Unglücklicher Weise kannte ich in Nottingham, um mich in die Welt einzuführen, durchaus Niemand als jenen Handelsmann, dem ich vier und fünfzig Pfund Sterling schuldete, die jährlich zu vier Pfund zahlbar waren. Die Logik sagte mir, daß dieser Mann alles Interesse dabei hätte, mich mein Vorhaben gelingen zu lassen, da er, wenn er mich auf den Weg des Glückes führte, nicht allein seine Forderung sicherte, sondern auch noch die Bezahlung derselben beschleunigte, weil es leicht zu begreifen war, daß ich von dem Tage an, wo ich mein Glück gemacht, nicht eine so armselige Schuld zurücklassen würde. Ich beschloß daher, obgleich ich ihm in der Wirklichkeit die vier Pfund erst am Ende des Jahres schuldig war, ihm dennoch, da das erste Quartal dieses Jahres abgelaufen, ein Pfund zu überbringen, das ich von den drei oder vier Guineen nahm, die mir übrig blieben. Das war ein Opfer, aber ohne allen Zweifel würde diese Vorausbezahlung meinen Gläubiger günstig für mich stimmen, und mir durch eine geschickte Spekulation bei weitem mehr eintragen, als eine Guinee, wäre sie auch auf die höchsten gesetzmäßigen oder wucherischen Zinsen angelegt, gewöhnlich in einem Jahre einträgt.
Geben Sie mir zu, mein lieber Petrus, daß ich, indem ich dabei in den Regeln der strengsten Rechtschaffenheit blieb, oder vielmehr mich zu dem Erhabenen des Zartgefühles erhob, da ich in der Wirklichkeit neun Monate vorausbezahlte, – geben Sie zu, daß ich da eine Berechnung gefunden hatte, die ein Meisterstück der Logik und zugleich der Speculation war.
Noch heute zweifle ich daher auch nicht, daß diese Berechnung vollkommen ohne die Dazwischenkunft meiner bedauernswerthen Schüchternheit gelungen wäre, doch diese verdarb Alles, und vernichtete meine weder zur Blüthe noch zur Frucht gereiften Hoffnungen in der Wurzel.
In der That, sobald ich einmal bei dem Handelsmanne, ihm und seiner Frau, einer mageren, unfreundlichen und zänkischen Person, gegenüber war, kurz, sobald ich einmal die Guinee aus meiner Tasche gezogen hatte und sie in die meines Gläubigers übergegangen war, der, – ich muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, – mir auf der Stelle einen Empfangsschein anbot, konnte ich kein einziges Wort mehr finden, um auf die Hauptfrage einzugehen, das heißt meiner Vorstellung in die Welt, so linkisch und kleinstädtisch fand ich mich, als ich mich in einem ungeheuren Spiegel betrachtete, dem gegenüber mich ein Unglückseliger Zufall gestellt hatte.
Dann wollte das Unglück, daß ich, um dem Empfangsscheine entgegen zu gehen, den mir der Handelsmann brachte, nachdem er sich erhoben, um ihn an seinem Pulte zu schreiben, selbst aufgestanden war, so daß ich mich mitten in dem Zimmer stehend und mit meinem Hute in der Hand wie Jemand befand, der bereit ist, Abschied zu nehmen.
Nun aber verlangte die Bitte, die ich an meinen Handelsmann zu stellen hatte, eine gewisse Entwickelung: ich mußte ihn nicht allein bitten, mich in der Welt vorzustellen, sondern ihm auch noch auseinandersetzen, zu welchem Zwecke ich diese Bitte an ihn stellte; mich wieder zu setzen, wo ich ausgestanden war, schien mir linkisch; meine lange Auseinandersetzung stehend zu machen, schien mir unmöglich. Außerdem war es augenscheinlich, daß der Handelsmann meinte, daß wir uns nichts mehr zu sagen hätten, ich hatte mich verneigt, um ihm den Empfangsschein aus der Hand zu nehmen; er, in der Meinung, daß ich mich so verneigte um ihn zu grüßen, hatte sich gleichfalls verneigt; da er sah, daß ich mich nicht wieder aufrichtete, richtete er sich auch nicht wieder auf, und da weder der Eine noch der Andere von uns sich weder rührte, noch sprach, so hatten wir das Ansehen von zwei Parenthesen, die den Satz erwarteten, .der ihnen zur Verbindung dienen sollte; indem sie sich verlängerte, – und sie verlängerte sich! – wurde die Lage dermaßen wunderlich, daß ich diese so magere, so unfreundliche und so zänkische Frau sich umwenden sah um zu lachen; nun gerieth ich in Verlegenheit; meine Verlegenheit steigerte ihre Lustigkeit; diese Lustigkeit, welche der Handelsmann zu theilen begann, ließ mich gänzlich den Kopf verlieren. Ich dachte an nichts Anderes mehr als eine Redensart zu suchen, nach welcher ich auf eine ehrenvolle Weise meinen Rückzug bewerkstelligen könnte; endlich glaubte ich sie gefunden zu haben, und indem ich mich wieder aufrichtete, sagte ich zu ihm.
