Die Heftigkeit der Revolutionen steht gewöhnlich im Verhältnis mit der Schwere der Regierungssünden, welche sie herbeigeführt haben. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Regierung von Schottland, welche seit vielen Jahren despotischer und verderbter gewesen war als die von England, mit einem weit heftigeren Sturze fiel. In England war die Bewegung gegen den letzten König des Hauses Stuart conservativ, in Schottland war sie destructiv. Die Engländer beschwerten sich nicht über das Gesetz, sondern über die Verletzung des Gesetzes; sie erhoben sich gegen den ersten Beamten des Staats lediglich, um die Suprematie des Gesetzes zur Geltung zu bringen, und sie waren zum größten Theil treue Anhänger der durch das Gesetz eingeführten Landeskirche. Selbst bei Anwendung des außergewöhnlichen Heilmittels, zu welchem sie durch eine außergewöhnliche Lage zu greifen gezwungen worden waren, wichen sie so wenig als möglich von den durch das Gesetz vorgeschriebenen ordentlichen Formen ab. Die zu Westminster tagende Convention war, obwohl durch unregelmäßige Ausschreiben einberufen, genau nach dem Muster eines regelmäßigen Parlaments constituirt. Niemand wurde aufgefordert, einen Platz im Oberhause einzunehmen, dessen Berechtigung, darin zu sitzen, nicht klar war. Die Abgeordneten der Grafschaften und Burgflecken wurden durch die nämlichen Wähler gewählt, welche berechtigt gewesen sein würden, die Mitglieder für ein unter dem großen Siegel einberufenes Haus der Gemeinen zu wählen. Die Wahlrechtstitel des Vierzigschilling-Freisassen, des Steuern zahlenden Angesessenen, des Pächters, des Wahlbürgers von London, des Magisters der freien Kräfte in Oxford wurden respectirt. Die Gesinnung der Wahlkörper wurde mit eben so wenig Zwang von Seiten des großen Haufens und mit eben so wenig Arglist von Seiten der Wahlbeamten ausgeforscht, wie bei irgend einer allgemeinen Wahl der damaligen Zeit. Als endlich die Stände zusammentraten, fanden ihre Verhandlungen in vollkommener Freiheit und genau nach den althergebrachten Formen statt. Nach Jakob’s erster Flucht herrschte allerdings in London und in einigen Theilen des platten Landes eine beunruhigende Anarchie. Aber diese Anarchie dauerte nirgends länger als achtundvierzig Stunden. Von dem Tage, an welchem Wilhelm im St. Jamespalast ankam, hatten selbst die unpopulärsten Agenten der gestürzten Regierung, selbst die Diener der römisch-katholischen Kirche, von der Wuth des Pöbels nichts mehr zu fürchten.
In Schottland war der Gang der Ereignisse ganz anders. Dort war das Gesetz selbst ein Gegenstand der Beschwerde und Jakob hatte sich durch ausdrückliche Anwendung desselben vielleicht mehr Unpopularität zugezogen als durch Verletzung desselben. Die gesetzlich eingeführte Landeskirche war die verhaßteste Institution des ganzen Reichs. Die Tribunale hatten einige so empörende Urtheilssprüche gefällt und das Parlament einige so bedrückende Verordnungen erlassen, daß, wenn diese Urtheilssprüche und diese Verordnungen nicht für ungültig erklärt wurden, nicht daran zu denken war, eine Convention zusammenzubringen, welche sich die öffentliche Achtung erzwang und der Ausdruck der öffentlichen Meinung war. Es stand zum Beispiel kaum zu erwarten, daß die Whigs in dieser Zeit ihrer Macht es sich ruhig gefallen lassen würden, ihr erbliches Oberhaupt, den Sohn eines Märtyrers und Enkel eines Märtyrers, von dem Parlamentshause, in welchem neun seiner Vorfahren als Earls von Argyle gesessen hatten, ausgeschlossen zu sehen, ausgeschlossen durch ein richterliches Erkenntniß, über welches das ganze Königreich empört war. Noch weniger ließ sich erwarten, daß sie die Wahl der Vertreter von Grafschaften und Städten den Vorschriften des bestehenden Gesetzes gemäß vornehmen lassen würden. Denn nach dem bestehenden Gesetz konnte kein Wähler seine Stimme abgeben, ohne geschworen zu haben, daß er sich von dem Covenant lossage und in kirchlichen Angelegenheiten das Supremat des Königs anerkenne.1 Einen solchen Eid aber konnte kein strenger Presbyterianer leisten, und wenn derselbe verlangt worden wäre, so würden die Wahlkörper nichts als kleine Gesellschaften von Prälatisten gewesen sein, die Sorge für Sicherheitsmaßregeln gegen Bedrückung wäre den Bedrückern überlassen geblieben, und die große Partei, die an der Durchführung der Revolution den thätigsten Antheil genommen, würde in einer aus der Revolution hervorgegangenen Versammlung nicht einen einzigen Vertreter gehabt haben.2
Wilhelm sah ein, daß er nicht daran denken durfte, den Gesetzen Schottland’s die strenge Achtung zu Theil werden zu lassen, die er kluger- und rechtschaffnerweise den Gesetzen England’s erwiesen hatte. Es war durchaus notwendig, daß er Kraft seiner eignen Autorität bestimmte, wie die Convention, welche in Edinburg zusammentreten sollte, zu wählen sein würde, und daß er sich selbst die Befugniß ertheilte, einige Erkenntnisse und einige Gesetze zu annulliren. In Folge dessen entbot er mehrere Lords in das Parlament, die durch Urtheilssprüche, welche die allgemeine Stimme laut als ungerecht verdammte, ihrer Ehrenstellen beraubt worden waren, und nahm es auf sich, die Verordnung zu ignoriren, welche den Presbyterianern das Wahlrecht entzog.
