Читать бесплатно книгу «Aus dem Matrosenleben» Friedrich Gerstäcker полностью онлайн — MyBook

Zweites Capitel.
Der Markt in Sydney

Ein Sonnabend Abend in Sydney ist das lebendigste, was die sonst gewiß nicht todte Stadt nur irgend aufzuweisen hat. Alles scheint auf den Beinen zu sein, und wen nicht besondere Geschäfte hinaustreiben, den läßt die Neugierde schon nicht zu Hause, und er muß wenigstens einmal »durch den Markt gehen.«

Der englische Sonntag trägt hiervon allein die Schuld. Da er sehr streng gehalten wird, kann man an diesem Tag natürlich gar Nichts zu kaufen bekommen. In vielen, sehr orthodoxen Haushaltungen, wird sogar schon am Sonnabend Alles für den Sonntag gekocht, gebraten und vorbereitet, damit der Sabbath durch nichts Alltägliches entweiht werde. Der äußerste Termin aber, für Fromme und Nichtfromme, was man braucht noch zu bekommen, ist der Sonnabend Abend, und Fleischer, Gärtner, Obst- und Blumenhändler, überhaupt Alle, die nur irgend etwas Wirthschaftähnliches zu verkaufen haben, drängen sich an diesem Abend herzu, es auszulegen.

Jeder wetteifert dabei mit dem Andern, seinen Stand so einladend als möglich herzurichten, und ganz besonders schmücken die Fleischer ihre Buden mit fetten Hammeln und feisten Ochsen. Große Brode von ausgelassenem Talg bilden die Säulen, und hie und da bringt ein ausgeschlachtetes und bei den langen Hinterläufen aufgehangenes Känguruh oder Wallobi, Abwechselung in die sonst etwas monotonen Fleischspeisen.

Der Markt von Sydney besteht aus vier langen, hohen, luftigen und höchst praktisch eingerichteten Gebäuden, die übrigens noch auf eine bedeutende Vergrößerung der Stadt berechnet waren, denn sie wurden damals nur zur Hälfte benutzt. Eines stand wenigstens ganz leer, und ein zweites hatte einen sehr geringen Theil seiner Stände erst in Gebrauch.

Das eine von diesen ist ausschließlich für rein animalische Erzeugnisse bestimmt, und hier fallen neben den Schlächtern am meisten die reinlichen Butter- und Käsestände ins Auge; mit ihren aufgehäuften Massen von Hühner- und Enteneiern, mit ihren Schmalz- und Butterkufen, und den gelb glänzenden, hell durchschnittenen Käsen, die den Vorübergehenden aus ihren tausend Argusaugen verlangend nachschauen.

Neben diesem befinden sich ebenfalls die Stände mit Geflügel, mit diesem aber gehts den Bewohnern von Sydney wie mit dem Fleisch, sie haben keine Abwechselung darin, weil ihnen das wilde Geflügel, wilde Enten ausgenommen, fehlt, und immer und ewig sind Hühner, Tauben oder Truthühner das einzige was ihrem Gaumen geboten wird. Im Land drin gibt es allerdings hie und da viel kleine Rebhühner, Wachteln und einige andere Arten; wer die schießt, ißt sie aber auch gewöhnlich selber, und sie kommen nicht auf den Markt.

Aus diesen Tausenden, der menschlichen Gier gemordeten Leben, tritt man jedoch in ein viel freundlicheres Bild ein, sobald man den schmalen Gang überschreitet und in das andere, rein vegetabilischen Erzeugnissen bestimmte Gebäude kommt. Die vorragendste Stellung nehmen hier unstreitig die in wahren Unmassen aufgestapelten und geschütteten Orangen oder Apfelsinen ein. Die australische Orange ist dabei vorzüglich, und im Verhältniß auch billig genug, und wird viel consumirt. Ueber diesen hängen Ananas von Moreton-Bay, und aufgeschichtete Wände von Blumenkohl und anderen Gemüsen bilden den Hintergrund. Es war jetzt gerade nicht die eigentliche Fruchtzeit, sonst hätten auch noch Pfirsiche und Feigen einen nicht unbedeutenden Platz hier angefüllt.

