Читать бесплатно книгу «Rudin» Ивана Тургенева полностью онлайн — MyBook
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Auch in gegenwärtigem Augenblicke lebte er bei einer; reichen Gutsbesitzerin, Darja Michailowna Laßunski, als Pflegesohn oder Kostgänger. Er war überaus freundlich, dienstbereit, gefühlvoll und im Geheimen sinnlich, hatte eine angenehme Stimme, spielte nicht schlecht Klavier und pflegte Jedermann, mit dem er sprach, starr anzublicken. Seine Kleidung war sehr sauber und hielt bei ihm lange vor, sein breites Kinn war sorgfältig rasirt und sein Haar stets glatt gekämmt.

Alexandra Pawlowna hörte seine Anrede bis zu Ende an und wandte sich daraus zu ihrem Bruder.

– Heute begegne ich Einem nach dem Andern; soeben habe ich Leschnew gesprochen.

– Ah! wirklich!

– Ja; und denke nur, er fuhr auf einer Reitdroschke, in einem linnenen Sackkittel, ganz von Staub bedeckt . . . Ein wahrer Sonderling!

– Mag sein! er ist aber ein prächtiger Mensch.

– Was? Herr Leschnew? fragte Pandalewski verwundert.

– Nun, Michael Michailitsch Leschnew, erwiederte Wolinzow. – Indessen, lebe wohl, Schwester: ich muß jetzt auf’s Feld; es wird bei Dir Buchweizen gesäet. Herr Pandalewski wird Dich nach Hause begleiten.

Und Wolinzow trabte davon.

– Mit dem größten Vergnügen! rief Constantin Diomiditsch und bot Alexandra Pawlowna seinen Arm.

Sie reichte ihm den ihrigen, und Beide schlugen den Weg zum herrschaftlichen Hause ein.

* * *

Arm in Arm mit Alexandra Pawlowna zu wandeln erfüllte, wie es schien, Constantin Diomiditsch mit Glück und Stolz; er machte nur kurze Schritte, lächelte mit Behagen, und seine morgenländischen Augen wurden feucht, was übrigens bei ihm nicht selten vorkam: es kostete ihm wenig, gerührt zu werden und eine Thräne fallen zu lassen. Und wem wäre es wohl nicht angenehm, ein hübsches, junges und schmuckes Weib am Arme zu führen? Von Alexandra Pawlowna sagte das ganze . . .sche Gouvernement, sie sei reizend, und das . . . sche Gouvernement täuschte sich nicht. Schon ihr gerades, unmerklich aufgeworfenes Näschen konnte jeden Sterblichen um den Verstand bringen, wie viel mehr die sammetweichen, braunen Augen, das goldblondene Haar, und die Grübchen auf den vollen Wangen, ihrer vielen anderen Vorzüge gar nicht zu gedenken. Das Beste an ihr war jedoch der Ausdruck ihres lieblichen Gesichts: durch Zutraulichkeit, Treuherzigkeit und Sanftmuth rührte und zog es an. Alexandra Pawlowna hatte den Blick und das Lachen eines Kindes; die Damen ihres Standes fanden sie etwas einfach . . . Ließ sich wohl Mehr wünschen?

– Darja Michailowna hätte Sie zu mir geschickt, sagten Sie? fragte sie Pandalewski.

– Gewiß- sie haben mich hergeschickt, erwiederte er, und er sprach dabei den Buchstaben s, wie die Engländer das th aus: – sie wünschten durchaus und lassen inständigst ersuchen, Sie wollten sie heute zu Mittag besuchen. Sie erwarteten einen neuen Gast (Pandalewski, wenn er von einer dritten Person redete, gebrauchte in der Regel die Mehrzahl): – und wünschten durchaus, daß Sie dessen Bekanntschaft machen.

– Wer ist das?

