Sancroft war von ganz andrem Character. Er hatte sich eigentlich so wenig zu beklagen wie nur irgend Einer, der durch eine Revolution von einer hohen Stellung herabgestürzt wird. Er besaß in Fressingfield in Suffolk ein Erbgut, das ihn in Verbindung mit dem, was er sich während seines zwölfjährigen Primats erspart hatte, in den Stand setzte, wenn auch nicht so, wie er gelebt hatte, als er der erste Peer des Parlaments war, doch aber auf dem Fuße eines reichen Landedelmanns zu leben. Er zog sich auf seinen erblichen Landsitz zurück und verbrachte hier den Rest seiner Tage über das ihm zugefügte Unrecht brütend. Der Widerwille gegen die Landeskirche wurde in ihm eben so stark, als er in Martin Marprelate gewesen war. Er betrachtete Alle, die mit ihr in Gemeinschaft blieben, als Heiden und Zöllner. Tillotson gab er den Spottnamen Mufti. In dem Zimmer, das er in Fressingfield als Kapelle benutzte, durfte Niemand, der die Eide geleistet oder dem Gottesdienste eines Geistlichen, der die Eide geleistet, beigewohnt hatte, am Genusse des geweihten Brotes und Weines Theil nehmen. Es wurde jedoch ein Unterschied zwischen zwei Klassen von Sündern gemacht. Einem Laien, der noch in Gemeinschaft mit der Landeskirche blieb, war es erlaubt zugegen zu sein, so lange Gebete verlesen wurden; nur von dem höchsten der christlichen Mysterien war er ausgeschlossen. Mit Geistlichen aber, welche den im Besitze des Thrones befindlichen Souverainen Treue geschworen hatten, wollte Sancroft nicht einmal beten. Er sorgte dafür, daß die Siegel, die er eingeführt hatte, in weiten Kreisen bekannt wurde und lehrte seine Anhänger durch Vorschrift und durch Beispiel, auch den Rechtgläubigsten, Frömmsten und Tugendhaftesten von Denen, welche Wilhelm’s Autorität anerkannt hatten, mit einem Gefühle betrachten, ähnlich dem, mit welchem der Jude den Samariter betrachtete.54 Eine solche Intoleranz würde selbst bei einem Manne, der für ein großes Prinzip kämpfte, verwerflich gewesen sein. Sancroft aber kämpfte nur für einen Namen. Er war der Urheber des Regentschaftsplanes. Er war vollkommen bereit, die ganze königliche Gewalt von Jakob auf Wilhelm zu übertragen. Die Frage, welche diesem engherzigen und mürrischen Charakter wichtig genug dünkte, um das Excommuniciren von zehntausend Priestern und fünf Millionen Laien zu rechtfertigen, war die, ob der Staatsbeamte, auf den die ganze königliche Gewalt übertragen wurde, den Titel König annehmen solle. Auch konnte Sancroft den Gedanken nicht ertragen, daß die Erbitterung, die er hervorgerufen, mit seinem Leben erlöschen sollte. Nachdem er sein Möglichstes gethan, um die Fehde heftig zu machen, beschloß er sie zu verewigen. Er sandte eine Liste der Geistlichen, die aus ihren Aemtern vertrieben worden waren, nach Saint-Germains, mit dem Ersuchen, daß Jakob zwei bezeichnen möchte, welche die bischöfliche Succession aufrechterhalten sollten. Jakob, dem es ohne Zweifel ganz angenehm war, der Menge von Seelen, die er als die Schmach des Protestantismus betrachten gelernt hatte, noch um eine vermehrt zu sehen, ernannte zwei heftige und unversöhnliche Eidverweigerer, Hickes und Wagstaffe, Ersterer