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Heinrich Conscience
Eine verworrene Geschichte

I

An einem Septembermorgen verließ ein junger Bauer die Stadt Hal in Brabant und schlug den Weg ein, der nach Alsemberg führ.

Er trug einen dreieckigen Hut, ein langes Wams aus grobem Tuche, kurze Beinkleider, die mit silbernen Schnallen an den Knieen befestigt waren; ähnliche Schnallen glänzten gleichfalls auf seinen schweren Schuhen. Ueber seiner Schulter lag ein Wanderstab, und daran hing ein leerer Korb.

Schön konnte der junge Mann nicht genannt werden, seine Züge waren einigermaßen grob, sein Gliederbau schwerfällig, wohl in Folge harter Arbeit, aber die frischen rothen Wangen zeugten von gesundem Blut, der sanfte Blick der blauen Augen von Herzesgüte .

Anfangs zog er raschen Schrittes seiner Straße, sobald aber der Weg einsamer wurde und er dem Gesichtskreise der Leute entrückt war, ging er allmählich langsam, und ließ den Kopf und tiefer sinken, wie unter dem Druck schwerer Gedanken.

Mitunter blieb er stehn, murmelte bitter in sich hinein und erhob selbst drohend die Faust, dann aber setzte er mit einem schmerzlichen Seufzer seine Wanderung wieder fort, bis er endlich bei einer Biegung des Weges plötzlich eine Frau vor sich bemerkte, die einen großen flachen Korb auf dem Kopfe trug. Er kannte sie, es war die Schenkwirthin aus Dworg, eine verständige Frau, die aber in dem Rufe stand, sehr geschwätzig zu sein und sich vielfach um Sachen zu kümmern, die sie im Grunde nichts angingen.

Der junge Bauer zögerte, um wo möglich ihrer Gesellschaft zu entgehen, doch sie hatte seine Schritte schon gehört und sich umgewendet. Gern oder ungern, ihm blieb nichts übrig, als sich ihr anzuschließen.

»Wie froh bin ich Euch zu treffen, Urban,« sagte sie, »es ist so langweilig, allein über Land zu laufen! Habt Ihr gute Geschäfte gemacht auf dem Markte zu Hal?«

»So ziemlich war die Antwort.

»Habt Ihr auch schon die große Neuigkeit gehört? Schrecklich, nicht wahr?«

Der junge Mann zuckte zweifelnd die Achseln.

»Ihr solltet wirklich nichts davon wissen? Und in Hal spricht man doch von nichts Anderem! Es sind Nachrichten ans Deutschland gekommen: Die Preußen, die Franzosen haben unserer Kaiserin Maria Theresia den Krieg erklärt, man sagt sie würden sich weit hinten in Oesterreich schlagen auf Leben und Tod, doch wer weiß, ob sich der Krieg nicht auch nach Brabant zieht. Dann werden die armen Bauern wieder geplündert, gebrandschatzt, ermordet . . . Gott gebe, daß es so weit nicht komme.«

Urban war von seinen eignen Gedanken so sehr in Anspruch genommen, daß er auf ihre Worte nicht zu achten, sie kaum zu hören schien.

Lächelnd blickte sie ihn eine Zeitlang von der Seite an und sagte dann:

»Aber, lieber Freund, warum laßt Ihr denn den Kopf bis fast auf die Erde hängen, als suchtet Ihr eine Nähnadel? Fehlt euch etwas?«

»Fröhlich bin ich sicher nicht, Base Geerts.«

»So laßt einmal hören, was ihr auf dem Herzen habt.«

»Das würde es nicht besser machen.«

»Vom Schweigen werdet Ihr nur noch trauriger; erzählt mir lieber was Euch bedrückt.«

»Nein, nein, Base Geerts, plaudern wir lieber von andern Dingen; sagtet Ihr nicht, in Deutschland würde der Krieg losbrechen?«

»Ei, ei, Ihr wollt also die Ursache Eures Kummers verheimlichen?« rief sie triumphierend, »nun, da wird wohl nichts übrig bleiben, als- daß ich sie Euch angebe. Hört doch nur: Ihr liebt die schöne Cilia des Baas Roosen, in Dworg dachte man allgemein Ihr würdet sie heirathen, die beiderseitigen Eltern wären darüber längst einig und keiner der übrigen Bauernburschen wagte sich der Cilia zu nähern, wie vielen sie auch immer die Köpfe verdrehte. Ihr hattet selbst schon angefangen einiges für den zukünftigen Hausstand anzuschaffen . . . Nun, habe ich Recht l i oder nicht?«

»Was Ihr da erzählt, weiß ja doch Jeder, murmelte der junge Bauer.