– In drei Monaten, mein Herr, werde ich Ihnen eine weitere Guinee bringen.
Ohne Zweifel machte mich dieses Versprechen in den Augen meines Handelsmannes weniger lächerlich, denn indem er von dem Lachen zu dem einfachen Lächeln überging, sagte er
– Bringen Sie, mein Herr, und Sie werden willkommen sein.
Hierauf reichte er mir artiger Weise seine Hand, die ich linkisch mit einer kalten, feuchten und zitternden Hand ergriff. ,
Das kam daher, weil ich vollkommen fühlte, daß ich eine Albernheit dadurch begangen hätte, daß ich das sagte, was ich so eben gesagt hatte, weil ich gegen diesen Mann eine unnöthige Verpflichtung einging, welche einzugehen mich nichts nöthigte. Noch mehr: dieses Versprechen war nicht allein unnöthig, sondern es war auch noch gefährlich: wenn ich, nachdem ich dieses Versprechen gegeben, in drei. Monaten kam, um ihm die Guinee zu überbringen, so wußte er es mir keinen Dank, da er im Voraus davon benachrichtigt war; wenn ich dagegen nicht kam, so brach ich, obgleich ich diese Guinee erst in sechs Monaten schuldig war, mein Wort und machte ihn unwillig gegen mich. Der Fehler war so groß, daß ich, wie immer, außerhalb mir eine Ursache für das Unglück suchte, das mir begegnete endlich glaubte ich diese Ursache entdeckt zu haben: ich sagte mir, daß wenn die Frau des Handelsmannes nicht anwesend gewesen wäre, ich mich mit ihrem Gatten vollkommen Mann gegen Mann erklärt hätte; das, was mir begegnet, war also die Schuld dieser Frau: ich entfernte mich daher, indem ich sie verwünschte, wo in der Wirklichkeit ich allein es war, den ich verwünschen mußte.
Ich kehrte zu meinem Kupferschmied zurück, dem ich meinen Unfall erzählte, wobei ich demselben ein für meine Eigenliebe ganz befriedigendes Ansehen gab, und da ich von diesem Manne durchaus nicht eingeschüchtert war, so sagte er zu mir:
– Meiner Treue, Herr Bemrode, an Ihrer Stelle würde ich keine langen Umstände machen und geraden Weges zu dem Rector gehen. Sie stellen sich so gut vor, und Sie sprechen mit so vieler Beredtsamkeit, daß ich keinen Augenblick daran zweifle, daß Sie von ihm alles das erlangen, um was Sie ihn bitten werden.
Dieser Gedanke überraschte mich wie ein Lichtstrahl, und ich verwunderte mich, daß ich ihn noch nicht gehabt hätte. Der Rector war nicht verheirathet: demzufolge würde ich aller Wahrscheinlichkeit nach bei ihm keine Frau finden, die mich einschüchterte. – Ich drückte die Hand meines Kupferschmieds mit bei weitem mehr Freimüthigkeit, als ich die Hand meines Handelsmannes gedrückt hatte.
– Sie haben Recht, rief ich aus, ich werde zu dem Rector gehen. Er ist es, der die Kandidaten ernennt; ich werde mich ihm mit jener edlen Dreistigkeit vorstellen, die zu Gunsten dessen einnimmt, der sich bewirbt, und welche macht, daß man seine Bitte nicht zurückzuweisen wagt. Ich kenne die Menschen, mein lieber Wirth, und nach den ersten Worten, die er an mich richtet, werde ich seinen Charakter beurtheilen, und da man sich am Ende ein wenig helfen muß, wenn man seinen Zweck erreichen will, so werde ich mir mit dieser gründlichen Kenntniß helfen, die mir die Natur verliehen und welche die Erziehung vervollkommnet hat. Wenn er hochmütig ist, so werde ich ihm auf eine feine Weise und in den Grenzen schmeicheln, wo die Schmeichelei einem Christen erlaubt ist; wenn er gefühlvoll ist, so werde ich ihn bei dem Herzen angreifen und ihn rühren; wenn er gelehrt ist, so werde ich mich mit ihm über Wissenschaften unterhalten und ihm zeigen, daß auch mir die Wissenschaften nicht fremd sind; wenn er endlich unwissend ist, so werde ich ihn durch den Umfang meiner Kenntnisse in Erstaunen setzen, und, wie Sie sehen, mein lieber Wirth, wird er mir wohl in dem einen oder andern Falle das bewilligen müssen, um was ich ihn bitten werde.