Die Folge davon war, daß die Wahl fast aller Grafschafts- und Burgfleckenvertreter auf Whigcandidaten fiel. Die geschlagene Partei beklagte sich laut über unehrliches Spiel, über die Rohheit des Pöbels und über die Parteilichkeit der präsidirenden Magistratspersonen, und diese Klagen waren in vielen Fällen wohlbegründet. Unter Regenten wie Lauderdale und Dundee lernen die Nationen nicht Gerechtigkeit und Mäßigung.3
Das so lange und so streng niedergehaltene Volksgefühl brach übrigens nicht bei den Wahlen allein mit Heftigkeit hervor. Die Köpfe und Hände der Whigmärtyrer wurden von den Thoren Edinburg’s herabgenommen, von zahlreichen Volkshaufen in Procession nach den Gottesäckern getragen und mit feierlicher Ehrfurcht zur Erde bestattet.4 Es hätte noch sein mögen, wenn die öffentliche Begeisterung sich in keiner tadelnswertheren Form geäußert hätte. Leider aber wurde in einem großen Theile Schottland’s der Klerus der Landeskirche gemißhandelt.5 Der Beginn dieses Unwesens war auf den Christmorgen festgesetzt, denn nichts ärgerte die strengen Covenanters mehr als die Ehrfurcht, mit der der Prälatist die alten Feiertage der Kirche heiligte. Daß diese Ehrfurcht bis zum Lächerlichen übertrieben werden kann, ist allerdings wahr. Ein Philosoph wird sich vielleicht zu der Ansicht hinneigen, daß das entgegengesetzte Extrem nicht minder lächerlich sei und wird fragen, warum die Religion den Beistand von Glaubensgesellschaften zurückweisen soll, die es in jeder Nation giebt, welche civilisirt genug ist, um eine Zeitrechnung zu haben, und von denen die Erfahrung gezeigt hat, daß sie eine gewaltige und oft heilsame Wirkung ausüben. Der Puritaner, der im im allgemeinen nur zu bereit war, Präcedenzfällen und Analogien aus der Geschichte und Rechtswissenschaft der Juden zu folgen, würde im Alten Testament ganz eben so triftige Argumente für das Abhalten von Festtagen zu Ehren großer Ereignisse, wie für die Ermordung von Bischöfen und für die Verweigerung des Pardons gegen Gefangene gefunden haben. Von seinem Meister Calvin lernte er gewiß nicht, solche Festtage verabscheuen, denn in Folge der energischen Bemühungen Calvin’s wurde das Weihnachtsfest nach einer mehrjährigen Pause von den Bürgern von Genf wieder gefeiert.6 Allein in Schottland waren Calvinisten ans Licht getreten, die sich zu Calvin verhielten, wie Calvin zu Laud. Diesen starren Fanatikern war ein Feiertag ein Gegenstand des positiven Abscheus und Hasses. Sie fuhren noch lange fort, in ihren feierlichen Manifesten es zu den Sünden zu zählen, welche dereinst ein furchtbares Strafgericht über das Land bringen würden, daß der Court of Session in der letzten Decemberwoche Ferien mache.7
Am Weihnachtstage versammelten sich daher die Covenanters auf Verabredung bewaffnet auf verschiedenen Punkten der westlichen Grafschaften. Jede einzelne Schaar zog dann nach dem nächsten Pfarrhause und plünderte den Keller und die Vorrathskammer des Geistlichen, welche zu dieser Zeit des Jahres wahrscheinlich besser gefüllt waren als sonst. Der Priester Baal’s wurde geschmäht und insultirt, zuweilen geschlagen, andere Male unter Wasser getaucht. Seine Möbeln wurden aus dem Fenster geworfen, seine Frau und seine Kinder aus dem Hause in den Schnee getrieben. Dann wurde er auf den Marktplatz geführt und eine Zeit lang zur Schau ausgestellt, wie ein Missethäter. Sein Priestergewand wurde ihm auf dem Leibe in Stücken zerrissen; hatte er ein Gebetbuch bei sich, so wurde es verbrannt, und endlich entließ man ihn mit der Weisung, nie wieder in dem Kirchspiele zu fungiren, wenn ihm sein Leben lieb sei. Nach solchergestalt vollbrachtem Reformationswerke verschlossen die Reformatoren die Kirche und nahmen die Schlüssel mit sich. Um diesen Leuten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß man bekennen, daß sie in einem Grade unterdrückt worden waren, der ihre Gewaltthätigkeit zwar nicht rechtfertigen, aber wenigstens entschuldigen kann, und daß sie, obgleich roh bis zur Brutalität, sich doch nie eines absichtlichen Verbrechens gegen Leib oder Leben ihrer Feinde schuldig machten.8