»Freilich und auch, daß jetzt, seit einigen Monaten Markus Corf, der Sohn aus dem »Goldenen Apfel,« der Raufbold, der seine arme Mutter noch in’s Elend bringt, daß Markus, sage ich, sich in die hübsche Cilia verliebt hat und hoch und theuer schwört, sie müsse seine Frau werden, nicht wahr, das weiß auch Jeder. – Aber es gibt doch auch allerlei außerdem, was nur wenig Leute wissen, zum Beispiel: der Grund, warum die Baase Roosen plötzlich ihr gegebenes Wort bricht und dem rohen Markus ihre Tochter verheirathen will.«

»O, der Grund ist doch leicht zu begreifen,« versetzte Urban, »die Baase Roosen handelt unter dem Druck eines furchtbaren Zwanges, der Amtmann bringt sie durch Drohungen und Versprechungen dahin, daß sie ihr Wort zurückzieht; ist er doch der zweithöchste Gerichtsbeamte von Dworg, der dem Müller Verdruß genug anthun, ihn beim Baron und beim Drosten anzuschwärzen und vielleicht gar aus der Mühle vertreiben kann.«

»Schwindel, lieber Freund,« versetzte die Frau lachend, »lauter leere Vorwände, hinter welchen die Baase Roosen den wahren Grund ihres Verhaltens verbirgt. Was fragt sie nach dem Amtmann? Sie hat eine lange Pacht und und unser Herr Baron ist ein gerechter Mann. Nein, ihr steckt das Geld im Kopf und der sonstige Nutzen; wenn auch auf dem rechten Fuß gelähmt ist sie gleichwohl eine kluge berechnende Frau, die ganz genau aufgepasst und jeden Vortheil, der sich ihr bietet, sorgfältig wahrnimmt. Außer ihrer ältesten Tochter, der schönen Cilia, hat sie der Kinder noch fünf, und scheut daher eine große Mitgift.«

»Wir verlangen nichts,« rief der junge Mann lebhaft.

»Mag sein, aber was Ihr bieten könnt, ist gleichfalls wenig, der Baase jedenfalls nicht genug,« war die Antwort, »ihrer Ansicht nach ist die schöne Cilia weit mehr werth und um so geringen Preis nicht feil.«

»Nicht feil! Wie Ihr so etwas nur sagen könnt!«

»Nun, werdet nur nicht gleich böse, . . wenn man Alles genau überlegt, dann hat die Mutter Roosen so ganz unrecht nicht. Heirathet Ihr die schöne Cilia, so muß sie bei Euren Eltern wohnen, ohne ein eigenes Heim zu bekommen, sie muß für die alten Leute arbeiten und ist im Grunde nicht viel mehr als eine Magd.«

»Cilia eine Magd?!« fuhr Urban auf, »wer wagt das zu sagen?«

»Ich ganz gewiß nicht,« erwiederte die Baase Gertis, »aber Cilias Mutter.«

»Ach,« seufzte Urban, »sollte sie wirklich solche Worte gebraucht haben?«

»Euer eigener Vater hat sie mehr als einmal aus ihrem Munde gehört.«

»Und sollte die Frau Roosen wirklich glauben, daß Cilia von uns Allen nicht geliebt und auf Händen getragen würde? Das ist ja unbegreiflich! Meint sie in der That, was sie sagt?«

»Vielleicht stellt sie sich nur so, o, sie ist eine schlaue durchtriebene Person! Euch gäbe sie natürlich ihre Tochter lieber als dem rohen Markus, aber sie hofft in ihm das Mittel gefunden zu haben, Euren Vater zu den größten Opfern breit zu schlagen, sie möchte ihn gern zwingen sich auszukleiden, bevor er schlafen geht, wie das Sprichwort sagt.«

»Aber lieber Himmel, Baase Gerts, woher wißt Ihr nur das Alles?« rief der junge Mann verwundert.

