MyBook

Zustand von Edinburg

In Edinburg, dem Sitze der Regierung, war vollkommene Anarchie. Das Schloß, welches die ganze Stadt beherrschte, wurde durch den Herzog von Gordon noch immer für Jakob behauptet. Die große Masse des Volks bestand aus Whigs. Das Justizcollegium, ein großer juristischer Verein, zusammengesetzt aus Richtern, Advokaten, Kanzleisekretären und Anwälten, war die Veste des Toryismus, denn ein strenger Testeid hatte seit einigen Jahren die Presbyterianer von allen Zweigen des Juristenberufs ausgeschlossen. Die Juristen, einige hundert an Zahl, bildeten ein Infanteriebataillon und hielten eine Zeitlang die Menge wirksam nieder. Sie hatten jedoch soviel Achtung vor Wilhelm’s Autorität, daß sie sich beim Erscheinen seiner Proklamation auflösten. Aber das von ihnen gegebene Beispiel des Gehorsams fand keine Nachahmung. Kaum hatten sie die Waffen niedergelegt, so fanden sich Covenanters aus dem Westen, welche alle Curaten in ihrer Gegend weidlich maltraitirt hatten, in Haufen von zehn bis zwanzig Mann in Edinburg ein, um die Convention zu beschützen oder auch, wenn es nöthig sein sollte, einzuschüchtern. Glasgow allein schickte vierhundert solcher Leute. Es konnte kaum einem Zweifel unterliegen, daß sie von einem hochangesehenen Führer geleitet wurden. Sie zeigten sich wenig öffentlich, aber es war bekannt, daß jeder Keller mit ihnen angefüllt war und es stand wohl zu befürchten, daß sie auf das erste Signal aus ihren Höhlen hervorkommen und bewaffnet das Parlament umgeben würden.11

Die Frage einer Union zwischen England und Schottland in Anregung gebracht

Man hätte erwarten sollen, daß jeder patriotische und einsichtsvolle Schotte sehnlichst wünschen werde, die Aufregung beschwichtigt und eine Regierung befestigt zu sehen, die im Stande war, das Eigenthum zu schützen und dem Gesetze Ansehen zu verschaffen. Eine unvollkommene Organisation, welche rasch zu bewerkstelligen war, konnte in den Augen eines solchen Mannes wohl einer vollkommenen Organisation vorzuziehen sein, welche nur mit der Zeit möglich war. Gerade in diesem Augenblicke jedoch warf eine an Zahl wie an Befähigung starke Partei eine neue und hochwichtige Frage auf, welche nicht unwahrscheinlich das Interregnum bis zum Herbste hinziehen mußte. Diese Partei verlangte, daß die Stände Wilhelm und Marien nicht sogleich zum König und zur Königin erklären, sondern England einen Unionstractat vorschlagen und den Thron so lange vacant lassen sollten, bis ein solcher Vertrag unter vortheilhaften Bedingungen für Schottland abgeschlossen sein würde.12

Es mag auffallend erscheinen, daß ein großer Theil eines Volks, dessen oft in heroischer, zuweilen auch in komischer Gestalt sich äußernder Patriotismus sprüchwortlich geworden ist, sich so geneigt, ja sogar ungeduldig zeigte, eine Unabhängigkeit aufzugeben, welche Jahrhunderte lang über Alles hoch gehalten und mannhaft vertheidigt worden war. Allein der hartnäckige Muth, den die Waffen der Plantagenets und der Tudors nicht zu brechen vermocht, hatte angefangen, sich unter einer ganz andren Gewalt zu beugen. Zollhäuser und Tarife bewirkten bald was das Blutbad von Falkirk und Halidon, von Flodden und Pinkie nicht hatten bewirken können. Schottland hatte einige Erfahrung in den Folgen einer Union. Es war vor beinahe vierzig Jahren mit England unter Bedingungen vereinigt gewesen, welche das von Siegesstolz aufgeblähte England zu dictiren beliebte. Diese Union war in den Gemüthern des besiegten Volks mit den Begriffen Niederlage und Demüthigung untrennbar verbunden. Und doch hatte selbst diese Union, so schmerzlich sie auch den Stolz der Schotten verwundet, ihren Aufschwung gefördert. Cromwell hatte mit einer zu seiner Zeit seltenen Einsicht und Liberalität die vollkommenste Handelsfreiheit zwischen dem dominirenden und dem untergebenen Lande hergestellt. So lange er regierte, hemmte kein Verbot, kein Zoll den Waarenverkehr zwischen irgend welchen Punkten der Insel. Seine Schifffahrtsgesetze legten dem Handel Schottland’s keine Beschränkungen auf. Es stand einem schottischen Fahrzeuge frei, eine schottische Waarenladung nach Barbadoes zu bringen und Zucker von Barbadoes in den Hafen von London einzuführen.13 Deshalb war die Regentschaft des Protectors der Industrie und dem physischen Wohle des schottischen Volks förderlich gewesen. Obwohl es ihn haßte und verwünschte, gedieh es doch unwillkürlich unter ihm, und noch oft blickte es während der Verwaltung seiner legitimen Fürsten mit Sehnsucht zurück auf die goldenen Tage des Usurpators.14

