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Friedrich Schiller
Wallensteins Tod

Personen:

Wallenstein

Octavio Piccolomini

Max Piccolomini

Terzky

Illo

Isolani

Buttler

Rittmeister Neumann

Ein Adjutant

Oberst Wrangel von Schweden gesendet

Gordon Kommandant von Eger

Major Geraldin

Deveroux

Macdonald

Hauptleute in der Wallensteinischen Armee

Schwedischer Hauptmann

Eine Gesandtschaft von

Kürassieren

Bürgermeister von Eger

Seni

Herzogin von Friedland

Gräfin Terzky

Thekla

Fräulein Neubrunn Hofdame der Prinzessin von Rosenberg Stallmeister der Prinzessin

Dragoner

Bediente. Pagen. Volk.

Die Szene ist in den drei ersten Aufzügen zu Pilsen, in den zwei letzten zu Eger.

Erster Aufzug

Ein Zimmer, zu astrologischen Arbeiten eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und anderm astronomischen Geräte versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in welcher die sieben Planetenbilder, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind. Seni beobachtet die Sterne, Wallenstein steht vor einer großen schwarzen Tafel, auf welcher der Planetenaspekt gezeichnet ist.

Erster Auftritt

Wallenstein. Seni.

Wallenstein
 
     Laß es jetzt gut sein, Seni. Komm herab.
     Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.
     Es ist nicht gut mehr operieren. Komm!
     Wir wissen g'nug.
 
Seni
 
     Nur noch die Venus laß mich
     Betrachten, Hoheit. Eben geht sie auf.
     Wie eine Sonne glänzt sie in dem Osten.
 
Wallenstein
 
     Ja, sie ist jetzt in ihrer Erdennäh'
     Und wirkt herab mit allen ihren Stärken.
 

(Die Figur auf der Tafel betrachtend.)

 
     Glückseliger Aspekt! So stellt sich endlich
     Die große Drei verhängnisvoll zusammen,
     Und beide Segenssterne, Jupiter
     Und Venus, nehmen den verderblichen,
     Den tück'schen Mars in ihre Mitte, zwingen
     Den alten Schadenstifter, mir zu dienen.
     Denn lange war er feindlich mir gesinnt
     Und schoß mit senkrecht- oder schräger Strahlung,
     Bald im Gevierten, bald im Doppelschein,
     Die roten Blitze meinen Sternen zu
     Und störte ihre segenvollen Kräfte.
     Jetzt haben sie den alten Feind besiegt
     Und bringen ihn am Himmel mir gefangen.
 
Seni
 
     Und beide große Lumina von keinem
     Malefico beleidigt! der Saturn
     Unschädlich, machtlos, in cadente domo.
 
Wallenstein
 
     Saturnus' Reich ist aus, der die geheime
     Geburt der Dinge in dem Erdenschoß
     Und in den Tiefen des Gemüts beherrscht
     Und über allem, was das Licht scheut, waltet.
     Nicht Zeit ist's mehr, zu brüten und zu sinnen,
     Denn Jupiter, der glänzende, regiert
     Und zieht das dunkel zubereitete Werk
     Gewaltig in das Reich des Lichts – Jetzt muß
     Gehandelt werden, schleunig, eh' die Glücks-
     Gestalt mir wieder wegflieht überm Haupt,
     Denn stets in Wandlung ist der Himmelsbogen.
 

(Es geschehen Schläge an die Tür.)

 
     Man pocht. Sieh, wer es ist.
 
Terzky. (draußen)
 
     Laß öffnen!
 
Wallenstein
 
     Es ist Terzky.
     Was gibt's so Dringendes? Wir sind beschäftigt.
 
Terzky. (draußen)
 
     Leg alles jetzt beiseit', ich bitte dich,
     Es leidet keinen Aufschub.
 
Wallenstein
 
     Öffne, Seni.
 

(Indem jener dem Terzky aufmacht, zieht Wallenstein den Vorhang vor die Bilder.)

Zweiter Auftritt

Wallenstein. Graf Terzky.

Terzky. (tritt ein)
 
     Vernahmst du's schon? Er ist gefangen, ist
     Vom Gallas schon dem Kaiser ausgeliefert!
 
Wallenstein. (zu Terzky)
 
     Wer ist gefangen? Wer ist ausgeliefert?
 