Am schwächsten war der Blumenmarkt vertreten – die Australier haben wenig Sinn für Blumen – auf dem ganzen Markt wäre kein schöner geschmackvoller Strauß aufzufinden gewesen.

Blumen sind aber auch das, wonach die Menschen am wenigsten verlangten. – Etwas Compactes wollten sie haben, Roastbeef und Blumenkohl oder Weißkraut – Hammelskeulen und Zwiebeln – was halfen ihnen die Blumen, die waren ja doch nur zum Ansehen.

Durch dieses »Vegetabilische Marktgebäude«, wenn ich es so nennen darf, schlenderten langsam, und mit der Miene von Leuten, die nichts auf der Gotteswelt, am wenigsten aber Zeit zu verlieren haben, vier Matrosen – der erste Blick auf ihre weit zurückgesetzten Hüte und blauen Jacken ließ sie als solche erkennen – und sahen sich ziemlich gleichgültig die rechts und links aufgestapelten Fruchtmassen, und zu ihrer Schande muß ich's gestehen, ebenso gleichgültig auch die manchmal wirklich lieben und freundlichen Gesichtchen an, die geschäftig zwischen den einzelnen Ständen hin- und herglitten, und ihre Einkäufe für den morgenden Tag besorgten. Sie waren eben hierhergekommen, weil sie alle anderen Menschen hatten hierher gehen sehen, und ihr Spaziergang schien eher den Grund zu haben, ihre Beine wieder einmal »gegen Straßenpflaster zu reiben« als irgend etwas anderes.

»Du, Jack«, sagte da endlich der eine von ihnen zu dem vorangehenden, »braß einmal hier einen Augenblick back und leg ein halb Dutzend von den Apfelsinen ein.«

»Hast du Geld?« wandte sich der also Angesprochene langsam nach ihm um – »mir hat der Alte heute Abend keinen Penny geben wollen. – Er sagte, er hätte es heute ganz vergessen Geld mitzubringen, wir sollten aber morgen früh jeder ein Pfund haben, und dann möchten wir noch einen Sonntag Abend, wenn wir wollten, an Land gehen – den Dienstag Morgen legte er in die Bay hinaus. Er war verdammt gesprächig.«

»So? dann traue ich ihm gerade am allerwenigsten«, meinte der andere, »er hat übrigens höllische Angst daß wir ihm auskneifen, und verdient hätt' er's zehnmal. – Wenn man nur wegkommen könnte. Die Straße in die Minen soll ganz besetzt mit Polizeidienern sein, und hier versteckt Einen auch niemand. – Die Strafe ist zu groß, wenn sie erwischt werden.«

»Du, sprich nicht so laut«, sagte der dritte – »ich habe da hinten eben unseren Steward gesehen, der Grünes einkaufte. Wenn der ein Wort aufschnappen kann, bringt er's dem Alten brühheiß wieder. Das wäre so Wasser auf seine Mühle – er traut uns überhaupt nicht.«

»Hat auch alle Ursache dazu«, brummte der erste, und zog sich die Hosen etwas höher über die Hüften – »wie ich wenigstens jetzt gestimmt bin, trau' ich mir selber nicht, und sollte mich gar nicht wundern, wenn ich mich morgen oder übermorgen früh einmal in irgend einem dunklen aber sicheren Winkel weggestaut fände, und dort krumm läge, bis der Boreas beim – Boreas wäre – oder sonst wo, wohin er immer Lust hat. Es ist schon schlimm genug bei dem alten Schuft Matrose zu sein, wie viel weniger denn Pferdejunge.«

Der eine von ihnen, der etwas Geld bei sich hatte, war bei dem nächsten Obststand stehen geblieben und hatte seinen Hut voll Apfelsinen gekauft.