Die Restauration kam und veränderte Alles. Die Schotten erlangten ihre Unabhängigkeit wieder und überzeugten sich bald, daß die Unabhängigkeit ebensowohl ihre Unannehmlichkeiten hat wie ihre Würde. Das englische Parlament behandelte sie als Fremdlinge und Nebenbuhler. Eine neue Navigationsacte stellte sie auf fast gleiche Stufe mit den Holländern. Hohe und in einigen Fällen prohibitive Zölle wurden auf die Erzeugnisse der schottischen Industrie gelegt. Es ist kein Wunder, daß eine ausnehmend betriebsame, kluge und unternehmende Nation, eine Nation, die, nachdem sie lange durch einen unfruchtbaren Boden und durch ein rauhes Klima in ihrer Entwickelung gehemmt worden war, eben jetzt trotz dieser Nachtheile zu prosperiren begann und die ihren Fortschritt plötzlich aufgehalten sah, sich für grausam behandelt erachtete. Doch es war nichts zu machen. Beschwerden waren vergebens und Repressalien unmöglich. Hätte der Souverain auch den Wunsch gehabt, so hatte er doch nicht die Macht, eine unparteiische Stellung zwischen seinem großen und seinem kleinen Königreiche zu behaupten, zwischen dem Königreiche, aus dem er ein Jahreseinkommen von anderthalb Millionen, und dem Königreiche, aus dem er ein Jahreseinkommen von wenig mehr als sechzigtausend Pfund bezog. Er wagte es eben so wenig, einem den Handel Schottland’s beeinträchtigenden englischen Gesetz seine Genehmigung zu verweigern, als einem den Handel England’s beeinträchtigenden schottischen Gesetz seine Genehmigung zu ertheilen.

Die Klagen der Schotten waren indessen so laut, daß Karl im Jahre 1667 Commissare ernannte, welche die Bedingungen eines Handelstractats zwischen den beiden britischen Königreichen feststellen sollten. Die Conferenzen wurden bald abgebrochen, und Alles was sich während ihrer Dauer ereignete, bewies, daß es nur ein Mittel gab, durch welches Schottland einen Antheil an dem commerciellen Wohlstande erlangen konnte, dessen sich England damals erfreute.15 Die Schotten mußten ein Volk mit den Engländern werden, das Parlament, das bisher in Edinburg getagt hatte, mußte dem in Westminster tagenden Parlamente einverleibt werden. Dieses Opfer mußte von einem tapferen und stolzen Volke, das seit zwölf Generationen die südliche Oberherrschaft mit tödtlichem Widerwillen betrachtet hatte und dem bei den Gedanken an den Tod Wallace’s und an die Siege Bruce’s noch immer das Herz schwoll, nothwendig mit tiefem Schmerze empfunden werden. Es gab allerdings viele allzustrenge Patrioten, die sich einer Union entschieden widersetzt haben würden, selbst wenn sie hätten voraussehen können, daß eine solche Glasgow zu einer größeren Stadt als Amsterdam machen und die öden Lothians mit Feldern und Wäldern, mit netten Farmhäusern und stattlichen Schlössern bedecken würde. Aber es gab auch eine zahlreichere Klasse, welche nicht geneigt war, große und wesentliche Vortheile aufzugeben, um bloße Namen und Ceremonien zu behalten, und der Einfluß dieser Klasse war so mächtig, daß im Jahre 1670 das schottische Parlament England directe Anträge machte.16 Der König übernahm das Amt des Vermittlers und auf beiden Seiten wurden Bevollmächtigte ernannt; aber es kam zu keinem Abschlusse.