Mein Wirth hatte mich aufmerksam angehört, aber es war augenscheinlich, daß er meine Begeisterung nicht theilte.
Nach Verlauf eines Augenblickes brach er das Schweigen.
– Sehen Sie, Herr Bemrode, was Sie da so eben gesagt haben, ist sehr schön gesagt . . .
– Nicht wahr? erwiderte ich ganz vergnügt über seinen Beifall.
– Ja . . . nur würde ich nicht so verfahren.
– Weil Sie nicht die Kenntniß der Menschen haben, mein lieber Wirth.
– Das ist möglich; ich habe nur Instinkt, den Instinkt eines Thieres vielleicht; aber dieser Instinkt hat mich niemals getäuscht.
Ich lächelte, und da ich wissen wollte, wie mein Wirth verfahren würde, so fragte ich ihn in einem Protectortone:
– Wohlan! mein lieber Freund, was würden Sie denn an meiner Stelle thun? Lassen Sie hören, sagen Sie, – ich bin ganz Ohr.
Und um ihn mit mehr Bequemlichkeit anzuhören, streckte ich mich gravitätisch in seinem großen Sessel von geschnitztem Holze aus.
– Nun denn! begann mein Wirth wieder, ich würde ihm ganz einfach sagen: »Herr Rector, Sie haben vielleicht von einem würdigen Manne sprechen hören, der dreißig Jahre Pastor der Gemeinde von Beeston gewesen ist; während dieser dreißig Jahre hatte er, was schwierig ist – sich die Achtung der Reichen und die Liebe der Armen zu erwerben und zu erhalten gewußt. Ich bin sein Sohn, Herr Rector, las heißt nichts, durchaus nichts durch mich selbst, und ich komme im Namen meines verstorbenen Vaters, Sie um eine kleine Dorfpfarre zu bitten, in welcher ich die Tugenden ausüben könnte, von denen er mir seit dem Tage meiner Geburt bis zu seinem Todestage das Beispiel gegeben hatte.« Das würde ich ihm sagen, Herr Bemrode, ich, der ich die Menschen nicht kenne, und ich bin überzeugt, daß diese wenigen Worte, so einfach und kunstlos sie auch sind, den Rector mehr rühren würden, als alle Ihre großen vorbereiteten Reden.
Ich lächelte mitleidig. – Mein Freund! sagte ich zu ihm, Ihre Rede, – denn es ist eine Rede, obgleich, wenn man die von Ciecro in seinem Buche von den Rednern vorgeschriebenen Lehren auf sie anwendet, es leicht zu sehen ist, daß sie in der Form fehlt, – mein Freund, Ihre Rede ist zu einfach; es fehlt ihr jene erhabene Kunst, die wir die Beredtsamkeit nennen. Nun ist aber die Beredtsamkeit die einzige Sache, welche rührt, welche erschüttert, welche fortreißt. Plinius sagt, daß die Alten die Beredtsamkeit mit goldenen Ketten vorstellten, die ihr aus dem Munde hervorhingen, um anzudeuten , daß sie unumschränkte Gebieterin auf dieser Welt sei, und daß alle Menschen ihre Sklaven wären. Ich werde daher beredt sein, und da ich meine Beredtsamkeit dem Verstande, dem Charakter und dem Temperamente Ihres Rectors anpassen werde, so wird es mir gelingen… Auch ich, rief ich in meiner Begeisterung aus, auch ich habe goldene Ketten, die an meinen Lippen hängen, und mit diesen Ketten werde ich die Welt unterwerfen!
– Dem sei so! murmelte mein Wirth mit einer Miene, welche sagen wollte: »Ich wünsche es Ihnen, mein lieber Freund, aber ich glaube es nicht . . .«
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