von Sancroft, Letzterer von Lloyd, dem abgesetzten Bischof von Norwich empfohlen.55 Dies war der Ursprung einer schismatischen Hierarchie, welche, nachdem sie eine kurze Zeit lang Besorgniß erweckt hatte, bald in Dunkel und Verachtung sank, die aber trotz Dunkel und Verachtung ihre kümmerliche Existenz noch durch mehrere Generationen schleppte. Die kleine Kirche, ohne Tempel, Einkünfte oder Würden, war durch innere Streitigkeiten sogar noch mehr zerrissen als die im Besitz von Kathedralen, Zehnten und Pairien verbliebene große Kirche. Einige Eidverweigerer neigten sich zu dem römischen Ritual, andere wollten nicht die geringste Abweichung von dem allgemeinen Gebetbuche dulden. Altar wurde gegen Altar aufgerichtet. Ein Schattenprälat erklärte die Consecration eines andren Schattenprälaten für unkanonisch, bis endlich die Hirten gänzlich ohne Heerden waren. Einer dieser geistlichen Lords wurde wohlweislich Arzt; ein andrer verließ seinen sogenannten Bischofssitz und siedelte nach Irland über, und endlich im Jahre 1805 sank der letzte Bischof dieser Gesellschaft, welche mit Stolz auf den Titel der einzig wahren Kirche England’s Anspruch gemacht hatte, unbeachtet ins Grab.56
Die Stühle der Bischöfe, welche zugleich mit Sancroft vertrieben worden waren, wurden in einer der Regierung zur Ehre gereichenden Weise besetzt. Patrick wurde Nachfolger des Verräthers Turner. Fowler ging nach Gloucester. Richard Cumberland, ein bejahrter Geistlicher, der keine Gönner bei Hofe hatte und dessen einzige Empfehlungen seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit waren, erfuhr mit Erstaunen aus einem Neuigkeitsbriefe, den er auf dem Tische eines Kaffeehauses fand, daß er zum Bischof von Peterborough ernannt war.57 Beveridge wurde zum Nachfolger Ken’s erwählt; er willigte ein und die Ernennung wurde wirklich in der London Gazette angezeigt. Doch Beveridge war wohl ein rechtschaffener Mann, besaß aber keine Seelenstärke. Einige Jakobiten machten ihm Vorstellungen, andere Vorwürfe, der Muth sank ihm, und er nahm seine Zusage zurück. Während die Eidverweigerer über diesen Sieg frohlockten, wurde er wieder andren Sinnes, aber zu spät. Er hatte sich durch seine Unschlüssigkeit Wilhelm’s Gunst verscherzt und erhielt erst eine Mitra, als Anna auf dem Throne saß.58 Das Bisthum Bath und Wells wurde Richard Kidder verliehen, einem Manne von hervorragender Bildung und makellosem Character, der aber in dem Verdacht stand, daß er sich zum Presbyterianismus hinneige. Um die nämliche Zeit nahm Sharp, der Hochkirchlichste, der einen Skrupel deshalb hegte, daß er der Nachfolger eines abgesetzten Prälaten werden sollte, das durch Lamplugh’s Tod zur Erledigung gekommene Erzbisthum York an.59
In Folge der Erhebung Tillotson’s auf den Stuhl von Canterbury wurde die Dechanei von St. Paul erledigt. Sobald der Name des neuen Dechanten bekannt wurde, brach ein Geschrei los, wie es vielleicht nie eine kirchliche Ernennung veranlaßt, ein Geschrei, zusammengesetzt aus Gebrüll des Hasses, aus Gezisch der Verachtung und aus halb triumphirenden, halb beleidigenden Willkommrufen: denn der neue Dechant war Wilhelm Sherlock.