Nachdem die Frage achtzehn Jahre lang geruht hatte, wurde sie plötzlich durch die Revolution wieder in Anregung gebracht. Verschiedene Klassen, durch verschiedene Beweggründe geleitet, trafen in diesem Punkte zusammen. Mit Kaufleuten, welche gern die Vortheile des westindischen Handels mitgenießen wollten, verbanden sich thätige und strebsame Politiker, welche ihre Talente auf einer hervorragenderen Schaubühne als dem schottischen Parlamentshause zu entfalten und aus einer reicheren Quelle als dem schottischen Staatsschatze Reichthümer zu schöpfen wünschten. Der Ruf nach Union wurde durch einige schlaue Jakobiten verstärkt, welche nur Zwietracht und Aufschub herbeizuführen wünschten und welche diesen Zweck zu erreichen hofften, indem sie in die schwierige Frage, deren Lösung die specielle Aufgabe der Convention war, eine noch schwierigere Frage mischten. Es ist wahrscheinlich, daß Einige, denen die ascetischen Sitten und die strenge Kirchenzucht der Presbyterianer nicht behagten, eine Union deshalb wünschten, weil sie das einzige Mittel zur Aufrechthaltung der Prälatur im nördlichen Theile der Insel war. In einem vereinigten Parlamente mußten die englischen Mitglieder bedeutend überwiegen, und in England wurden die Bischöfe von der großen Mehrzahl der Bevölkerung hoch in Ehren gehalten. Die bischöfliche Kirche, das war klar, ruhte auf einer schmalen Grundlage und mußte bei dem ersten Angriffe fallen. Die bischöfliche Kirche von Großbritannien konnte eine hinreichend breite und feste Grundlage haben, um allen Angriffen zu widerstehen.

Ob es im Jahre 1689 möglich gewesen wäre, eine staatliche Union ohne religiöse Union zu bewerkstelligen, darf wohl bezweifelt werden. Das aber kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine religiöse Union eine der größten Calamitäten gewesen sein würde, welche eines der beiden Königreiche treffen konnten. Die im Jahre 1707 zu Stande gebrachte Union war allerdings ein großer Segen für England wie für Schottland. Aber sie war deshalb ein Segen, weil sie, indem sie einen Staat bildete, zwei Kirchen bestehen ließ. Das politische Interesse der contrahirenden Theile war das nämliche; aber der kirchliche Streit zwischen ihnen war ein solcher, der keine Verständigung zuließ. Die Eintracht konnte daher nur dadurch erhalten werden, daß sie sich beide damit einverstanden erklärten, gesondert zu bleiben. Hätte eine Verschmelzung der Hierarchien stattgefunden, so würde eine Verschmelzung der Nationen niemals möglich gewesen sein. Aufeinanderfolgende Mitchells würden auf aufeinanderfolgende Sharpe’s geschossen haben; fünf Generationen von Claverhouse’s würden fünf Generationen von Camerons ermordet haben. Die erstaunlichen Verbesserungen, welche die Gestalt Schottland’s verändert haben, würden nie zu Stande gekommen sein. Ebenen, die jetzt reiche Ernten tragen, würden unfruchtbare Sümpfe geblieben sein. Wasserfälle, welche jetzt die Räder großartiger Fabriken treiben, würden in einer Wildniß verrauscht sein. New Lanark würde noch eine Schafweide, Greenock noch ein Fischerdorf sein. Die geringe Kraft, welche Schottland unter einem solchen System besessen haben würde, hätte bei einer Schätzung der Hülfsquellen Großbritanniens nicht hinzugefügt, sondern abgerechnet werden müssen. Mit einer solchen Bürde belastet, hätte unser Vaterland niemals, weder im Frieden noch im Kriege, eine Stelle in der ersten Reihe der Nationen einnehmen können. Leider fehlt es uns nicht an Anhalten zur Beurtheilung der Wirkung, die es auf den moralischen und physischen Zustand eines Volks hervorbringt, wenn eine Kirche, die nur von der Minderheit geliebt und verehrt, von der Mehrheit aber mit religiösem und nationalem Widerwillen betrachtet wird, in den ausschließlichen Genuß von Reichthümern und Würden gesetzt wird. Eine einzige solche Kirche ist eine hinreichend drückende Last für die Kräfte eines Reichs.

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