Die Unordnung verbreitete sich rasch. In Ayrshire, Clydesdale, Nithisdale und Annandale erhielt jedes Kirchspiel einen Besuch von diesen ungestümen Zeloten. Ungefähr zweihundert Curaten – so nannte man die bischöflichen Pfarrgeistlichen – wurden vertrieben. Die gesetzteren Covenanters billigten zwar den Eifer ihrer aufrührerischen Brüder, fürchteten aber, daß ein so ordnungswidriges Verfahren Aergerniß geben könnte, und erfuhren zu ihrem großen Leidwesen, daß hier und da ein Achan die gute Sache geschändet, indem er sich erniedrigt hatte, die Cananiter, die er nur hatte schlagen sollen, auszuplündern. Es wurde ein allgemeines Meeting von Geistlichen und Aeltesten ausgeschrieben, um solchen Excessen vorzubeugen. In diesem Meeting wurde beschlossen, daß in Zukunft die Vertreibung der protestantischen Geistlichen in ceremoniöserer Weise stattfinden sollte. Es wurde ein Benachrichtigungsformular aufgesetzt und jedem Curaten in den westlichen Niederlanden zugesandt, der noch nicht gemißhandelt (rabbled) worden war. Diese Benachrichtigung war nichts Andres als ein Drohbrief, der ihm befahl, sein Kirchspiel gutwillig zu verlassen, widrigenfalls er mit Gewalt aus demselben vertrieben werden würde.9
Die schottischen Bischöfe sendeten in großer Angst den Dechant von Glasgow nach Westminster, um dort die Sache ihrer verfolgten Kirche zu führen. Die von den Covenanters verübten Gewaltthätigkeiten erregten in hohem Grade den Unwillen Wilhelm’s, der im Süden der Insel selbst Benedictiner und Franciscaner gegen Insulten und Beraubungen geschützt hatte. Obgleich er aber auf Ersuchen einer großen Anzahl schottischer Cavaliere und Gentlemen die ausübende Verwaltung dieses Königreichs übernommen hatte, so standen ihm doch die Mittel nicht zu Gebote, die Ordnung daselbst aufrecht zu erhalten. Er hatte nicht ein einziges Regiment nördlich vom Tweed, ja überhaupt keine Truppen innerhalb vieler Meilen von diesem Flusse. Es wäre vergebens gewesen zu hoffen, daß bloße Worte eine Nation beruhigen würden, welche zu keiner Zeit leicht im Zaume zu halten gewesen und die jetzt von Hoffnungen und Rachegelüsten erfüllt war, wie große Revolutionen, welche auf heftige Bedrückungen folgen, sie ganz natürlich erzeugen müssen. Es wurde indessen eine Proklamation erlassen, welche anordnete, daß Jedermann die Waffen niederlegen und daß den Geistlichen der Staatskirche gestattet sein solle, unbehelligt auf ihren Pfarren zu bleiben, bis die Convention die Regierung festgestellt haben würde. Da aber diese Proklamation nicht durch Truppen unterstützt war, so wurde sie wenig beachtet. Den ersten Tag nach ihrem Erscheinen in Glasgow wurde die ehrwürdige Kathedrale dieser Stadt, fast die einzige schöne Kirche aus dem Mittelalter, welche in Schottland sich unversehrt erhalten hat, von einem Haufen Presbyterianer aus den Versammlungshäusern angegriffen, dem sich auch viele wildere Glaubensbrüder aus den Hochlanden angeschlossen hatten. Es war Sonntag; aber eine Versammlung von Prälatisten zu mißhandeln wurde als ein Werk der Nothwendigkeit und der Gnade betrachtet. Die Andächtigen wurden auseinandergetrieben, geschlagen und mit Schneebällen geworfen; ja es wurde sogar versichert, daß einige Verwundungen durch gefährlichere Waffen vorgekommen seien.10
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На этой странице вы можете прочитать онлайн книгу «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.», автора Т. Б. Маколея. Данная книга имеет возрастное ограничение 12+, относится к жанрам: «Зарубежная классика», «Зарубежная образовательная литература».. Книга «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.» была издана в 2018 году. Приятного чтения!
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