– Ein gewisser Muffel, ein Baron, Kammerjunker aus Petersburg. Darja Michailowna haben ihn unlängst, beim Fürsten Garin kennen gelernt, und sind des Lobes über ihn voll, als über einen liebenswürdigen und gebildeten jungen Mann. Der Herr Baron beschäftigen sich auch mit Literatur, oder richtiger gesagt . . . ach, was für ein reizender Schmetterling! bitte, betrachten Sie . . . oder richtiger gesagt, mit politischer Oekonomie. Er hat einen Aufsatz über eine sehr interessante Frage geschrieben – und wünscht ihn dem Urtheil von Darja Michailowna zu unterwerfen.

– Einen Aufsatz über politische Oekonomie?

– Ja Bezug auf den Styl, Alexandra Pawlowna, in Bezug aus den Styl. Es ist Ihnen wohl, denke ich, bekannt, daß Darja Michailowna auch hierauf sich versteht- Schutowski hat sie zu Rathe gezogen und mein Wohlthäter, der in Odessa lebende hochehrenwerthe, großwürdige Roxolan Mediarowitsch Xandrika . . . Der Name dieses Mannes ist Ihnen gewiß bekannt?

– Ganz und gar nicht, ich habe ihn noch nie gehört.

– Haben von diesem Manne nichts gehört? Merkwürdig! Ich wollte sagen, daß auch Roxolan Mediarowitsch jederzeit eine hohe Meinung von den Kenntnissen Darja Michailowna’s in der russischen Sprache gehabt hat.

– Ist jener Baron nicht ein Pedant? fragte Alexandra Pawlowna.

– Nicht im Geringstem Darja Michailowna sagen, im Gegentheil, man erkenne in ihm sogleich den Mann von Welt. Von Beethoven hat er mit solcher Beredsamkeit gesprochen, daß sogar den alten Fürsten Entzücken überkam . . . Das, muß ich gestehen, hätte ich gern mit angehört: das schlägt ja in mein Fach. Darf ich Ihnen dieses herrliche Feldblümchen anbieten?

Alexandra Pawlowna nahm das Blümchen und ließ es, einige Schritte weiter, auf den Weg fallen . . . Bis zu ihrem Hause hatte sie noch etwa zweihundert Schritte, nicht mehr. Vor Kurzem gebaut und weiß getüncht, schaute es mit seinen breiten hellen Fenstern einladend aus dem dichten Laube alter Linden und Ahornbäume hervor.

– Was hätte ich also Darja Michailowna zu hinterbringen, begann Pandalewski von Neuem, ein wenig beleidigt durch das Schicksal, welches sein Blümchen betroffen hatte: – werden Sie sich zum Mittage hin bemühen? Darja Michailowna lassen Ihren Bruder auch einladen.

– Ja, wir werden kommen, ganz bestimmt. Was macht Natascha?

– Natalia Alexejewna ist, Gott sei Dank, gesund . . . Doch wir sind an dem Wege, welcher zum Gute Darja Michailowna’s führt, schon vorbei. Erlauben Sie, daß ich Abschied nehme.

Alexandra Pawlowna blieb stehen« – Sie wollen also nicht bei uns vorsprechen? fragte sie zögernd.

– Würde es herzlich gern thun, wenn ich nicht befürchtete, zu spät zu kommen. Darja Michailowna haben gewünscht, eine neue Etüde von Thalberg zu hören: da muß denn vorbereitet und einstudirt werden. Dann aber, muß ich gestehen, bezweifle ich, daß meine Unterhaltung Ihnen irgendwelches Vergnügen bereiten könnte.

– Doch nein . . . warum aber . . .

Pandalewski stieß einen Seufzer aus und senkte beredt den Blick.

– Auf Wiedersehen, Alexandra Pawlowna! sagte er nach einigem Schweigen, verbeugte sich und trat einen Schritt zurück.

Alexandra Pawlowna wandte sich um und ging nach Hause.