Terzky
 
     Wer unser ganz Geheimnis weiß, um jede
     Verhandlung mit den Schweden weiß und Sachsen,
     Durch dessen Hände alles ist gegangen —
 
Wallenstein. (zurückfahrend)
 
     Sesin doch nicht? Sag nein, ich bitte dich.
 
Terzky
 
     Grad auf dem Weg nach Regenspurg zum Schweden
     Ergriffen ihn des Gallas Abgeschickte,
     Der ihm schon lang die Fährte abgelauert.
     Mein ganz Paket an Kinsky, Matthes Thurn,
     An Oxenstirn, an Arnheim führt er bei sich.
     Das alles ist in ihrer Hand, sie haben
     Die Einsicht nun in alles, was geschehn.
 

Dritter Auftritt

Vorige. Illo kommt.

Illo. (zu Terzky)
 
     Weiß er's?
 
Terzky
 
     Er weiß es.
 
Illo. (zu Wallenstein)
 
     Denkst du deinen Frieden
     Nun noch zu machen mit dem Kaiser, sein
     Vertraun zurückzurufen? wär' es auch:
     Du wolltest allen Planen jetzt entsagen,
     Man weiß, was du gewollt hast. Vorwärts mußt du,
     Denn rückwärts kannst du nun nicht mehr.
 
Terzky
 
     Sie haben Dokumente gegen uns
     In Händen, die unwidersprechlich zeugen —
 
Wallenstein
 
     Von meiner Handschrift nichts. Dich straf ich Lügen.
 
Illo
 
     So? Glaubst du wohl, was dieser da, dein Schwager,
     In deinem Namen unterhandelt hat,
     Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen?
     Dem Schweden soll sein Wort für deines gelten,
     Und deinen Wiener Feinden nicht!
 
Terzky
 
     Du gabst nichts Schriftliches – Besinn dich aber,
     Wie weit du mündlich gingst mit dem Sesin.
     Und wird er schweigen? Wenn er sich mit deinem
     Geheimnis retten kann, wird er's bewahren?
 
Illo
 
     Das fällt dir selbst nicht ein! Und da sie nun
     Berichtet sind, wie weit du schon gegangen,
     Sprich! was erwartest du? Bewahren kannst du
     Nicht länger dein Kommando, ohne Rettung
     Bist du verloren, wenn du's niederlegst.
 
Wallenstein
 
     Das Heer ist meine Sicherheit. Das Heer
     Verläßt mich nicht. Was sie auch wissen mögen,
     Die Macht ist mein, sie müssen's niederschlucken,
     – Und stell ich Kaution für meine Treu',
     So müssen sie sich ganz zufrieden geben.
 
Illo
 
     Das Heer ist dein; jetzt für den Augenblick
     Ist's dein; doch zittre vor der langsamen,
     Der stillen Macht der Zeit. Vor offenbarer
     Gewalt beschützt dich heute noch und morgen
     Der Truppen Gunst; doch gönnst du ihnen Frist,
     Sie werden unvermerkt die gute Meinung,
     Worauf du jetzo fußest, untergraben,
     Dir einen um den andern listig stehlen —
     Bis, wenn der große Erdstoß nun geschieht,
     Der treulos mürbe Bau zusammenbricht.
 
Wallenstein
 
     Es ist ein böser Zufall!
 
Illo
 
     Oh! einen glücklichen will ich ihn nennen,
     Hat er auf dich die Wirkung, die er soll,
     Treibt dich zu schneller Tat – Der schwed'sche Oberst —
 
Wallenstein
 
     Er ist gekommen? Weißt du, was er bringt?
 
Illo
 
     Er will nur dir allein sich anvertraun.
 
Wallenstein
 
     Ein böser, böser Zufall – Freilich! Freilich!
     Sesina weiß zu viel und wird nicht schweigen.
 
Terzky
 
     Er ist ein böhmischer Rebell und Flüchtling,
     Sein Hals ist ihm verwirkt; kann er sich retten
     Auf deine Kosten, wird er Anstand nehmen?
     Und wenn sie auf der Folter ihn befragen,
     Wird er, der Weichling, Stärke g'nug besitzen? —
 
Wallenstein. (in Nachsinnen verloren)
 
     Nicht herzustellen mehr ist das Vertraun.
     Und mag ich handeln, wie ich will, ich werde
     Ein Landsverräter ihnen sein und bleiben.
     Und kehr ich noch so ehrlich auch zurück
     Zu meiner Pflicht, es wird mir nichts mehr helfen —
 
Illo
 
     Verderben wird es dich. Nicht deiner Treu',
     Der Ohnmacht nur wird's zugeschrieben werden.
 