»Das ist leicht erklärt: der Müller hat meinem Mann sein Leid geklagt, Ihr wißt ja, er hat Euch gern, und beklagt es von Herzen, daß er Euren Vater seinen ältesten Freund so beleidigen soll. Doch der arme Tropf hat in seinem Hause nichts mehr zu sagen, seine Frau hat die Hosen an, er getraut sich nicht einmal, ihr zu widersprechen, viel weniger gegen ihren Willen zu handeln.«

»O, das; Eure Vermuthungen begründet wären!« rief Urban, und seine Augen leuchteten freudig auf; »Ihr haltet die Forderung nur für eine leere Drohung und glaubt, Cilias Mutter wurde dem Markus ihre Tochter versagen, selbst wenn mein Vater bei seiner Weigerung bleibt den an Pachthof abzugeben?«

»Das habe ich nicht gesagt, im Gegentheil, die Baase Roosen ist eine starrköpfige Frau und wenn sie einmal Etwas vor hat, setzt sie es durch, mag kommen was will; dazu kommt, daß der Amtmann jetzt beinahe täglich zur Mühle geht, um sie zu bereden und zum Entschluß zu bringen. Der weiß auch was er thut: Cilia ist die Güte und Sanftmuth selbst, Markus scheint rasend in sie verliebt. Der Amtmann glaubt, diese Liebe würde die wilde Natur seines Neffen zähmen und seine Schwester von dem schweren Druck befreien, den ihres Sohnes schlechtes Betragen ihr auferlegt. Um dieses Ziel zu erreichen wird er keine Versprechungen scheuen, und selbst wenn die Baase Roosen einen Schatz verlangte . . . «

»Ach, ich bin tief unglücklich,« seufzte der junge Mann; »an mir selbst ist noch am wenigsten gelegen, aber die arme sie Cilia! Sie sollte die Frau des Trunkenboldes werden? Das wäre ihr Tod, sie flieht ihn wie die Sünde! . . . Wüßte ich doch nur was in aller Welt zu machen sei!«

»Ein herzhafter Entschluß allein kann hier helfen: Euer Vater muß der Forderung der Baase Roosen nachgeben.«

»Das will er nicht.«

»Er muß wollen, es gibt kein anderes Mittel.«

»Aber sagt einmal selbst, wäre es nicht geradezu unerträglich hart für meinen armen Vater? Ich selbst habe noch nicht einmal gewagt, ihn darum zu bitten.«

»So gebt alle Hoffnung auf; Cilia ist dann überkurz oder lang die Braut des Markus . . . und wer weiß, am Ende söhnt sie sich mit ihrem Schicksal aus, der Markus ist ein schmucker und Bursch kann sich bessern. Seine Mutter ist reich, sie überläßt ihm den Gasthof; der »goldene Apfel« ist kein übler Erwerbszweig.«

Urban senkte den Blick und schüttelte traurig den Kopf.

»Nun nur nicht gleich verzweifelt,« sagte seine Begleiterin, an Eurer Stelle würde ich meinem Vater noch einmal gründlich zu Leibe gehn und ihm begreiflich machen, daß er nur einen Sohn hat Euer Lebensglück steht auf dem Spiele, Baas Coutermann darf vor keinem Opfer, wie groß es auch immer sei, zurückscheun oder er hat kein Herz.«

»Meinen guten Vater soll ich so tief betrüben, soll ihn bitten, Alles, was er ein langes Leben hindurch im Schweiße seines Angesichtes verdient hat, mir zu übergeben?« seufzte Urban; »ach das ist schrecklich, ich bebe davor zurück wie vor einem Verbrechen. Für Cilia aber will ich es dennoch wagen, heute noch!«

»Das nenne ich ein vernünftiges Vorhaben, Urban;« sagte die Frau; »ich weiß, Ihr werdet mir später noch danken für den Rath, den ich Euch gegeben habe.«

Sie hatten inzwischen die Chaussee nach Alsemberg erreicht und näherten sich einem prächtigen Landhause, das unter hohen schattigen Bäumen etwas seit ab vom Wege lag und die Stelle des ehemaligen Schlosses Dworg einnahm, welches von den französischen Truppen Ludwig’s XIV. beinah bis auf den Grund niedergebrannt war.