»Wo sind denn die übrigen?« frug er seinen Cameraden, als er sie wieder eingeholt, »ich dachte, es hätte uns heute Abend irgend jemand irgendwo sprechen wollen?«

»Die sitzen im goldenen Kreuz in Pittstreet«, lautete die Antwort, »ein Irländer hat dort eine Schenke, und da wollten wir heute Abend zusammenkommen.«

»Aber was machen die Deutschen und Franzosen bei dem Irländer?«

»O, er hat eine Frau, vom Rhein glaub' ich, die deutsch und französisch spricht – und dann ist noch ein wunderhübsches Mädchen im Hause – Jean hat sich schon sterblich in die verliebt.«

»Das passirt Jean sehr oft«, sagte der Engländer trocken – »Das könnte er billiger haben. Aber kommt; es wird Zeit – es muß schon acht Uhr sein.«

»Zum Donnerwetter – da ist der Alte« – rief plötzlich der eine von ihnen, und als sie sich umsahen, war ihr würdiger Capitän auch schon dicht hinter ihnen. Er sah sie aber nicht – die breiten Schultern suchten sich, herüber und hinüber arbeitend, Bahn durch das Gedränge zu brechen, und jedenfalls hatte er irgend ein Ziel dem er nachstrebte, denn er schaute weder rechts noch links, und das Gebäude entlang konnten sie der langen riesigen Gestalt mit dem dicken rothen Gesicht, mit den Augen folgen.

»Da schwimmt er hin«, sagte der erste lachend – »mit einer fliegenden Fahrt vor dem Wind. Möchte nur wissen auf was er Jagd macht.«

»Wahrscheinlich auf das kleine Fahrzeug da vor ihm, mit dem schwarzseidenen Jäckchen. Ob er uns wohl gesehen hat? Er guckte aber gar nicht her.«

»O Gott bewahre«, lachte ein anderer. »Der nahm eben ganz genaue Peilung voraus und scheert sich auch überhaupt den Teufel um uns. Sobald wir nur immer zur rechten Zeit an Bord kommen und kein Geld von ihm wollen, sind wir ihm gut genug. In allem anderen können wir zum Teufel gehen. Aber kommt, wir halten hier gerade durch Georgestreet durch und die kleine Straße hinunter. An der nächsten Ecke gehen wir über Stag, und dann haben wir reines Fahrwasser, bis wir das goldene Kreuz über der Thüre sehen.«

Die vier Matrosen verließen das Marktgebäude und gingen Marktstreet hinunter nach Pittstreet zu, der sie aufwärts folgten. Am Courthaus standen zwei Männer in dunklen Ueberröcken und Mützen. Sie sahen den Matrosen nach, und der eine von ihnen sagte leise:

»Weißt du von welchem Schiff die sind? im Markthaus machte mir der eine ein paar sehr verdächtige Bemerkungen; ich möchte wohl wissen wo sie hingehen. Wenn ich nicht irre, so nannte der eine den Namen Boreas – sind sie von dem Schiff, so können wir nur immer die Augen offen haben.«

»Weit marschiren werden sie nicht«, sagte der zweite, »und da brauchen wir ja nur einmal mitzugehen.«

Die beiden Männer folgten langsam den vier Matrosen, bis diese in der Thür des goldenen Kreuzes verschwanden – dann blieben sie auf der anderen Seite der Straße stehen.

»Wollen wir einmal hinein?« sagte der eine.

»Ja, aber jetzt noch nicht«, entgegnete ihm der andere – »es ist noch zu früh. Wir müssen ihnen ein Weilchen Zeit lassen, bis sie erst ein halb Duzend Gläser im Kopf haben.« Und mit diesen Worten gingen sie langsam die Straße wieder hinunter nach dem Theater zu, wo um diese Zeit das regste Leben war.

Laß sie gehen, lieber Leser – es sind zwei verkleidete Polizeidiener, und die melden sich immer schon von selber wieder. Wir wollen indessen einmal in das goldene Kreuz treten, und zusehen ob sie da drinnen guten Portwein haben.