Auch Constantin Diomiditsch schlug den Rückweg ein. Alles Süßliche war sogleich von seinem Gesichte verschwunden: ein selbstvertrauender, ja harter Ausdruck hatte es ersetzt. Sein Gang sogar war ein anderer geworden; er schritt jetzt rascher vorwärts und trat fester auf. Zwei Werst mochte er gegangen sein, nachlässig die Luft mit seinem Stückchen zertheilend, als plötzlich das schmunzelnde Lächeln wiederkehrte: er war hart am Wege ein junges, ziemlich hübsches Bauernmädchen gewahr worden, das Kälber aus einem Haferfelde hinaustrieb. Constantin Diomiditsch näherte sich, vorsichtig wie ein Kater, dem Mädchen und redete es an. Anfangs antwortete es nichts, wechselte die Farbe und lachte vor sich hin, dann bedeckte es den Mund mit dem Aermel, wandte sich ab und sagte:

– Geh doch, Herr, wahrhaftig . . .

Constantin Diomiditsch drohte ihr mit dem Finger und hieß sie ihm Kornblumen holen.

– Wozu brauchst Du Kornblumen?« willst Du etwa Kränze flechten? erwiederte das Mädchen: – nun, so geh doch, aber wirklich . . .

– Höre, mein schönes Liebchen, begann wieder Constantin Diomiditsch . . .

– Nun geh aber endlich, unterbrach ihn das Mädchen: – sieh, da kommen die jungen Herren.

Constantin Diomiditsch blickte sich um. Wirklich, auf dem Wege daher kamen Wanja und Petja, die Söhne der Darja Michailowna; hinter ihnen her schritt ihr Lehrer, Bassistow, ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, der eben erst seine Studien beendet hatte. Bassistow war ein langer Bursche, mit gewöhnlichem Gesichte, großer Nase, starken Lippen und kleinen Augen, unbeholfen, nicht hübsch, aber gut, ehrlich und gerade. Er trug sich nachlässig, ließ sich das Haar wachsen, – nicht um damit zu stolzieren, sondern aus Faulheit; – liebte zu essen und zu schlafen, aber auch ein gutes Buch und anregende Unterhaltung; Pandalewski haßte er von ganzer Seele.

Die Kinder der Darja Michailowna hatten Bassistow über Alles lieb und nicht die geringste Furcht vor ihm; mit den übrigen Hausgenossen stand er auf vertrautem Fuße, was der Dame des Hauses gerade nicht gefiel, obwohl sie oft behauptete, von Vorurtheilen frei zu sein.«

– Guten Tag, meine Lieben, sagte Konstantin Diomiditsch: – wie früh ihr heute spazieren geht! Ich bin auch schon zeitig vom Hause fortgegangen, setzte er, zu Bassistow gewendet, hinzu; – meine Leidenschaft ist’s, in der Natur zu schwelgen.

– Wir haben es gesehen, wie Sie in der Natur schwelgen, brummte Bassistow.

– Sie sind ein Materialist: Sie sehen gleich in Allem etwas . . . Ich kenne Sie!

Wenn Pandalewski mit Bassistow, oder diesem ähnlichen Leuten redete, so gerieth er leicht in Eifer und sprach den Buchstaben s rein und oft etwas pfeifend aus.

– Sie haben sich also wohl bei jenem Mädchen nach dem Wege erkundigt? sagte Bassistow, indem er den Blick bald rechts- bald linkshin schweifen ließ.

Er empfand es, daß Pandalewski ihm starr in’s Gesicht blickte, und das war ihm äußerst peinlich.

– Ich wiederhole es, Sie sind ein Materialist und weiter nichts. Sie wollen in Allem durchaus nur die prosaische Seite sehen . . .

– Kinder, commandirte plötzlich Bassistow: – ihr seht auf der Wiese den Weidenbusch: wir wollen doch sehen, wer am schnellsten dorthin läuft . . . eins! zwei! drei!

Und über Hals und Kopf rannten die Kinder zu der Weide.

Bassistow stürzte ihnen nach . . .

»Der Lümmel!« dachte Pandalewski: – »verderben wird er die Jungen . . . Ein wahrer Bauerlümmel!«

Und mit selbstgefälligem Blicke sein eigenes sauberes und nettes Figürchen musternd, betupfte Constantin Diomiditsch zwei Mal mit ausgespreizten Fingern die Aermel seines Rockes, schob den Kragen zurecht und ging seines Weges. Auf seinem Zimmer angelangt, zog er einen abgetragenen Schlafrock an, und setzte sich mit besorgter Miene an’s Clavier.

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