Wallenstein. (in heftiger Bewegung auf und ab gehend)
 
     Wie? Sollt' ich's nun im Ernst erfüllen müssen,
     Weil ich zu frei gescherzt mit dem Gedanken?
     Verflucht, wer mit dem Teufel spielt! —
 
Illo
 
     Wenn's nur dein Spiel gewesen, glaube mir,
     Du wirst's in schwerem Ernste büßen müssen.
 
Wallenstein
 
     Und müßt' ich's in Erfüllung bringen, jetzt,
     Jetzt, da die Macht noch mein ist, müßt's geschehn —
 
Illo
 
     Wo möglich, eh' sie von dem Schlage sich
     In Wien besinnen und zuvor dir kommen —
 
Wallenstein. (die Unterschriften betrachtend)
 
     Das Wort der Generale hab ich schriftlich —
     Max Piccolomini steht nicht hier. Warum nicht?
 
Terzky
 
     Es war – er meinte —
 
Illo
 
     Bloßer Eigendünkel!
     Es brauche das nicht zwischen dir und ihm.
 
Wallenstein
 
     Es braucht das nicht, er hat ganz recht —
     Die Regimenter wollen nicht nach Flandern,
     Sie haben eine Schrift mir übersandt
     Und widersetzen laut sich dem Befehl.
     Der erste Schritt zu Aufruhr ist geschehn.
 
Illo
 
     Glaub mir, du wirst sie leichter zu dem Feind
     Als zu dem Spanier hinüber führen.
 
Wallenstein
 
     Ich will doch hören, was der Schwede mir
     Zu sagen hat.
 
Illo. (pressiert)
 
     Wollt Ihr ihn rufen, Terzky?
     Er steht schon draußen.
 
Wallenstein
 
     Warte noch ein wenig.
     Es hat mich überrascht – Es kam zu schnell —
     Ich bin es nicht gewohnt, daß mich der Zufall
     Blind waltend, finster herrschend mit sich führe.
 
Illo
 
     Hör ihn fürs erste nur. Erwäg's nachher.
 

(Sie gehen.)

Vierter Auftritt

Wallenstein. (mit sich selbst redend)

 
     Wär's möglich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?
     Nicht mehr zurück, wie mir's beliebt? Ich müßte
     Die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht,
     Nicht die Versuchung von mir wies – das Herz
     Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse
     Erfüllung hin die Mittel mir gespart,
     Die Wege bloß mir offen hab gehalten? —
     Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht
     Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie.
     In dem Gedanken bloß gefiel ich mir;
     Die Freiheit reizte mich und das Vermögen.
     War's unrecht, an dem Gaukelbilde mich
     Der königlichen Hoffnung zu ergötzen?
     Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
     Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
     Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte?
     Wohin denn seh ich plötzlich mich geführt?
     Bahnlos liegt's hinter mir, und eine Mauer
     Aus meinen eignen Werken baut sich auf,
     Die mir die Umkehr türmend hemmt!
 

(Er bleibt tiefsinnig stehen.)

 
     Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld,
     Wie ich's versuchen mag! nicht von mir wälzen;
     Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
     Und – selbst der frommen Quelle reine Tat
     Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
     War ich, wofür ich gelte, der Verräter,
     Ich hätte mir den guten Schein gespart,
     Die Hülle hätt' ich dicht um mich gezogen,
     Dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unschuld,
     Des unverführten Willens mir bewußt,
     Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft —
     Kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war.
     Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
     Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen,
     Und was der Zorn und was der frohe Mut
     Mich sprechen ließ im Überfluß des Herzens,
     Zu künstlichem Gewebe mir vereinen
     Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
     Dagegen ich verstummen muß. So hab ich
     Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
     Und nur Gewalttat kann es reißend lösen.
 

(Wiederum stillstehend.)

 
     Wie anders! da des Mutes freier Trieb
     Zur kühnen Tat mich zog, die rauh gebietend
     Die Not jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
     Ernst ist der Anblick der Notwendigkeit.
     Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
     In des Geschicks geheimnisvolle Urne.
     In meiner Brust war meine Tat noch mein:
     Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
     Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
     Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
     Gehört sie jenen tück'schen Mächten an,
     Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
 

(Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder sinnend stehen.)

 




























 


 




 


 



 




 





 


 


 


 


 






 






 


 











 



 









 


 





 


 










 






 








 


 





 



 


 








 



 




















 




 



 


 








 


 




 


 





 


 





 






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