In neuerem Geschmack wieder aufgebaut zeigte es gleichwohl noch einige Ueberreste der alten Herrlichkeit. So stand noch zu beiden Seiten des Eingangs je ein schwerfälliger Thurm, in dessen Grundfesten sich drei oder vier gewölbte Kerker befanden, für Räuber und Mörder bestimmt. Denn die Herren von Dworg handhabten eine eigne Gerichtsbarkeit und verfügten über einen Galgen und eine Folter.«

Den Blick auf einen der Thürme gerichtet sagte die Baase Gerts zu ihrem Gefährten:

»Seht, Urban, so oft ich hier vorübergehe, überläuft es mich kalt und ich fange unwillkürlich an zu zittern. Es mögen wohl zwanzig Jahre vergangen sein . . . ja, denn wir schreiben nun 1740 . . . ich war noch ein junges Ding . . . da hatte man unter dem Thurm an der linken Seite des Thores einen gewissen Franz Reefs eingesperrt, einen armen Schlucker, der im Verdachte des Holzdiebstahls stand. Mitten im Winter war es, und so kalt, daß Franz Nachts in seinem Kerker erfror. Als man des Morgens nach ihm sah, fand sich, daß die Ratten . . . pfui, es ist in schrecklich, um es zu erzählen, der unglückliche Mensch war kaum noch zu erkennen.

»Schaut doch nur dahin, Urban, da kommen eben die Schlitten aus der Burg mit einem Gefangenen!«

»Das ist Lukas Stoppelinx, der Schuhmacher aus Beersel, der vergangene Woche im »goldenen Apfel« eine Schlägerei hatte,« bemerkte Urban.

»Richtig ich habe davon gehört, er hat dein Sohn des Wagenbauers mit einem Hieb den Arm zerschmettert und wird nun nach Beersel gebracht, um dort verurtheilt zu werden, der Herr von Beersel hat ihn als Gutsangehörigen zurückgefordert. Und er kann von Glücken sagen, daß die Sache diesen Verlauf genommen, denn nun wird er mit ein paar Monaten und etwas Sühngeld davon kommen, während sie ihn hier gegeißelt oder wohl gar gehängt hätten. Unser Herr Baron will die leidige Gewohnheit des Schlagens nun durchaus unterdrücken und hat, vor seiner Abreise nach Wien den Drosten angewiesen, mit aller Strenge gegen die Krakeler zu verfahren. Ihr kennt doch den Sebastian Voet aus Grootheyde?«

»Laßt uns weiter gehen, Baase Geerts,« unterbrach Urban ihren Redefluß, »ich habe Eile.«

»Weil der Amtmann dabei ist, nicht wahr? Er ist der Feind Eures Glücks und Ihr begegnet ihm ungern.«

»So ist es, kommt ich bitte Euch.«

»Nein ich will bleiben, um sie vorübergehn zu sehn.«

»So wünsch ich Euch Lebewohl, Baase.«

»Werdet Ihr meinen Rath befolgen?«

»Ja, noch heute.«

»Auf Wiedersehn denn; da kommen sie! Schaut sie haben dem Lukas die Hände auf dem Rücken gebunden! . . . «

Urban setzte allein seinen Weg fort, anfangs, wie es schien dem Dorfe zu, dessen Kirchlein, von einigen Häusern umgeben, unweit der Landstraße lag; bald aber wandte er sich der linken Seite in ein schattiges Thal, schritt über eine kleine Brücke und an ein paar Wassermühlen vorüber, die in nur geringer Entfernung voneinander, an einem klaren Bache lagen.

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