Die Geschichte seiner Bekehrung verdient ausführlich erzählt zu werden, denn sie wirft ein helles Licht auf den Character der Parteien, welche damals die Kirche und den Staat spalteten. Sherlock war, dem Einflusse und dem Rufe, wenn auch nicht dem Range nach, der bedeutendste Mann unter den Eidverweigerern. Seine Autorität und sein Beispiel hatten einige seiner Collegen, welche anfangs geschwankt hatten, dazu bestimmt, ihre Stellen niederzulegen. Der Tag der Suspension kam, der Tag der Absetzung kam, und noch blieb er fest. Er schien in dem Bewußtsein der Rechtschaffenheit und in der Betrachtung der unsichtbaren Welt reichen Ersatz für alles Verlorene gefunden zu haben. Während er von der Kanzel ausgeschlossen war, wo seine Beredtsamkeit einst die gelehrten und gebildeten Inwohner des Temple entzückt hatte, schrieb er seinen berühmten Treatise on Death, welcher viele Jahre lang auf den Bücherbrettern ernster Arminianer zunächst neben The Whole Duty of Man stand. Bald jedoch begann man zu argwöhnen, daß seine Festigkeit schwanke. Er erklärte, daß er keinen Theil an einem Schisma haben wolle, er rieth Denen, die sich bei ihm Raths erholten, ihre Pfarrkirchen nicht zu verlassen, und da er sah, daß das Gesetz, das ihn seines Amtes enthob, ihm nicht verbot, Gottesdienst zu halten, predigte er sogar in St. Dunstan und betete dort für König Wilhelm und Königin Marie. Die apostolische Vorschrift, sagte er, laute dahin, daß für alle obrigkeitliche Gewalt Habenden gebetet werden solle, und Wilhelm und Marie hätten sichtbar obrigkeitliche Gewalt. Seine jakobitischen Freunde tadelten laut seine Inconsequenz. Wie können Sie, fragten sie, wenn Sie annehmen, daß der Apostel an dieser Stelle von der bestehenden Obrigkeit spricht, behaupten, daß er an anderen ähnlichen Stellen nur von rechtmäßiger Obrigkeit spricht? Oder wie können Sie, ohne zu sündigen, in einer feierlichen Anrede an Gott Jemanden als König bezeichnen, dem Sie nicht als König zu gehorchen versprechen können, ohne zu sündigen? Diese Argumente waren unwiderlegbar, und Sherlock begann bald sie ebenfalls dafür zu halten; der Schluß aber, zu dem sie ihn führten, war dem Schlusse zu dem sie ihn führen sollten, diametral entgegengesetzt. Er schwankte jedoch, bis von einer Seite, von der man wenig Grund hatte etwas Andres als zehnfache Finsterniß zu erwarten, ein neues Licht in seinen Geist fiel. Unter der Regierung Jakob’s I. hatte Doctor Johann Overall, Bischof von Exeter, eine gelehrte Abhandlung über die Rechte bürgerlicher und kirchlicher Regenten geschrieben. Diese Abhandlung war von der Convocation von Canterbury und York feierlich gutgeheißen worden und konnte daher als eine Autorität habende Darstellung der Lehre der englischen Kirche betrachtet werden. Sancroft besaß eine Abschrift des Manuscripts und er ließ es bald nach der Revolution durch den Druck veröffentlichen. Er hoffte ohne Zweifel, die Veröffentlichung werde der neuen Regierung schaden; aber er sah sich vollständig getäuscht. Das Buch verwarf zwar jeden Widerstand in eben so starken Ausdrücken, als er selbst sie hätte anwenden können; aber eine Stelle, die seiner Beachtung entgangen war, entschied gegen ihn und seine Mitschismatiker. Overall und die beiden Convocationen, welche Overall’s Lehre sanctionirt hatten, erklärten, daß eine Regierung, die aus einem Aufstande hervorgegangen sei, sobald sie vollkommen feststehe, als von Gott angeordnet betrachtet werden und daß die Christen ihr gehorchen müßten.60 Sherlock las und war überzeugt. Seine ehrwürdige Mutter, die Kirche, hatte gesprochen und er nahm ihr Gebot mit der Folgsamkeit eines Kindes an. Die aus der Revolution hervorgegangene Regierung konnte wenigstens seit der Schlacht am Boyne und der Flucht Jakob’s aus Irland mit gutem Grunde eine feststehende Regierung genannt werden, und es gebührte ihr daher passiver Gehorsam, bis sie durch eine neue Revolution gestürzt wurde und eine andre feststehende Regierung auf sie folgte.
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