Drittes Capitel.
Die Matrosenkneipe

Das goldene Kreuz zeichnete sich vielleicht in nichts, als eben seinem frommen Aushängschild vor den übrigen tausend Schenken Sydney's aus, wo der Wirth über der Thür die vom Staat erhaltene Erlaubniß mit den stereotypen Worten anzeigt: »Licensed to sell spirituous and fermented liquors,« was er sich selber übersetzt – »Du darfst jeden Schund verkaufen den man nur in eine Flasche gießen, und aus einem Glase trinken kann.«

Im Innern sah es aber reinlich und selbst behaglich genug aus, denn es ist kaum so sehr des Wirths Vortheil seine Gäste hereinzulocken, als sie nachher darin zu halten. Das große mittlere Fenster, das die halbe Wand einnahm, war inwendig mit weißer Farbe leicht überstrichen und nur auf den Scheiben prangten oben die Worte »Wine Vaults«, und rechts und links »London Porter« und »Baß's Ale«, zierlich mit Wein und Hopfenreben umrankt. Im Innern aber standen oben auf den blank lackirten Gefachen messingbeschlagene kleine Fäßchen, mit ihrem Inhalt in sauberen goldenen Buchstaben darauf verzeichnet, und reinliche geschliffene Caraffen mit neusilbernen gravirten Schilden.

Nur rechts und links war das schwere Geschütz, eine dunkle Batterienmasse von Ale- und Porterflaschen mit ihren bleiernen Deckseln, aufmarschirt, und unten lagen kleine rundbäuchige weiße Glasflaschen, fest zugebunden, mit Sodawasser und moussirender Limonade, wie denn auch an der Wand eine Hand mit einer daringehaltenen Sodaflasche die werthe Adresse des Fabrikanten jedem verkündigte, der sich nur die Mühe geben wollte sie zu lesen.

Auf dem Ladentisch waren die nach unten niedergehenden Pumpen mit elfenbeinernen Knöpfen angebracht, draught Ale and Porter gleich frisch heraufzuziehen und rings im Zimmer aufgestellte Tische und Stühle mit kleinen, heimlichen, hölzernen Verschlägen, in die nur höchstens immer vier Menschen hineinpaßten. Diese hatten statt der Thüren Gardinen.

Hinter dem Schenktisch stand auf der einen Seite der Wirth, eine vierschrötige pockennarbige Gestalt mit rothen Haaren und kleinen aber verschmitzten Augen, und einem besonderen humoristischen Zug um den Mund. Es war der Irländer Mac Carther und der Eigenthümer des goldenen, und eines anderen Kreuzes, das mit weißer Schürze und kleiner blumenbesetzter Mütze an der anderen Seite hinter dem Schenktisch stand, und die bestellten Gläser füllte. Das flinke Schenkmädchen, Polly, trug sie dann an den Ort ihrer Bestimmung, und cokettirte dabei nach besten Kräften mit den Gästen. Mac Carther zog die Propfen aus den Flaschen und spülte die Gläser aus.

Mrs. Mac Carther kann ich mit wenigen Worten schildern – Sie war eine Elsässerin mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen, etwa 30 Jahr alt, was man ihr aber kaum ansah, und von resolutem festem Charakter, wie denn auch Mac Carther, der sonst gewiß nicht zu den Schwächlingen gehörte, nicht umhin konnte zu bezeugen. Daran war kein Zweifel, sie regierte das Kreuz, und da sich dasselbe unter den zarten Händen ungemein wohl befand, und an Gästen und Einnahmen fast wöchentlich wuchs, fügte sich auch Mac Carther sehr gern dieser Autorität, und begnügte sich, daneben nur noch allerlei kleine Beigeschäfte auf seine eigene Hand zu treiben. Doch davon später.

...
6

Бесплатно

0 
(0 оценок)

Читать книгу: «Aus dem Matrosenleben»

Установите приложение, чтобы читать эту книгу бесплатно